A-N-Acetylgalactosaminidase-Mangel

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 13. April 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Beim a-N-Acetylgalactosaminidase-Mangel handelt es sich um eine lysosomale Speicherkrankheit, die nur sehr selten vorkommt. Sie wird in eine juvenile sowie eine adulte Form unterteilt.

Inhaltsverzeichnis

Was ist ein a-N-Acetylgalactosaminidase-Mangel?

Der A-N-Acetylgalactosaminidase-Mangel wird durch einen Gendefekt hervorgerufen.

Der a-N-Acetylgalactosaminidase-Mangel oder Alpha-N-Acetylgalactosaminidase-Mangel wird in der Medizin auch als Schindler-Krankheit, Morbus Schindler oder Morbus Kanzaki bezeichnet. Gemeint ist damit eine überaus seltene lysosomale Speichererkrankung, deren Vererbung autosomal-rezessiv erfolgt. Mediziner unterscheiden zwischen einer juvenilen Form, die bei Kindern und Jugendlichen auftritt, sowie einer adulten Form, unter der erwachsene Menschen leiden.

Die juvenile Form des Alpha-N-Acetylgalactosaminidase-Mangels trägt die Bezeichnung Morbus Schindler, während die adulte Form Morbus Kanzaki genannt wird. Es existieren aber auch Unterteilungen in Morbus Schindler Typ I für die jugendliche Form und Morbus Schindler Typ II für die erwachsene Form. Ebenso möglich ist eine Mischung aus beiden Formen, die als Morbus Schindler Typ III bezeichnet wird.

Sämtliche drei Krankheitsformen zählen zu den Oligosaccharidosen (Glykoproteinosen), zu denen unter anderem die Fucosidose sowie die Sialinsäure-Speicherkrankheit gehören. Die Bezeichnung Schindler-Krankheit oder Morbus Schindler für den Alpha-N-Acetylgalactosaminidase-Mangel geht auf den deutschen Genetiker Detlev Schindler zurück.

Er beschrieb als Erster die Erkrankung 1988. Ein Jahr später erfolgte die Beschreibung der adulten Form durch den japanischen Mediziner T. Kanzaki. Dieser entdeckte 1991, dass ein Alpha-N-Acetylgalactosaminidase-Mangel für die Erkrankung ursächlich war.

Ursachen

Hervorgerufen wird der a-N-Acetylgalactosaminidase-Mangel durch eine verminderte Aktivität des Enzyms Alpha-N-Acetylgalactosaminidase. Verantwortlich für den Enzymdefekt sind Missense- oder Nonsense-Mutationen auf dem NAGA-Gen, durch das die Alpha-N-Acetylgalactosaminidase codiert wird.

Das NAGA-Gen ist auf dem Chromosom 22 Genlocus q11 ansässig. Das Enzym Alpha-N-Acetylgalactosaminidase hat die Aufgabe, das Abspalten von N-Acetylgalaktosamin von unterschiedlichen Glykolipiden und Glykoproteinen zu katalysieren. Der Gendefekt bewirkt eine verringerte Aktivität des Enzyms, sodass sich in den Körperzellen Substanzen anreichern, die nicht metabolisiert sind.

In den meisten Fällen sind dies Proteoglykane, Glykosphingolipide sowie N- beziehungsweise O-verlinkte Glykoproteine. Durch deren Anhäufung kommt es in der Zelle sowie den betroffenen Organen zu Schädigungen. Der Alpha-N-Acetylgalactosaminidase-Mangel tritt so selten auf, dass keine genauen Angaben über seine Häufigkeit vorliegen.

Auf der ganzen Welt sind bislang nur zwölf Patienten aus acht Familien bekannt, die an Morbus Schindler erkrankten. Nicht bei jedem Patienten kommt es zu neurologischen Beschwerden. Für das Auftreten von neurologischen Symptomen vermuten einige Mediziner den Einfluss von zusätzlichen Faktoren. Allerdings existieren für diese Annahme noch keinerlei Belege.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die Symptome bei einem Alpha-N-Acetylgalactosaminidase-Mangel hängen von der jeweiligen Erkrankungsform ab. Im Rahmen von Morbus Schindler Typ I tritt schon im ersten Lebensjahr eine voranschreitende Muskelhypotonie auf. Außerdem leiden die betroffenen Babys unter einer ausgeprägten psychomotorischen Rückentwicklung.

Auch wurden Störungen des Bewegungsablaufes, spastischer Tetraplegie sowie myoklonischen zerebralen Krampfanfällen als Erscheinungsmerkmale verzeichnet. Außerdem droht eine Erblindung des Kindes. Liegt eine adulte Form des Alpha-N-Acetylgalactosaminidase-Mangels, also Morbus Schindler Typ 2, vor, kommt es zu Beschwerden, die Morbus Fabry ähneln.

So bestehen bei den Patienten Angiokeratome, bei denen es sich um gutartige Hautveränderungen handelt. Viele Patienten sind in geringem Maße geistig zurückgeblieben. Eine klinische Zwischenform stellt Morbus Schindler Typ III dar. Dabei leiden die Betroffenen unter neurologischen Fehlfunktionen, zerebralen Anfällen und geistigen Behinderungen.

Ebenso möglich sind jedoch auch weniger schwere Verlaufsformen, die mit milden psychiatrischen und neurologischen Beschwerden, einer verzögerten Sprachentwicklung oder autismusähnlichen Erscheinungen einhergehen.

Diagnose & Verlauf

Die Diagnose eines Alpha-N-Acetylgalactosaminidase-Mangels ist durch den Nachweis einer reduzierten NAGA-Aktivität möglich. Zu diesem Zweck werden Enzymtests im Blutplasma, den Leukozyten oder kultivierten Fibroblasten beziehungsweise Lymphoblasten durchgeführt. Ebenso ermöglicht der chromatographische Nachweis von Oligosacchariden innerhalb des Harns die Diagnose des Enzymmangels.

Des Weiteren kann eine DNA-Analyse vorgenommen werden, was jedoch in den meisten Fällen nicht erforderlich ist. Während der Schwangerschaft lässt sich auch eine Pränataldiagnostik des Enzymmangels durch eine Mutationsanalyse des NAGA-Gens im Anschluss an eine Chorionzottenbiopsie oder eine Amniozentese durchführen. Allerdings ist dabei die jeweilige Erkrankungsform nicht feststellbar.

Von Bedeutung ist zudem die Differentialdiagnose zum Fabry-Syndrom, der Panthothenat-Kinase-assoziierten Neurodegeneration sowie zur infantilen neuroaxonalen Dystrophie, bei denen ebenfalls Enzymdefekte bestehen. Der Verlauf des Alpha-N-Acetylgalactosaminidase-Mangels richtet sich nach der jeweiligen Erkrankungsform.

So gilt Morbus Schindler Typ I als ungünstig, während die Prognose bei den beiden anderen Typen günstiger ausfällt. Allerdings ist die Zahl der erkrankten Personen derart gering, dass sich keine sinnvollen Aussagen über die Lebenserwartung machen lassen.

Komplikationen

Die Beschwerden und Komplikationen bei einem A-N-Acetylgalactosaminidase-Mangel hängen stark von ihrer Form ab. In den meisten Fällen kommt es allerdings zu Bewegungsstörungen, sodass Betroffene in ihrem Alltag relativ stark eingeschränkt sind. Es kommt ebenfalls zu Krämpfen, die mit starken Schmerzen verbunden sind.

Vor allem Babys leiden an einer starken Störung der Entwicklung, wodurch sich eine Spastik beim Kind entwickeln kann. In einigen Fällen führt der A-N-Acetylgalactosaminidase-Mangel zu einer vollständigen Erblindung des Patienten. Durch die Rückentwicklung der Intelligenz kommt es zu einer Retardierung und damit auch zu gesäten Behinderungen.

Diese schränken in der Regel den Alltag des Patienten erheblich ein und wirken sich negativ auf die Lebensqualität aus. Oft sind die Betroffenen auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen. Durch die Retardierung kann es auch zu einer Wortfindungsstörung oder zu einer Sprachstörung kommen. Es ist nicht möglich, den A-N-Acetylgalactosaminidase-Mangel kausal zu behandeln.

Der Betroffene muss aus diesem Grund Antibiotika einnehmen. Ebenso müssen bestimmte Komplikationen direkt vermieden werden. Zu diesen zählt zum Beispiel die Lungenentzündung. Weiterhin kann der Patient auch auf eine künstliche Ernährung angewiesen sei.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Beim A-N-Acetylgalactosaminidase-Mangel muss auf jeden Fall eine ärztliche Behandlung erfolgen. Dieser Mangel verschwindet nicht von alleine und es findet keine spontane Heilung dieser Krankheit statt. Auf jeden Fall muss dann ein Arzt aufgesucht werden, wenn die Eltern eine Rückentwicklung der motorischen und geistigen Fähigkeiten bei ihrem Kind oder Baby feststellen. Auch Beschwerden bei einfachen Bewegungen oder Abläufen können dabei auf den A-N-Acetylgalactosaminidase-Mangel hindeuten und sollten durch einen Doktor untersucht werden.

Weiterhin sind verschiedene Spastiken ebenso ein Zeichen für eine Erkrankung. Nicht selten leiden die Patienten auch an geistiger Behinderung und weiteren Fehlfunktionen. Sollten diese Beschwerden vorhanden sein, so ist eine Behandlung auf jeden Fall notwendig. Tritt keine Behandlung ein, so kann dies zu erheblichen Beschwerden und Komplikationen im Erwachsenenalter führen und damit die Lebensqualität des Betroffenen erheblich einschränken.

Auch eine stark verzögerte Sprachentwicklung kann ein Zeichen für den A-N-Acetylgalactosaminidase-Mangel sein und muss daher untersucht werden. In der Regel kann zur Feststellung des A-N-Acetylgalactosaminidase-Mangels ein Allgemeinarzt aufgesucht werden. Die weitere Behandlung der einzelnen Beschwerden erfolgt dann bei einem Facharzt.

Behandlung & Therapie

Eine ursächliche Therapie des Alpha-N-Acetylgalactosaminidase-Mangels ist nicht durchführbar. Daher beschränkt sich das medizinische Vorgehen auf die Behandlung der Symptome. Dazu gehören eine sinnvolle Ernährungsweise und Flüssigkeitszufuhr, das Vorbeugen von Infektionskrankheiten, was auch durch die Gabe von Antibiotika erfolgen kann, sowie das Eindämmen von zerebralen Anfällen durch das Darreichen von Antiepileptika.

Weitere Behandlungsschritte sind physiotherapeutische Maßnahmen zum Vermeiden von Lungenentzündungen sowie Kontrakturen und das Verringern von Schmerzen oder Spastizität mithilfe von Medikamenten. Ferner kann eine Aspirationsprophylaxe durch eine künstliche Ernährung stattfinden.

Neuere Untersuchungen ergaben, dass es sich beim a-N-Acetylgalactosaminidase-Mangel um eine Proteinfaltungsstörung handelt, sodass eine Enzymersatztherapie als sinnvolle Behandlungsmaßnahme diskutiert wird. Einen weiteren denkbaren Therapieansatz zur Behandlung von lysosomalen Speicherstörungen bildet die Gentherapie. Weil die Schindler-Krankheit autosomal-rezessiv vererbt wird, gilt eine genetische Beratung der betroffenen Familien als empfehlenswert.

Aussicht & Prognose

Durch den A-N-Acetylgalactosaminidase-Mangel kann es zu unterschiedlichen Beschwerden kommen. In den meisten Fällen führt der Mangel allerdings zu einer verzögerten psychomotorischen Entwicklung. Oft ist der Patient im Erwachsenenalter dann auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen und kann den Alltag nicht alleine meistern. Ebenso treten Bewegungsstörungen auf. Diese können sich durch ein Hinken oder durch Störungen der Koordination bemerkbar machen.

Der Patient kann durch den A-N-Acetylgalactosaminidase-Mangel im schlimmsten Falle auch erblinden oder an starken Sehstörungen leiden. Nicht selten treten dabei auch geistige Behinderungen auf, die die Lebensqualität des Betroffenen stark verringern. Ebenso treten Sprachstörungen und Wortfindungsstörungen auf, die das Leben beeinträchtigen können. Vor allem Kinder sind durch die Beschwerden des A-N-Acetylgalactosaminidase-Mangels von Mobbing und von Hänseleien betroffen.

Eine kausale Behandlung des A-N-Acetylgalactosaminidase-Mangels ist nicht möglich, sodass die Behandlung vor allem auf die Reduktion der Symptome abzielt. Dabei können verschiedene therapeutische Maßnahmen eingesetzt werden, um die Störungen der Entwicklung zu reduzieren. In vielen Fällen ist der Patient allerdings auf fremde Hilfe im Alltag angewiesen. Die Lebenserwartung bleibt durch den Mangel nicht beeinflusst.


Vorbeugung

Sinnvolle vorbeugende Maßnahmen gegen einen Alpha-N-Acetylgalactosaminidase-Mangel sind nicht bekannt. So gehört Morbus Schindler zu den überaus selten vorkommenden Krankheiten.

Nachsorge

Da es sich beim A-N-Acetylgalactosaminidase-Mangel um eine angeborene Erkrankung handelt, die nicht kausal, sondern nur rein symptomatisch behandelt werden kann, ist eine vollständige Behandlung nicht möglich. Der Betroffene ist dabei auf eine lebenslange Behandlung angewiesen, weswegen auch die Möglichkeiten der Nachsorge sehr stark eingeschränkt sind.

In der Regel ist der Patient durch den A-N-Acetylgalactosaminidase-Mangel häufig auf die Einnahme von Medikamenten und Antibiotika angewiesen. Hierbei sollten mögliche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten beachtet werden, wobei Antibiotika nicht zusammen mit Alkohol eingenommen werden dürfen. Bei einem Anfall sollte das Krankenhaus aufgesucht oder direkt der Notarzt gerufen werden.

Weiterhin sollte die Lunge geschont werden, um eine Entzündung zu vermeiden. Daher sollte der Patient bei einem A-N-Acetylgalactosaminidase-Mangel auf keinen Fall rauchen. Eine gesunde Ernährung und eine allgemeine gesunde Lebensweise wirken sich sehr positiv auf den Verlauf der Erkrankung aus.

Sollte der Patient einen Kinderwunsch haben, so ist eine genetische Beratung sinnvoll, um das Vererben der Erkrankung an die Kinder zu verhindern. Da die Patienten häufig an Bewegungseinschränkungen leiden, ist dabei eine Physiotherapie sinnvoll, um diese zu lindern. Viele Übungen können dabei auch im eigenen Zuhause durchgeführt werden.

Das können Sie selbst tun

Bei einem vorhandenen A-N-Acetylgalactosaminidase-Mangel handelt es sich um eine nicht heilbare Erkrankung. Daher ist eine medizinische Behandlung unabdingbar. Maßnahmen der Selbstbehandlung können sich lediglich nach den Symptomen richten um den Alltag zu erleichtern. Wichtig ist ein genaues Beobachten des Kindes durch die Eltern.

Eltern können ihrem Kind durch Verständnis und Geduld, Liebe und Fürsorge am besten helfen. Weiterhin sind ergotherapeutische und logopädische Behandlungen immer auf einem dualen Konzept aufgebaut: die Therapie vor Ort bei der Fachkraft und die Durchführung der Übungen daheim. Hier sollten Eltern konsequent und mit Geduld aktiv sein. Auf eine vitamin- und mineralstoffreiche Ernährung, regelmäßige Bewegung und viel frische Luft ist zu achten. So wird das Immunsystem gestärkt und das Infektionsrisiko gemindert. Bei einer Krampfneigung sollte der Betroffene nicht nicht lange Zeit alleine sein und überprüft werden, ob er sich bei einem einsetzenden Krampfanfall verletzen kann.

Zumeist können Patienten den Alltag nicht selbst bewältigen und benötigen eine konstante Betreuung. Wenn Eltern dies nicht leisten können – vor allem bei größeren Kindern und Erwachsenen – sollten sie sich nicht scheuen Hilfe zu suchen. Dies kann in Form einer Pflegekraft oder der Unterbringung in einer adäquaten Einrichtung erfolgen. Bei bestehendem weiteren Kinderwunsch ist eine Beratung beim Facharzt empfehlenswert, da sich die Krankheit vererbt.

Quellen

  • Battegay, E. (Hrsg.): Siegenthalers Differenzialdiagnose. Thieme, Stuttgart 2012
  • Murken, J., Grimm, T., Holinski-Feder, E., Zerres, K. (Hrsg.): Taschenlehrbuch Humangenetik. Thieme, Stuttgart 2011
  • Witkowski R., Prokop O., Ullrich E.: Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen. Springer, Berlin 2003

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