Acinetobacter

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Februar 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die Acinetobacter sind eine Bakteriengruppe aus der Gattung der Gammaproteobacteria, die allesamt gramnegativ sind und viele unterschiedliche Lebensformen umgreifen. Acinetobacter ist eine der bekanntesten aeroben Bakterien und ist vor allem als multiresistenter Krankenhauskeim bekannt. Für immundefizite Patienten kann eine Infektion einen tödlichen Verlauf haben.

Inhaltsverzeichnis

Was sind Acinetobacter?

Bakterien der Art Acinetobacter baumannii sind aerobe Kurzstäbchen-Bakterien. © Robert Kneschke - stock.adobe.com

Gammaproteobacteria werden auch als γ-Proteobacteria bezeichnet. Es handelt sich um eine Klasse des phylogenetischen Bakteriensystems. Dieses System wurde auf Basis der Basensequenz ribosomaler 16S-Ribonukleinsäure aufgestellt, die auch als 16S-rRNA bekannt ist. Der Stamm der Proteobacteria enthält 5 Klassen von Alphaproteobacteria bis Epsilonproteobacteria. Jeder einzige Vertreter aus diesem Bakterienstamm ist gramnegativ. Gammaproteobacteria sind die artenreichste Klasse aus der Gruppe der Proteobacteria und gelten physiologisch als extrem divers.

Auch Bakterien der Gattung Acinetobacter zählen zu den Grammaproteobakterien. Sie sind gramnegativ und gelten als eine der häufigsten Bakterienarten. In den meisten Fällen sind die Bakterien multiresistent und können aus diesem Grund ernsthafte Erkrankungen hervorrufen, die konventionell nicht behandelbar sind. Der Acinetobacter baumannii ist beispielsweise humanpathogen und damit beim Menschen immer mit Krankheitswert verbunden. Weltweit ist dieser Krankheitskeim aufgrund seiner Resistenz einer der gefürchtetsten Keime überhaupt. Der Keim gilt als einer der verbreitetsten Krankenhauskeime. Andere Arten aus der Gattung sind der Acinetobacter johnsonii, junii, lwoffii und Acinetobacter towneri. Insgesamt sind rund 20 Spezies aus der Gruppe bekannt.

Vorkommen, Verbreitung & Eigenschaften

Bakterien der Art Acinetobacter baumannii sind aerobe Kurzstäbchen-Bakterien. Die Bakterienart benötigt zum Überleben Sauerstoff und zählt damit zu den aeroben Bakterien. Das unterscheidet die Art von den meisten anderen Bakterienarten. Viele von ihnen sind nicht zwingend auf Sauerstoff angewiesen oder erleben Sauerstoff sogar als tödlich. Aerobie zeichnet sich chemisch betrachtet durch Oxidationen aus. Wenn die einzelnen Prozesse innerhalb der bakteriellen Organismen also Sauerstoff verwenden, ist von aeroben Organismen die Rede. Der Acinetobacter baumanii kann ohne Sauerstoff also nicht überleben.

Darüber hinaus zählt es zu den Kurzstäbchen-Bakterien. Als solche werden Arten bezeichnet, die eine geringere Länge als ihre doppelte Breite besitzen. Bei den Bakterien der Art Acinetobacter baumanii handelt es sich ferner um sogenannte Umweltkeime, deren bevorzugter Lebensraum das Bodeninnere und das Wasser sind. Acinetobacter baumanii besiedeln oft auch die Haut des Menschen. Sie kommen in diesem Zusammenhang auch auf der Haut gesunder Menschen vor. Diese Besiedelung ist allerdings als vorübergehend zu verstehen, da gesunde menschliche Haut von verschiedenen Hautbakterien besiedelt ist. Diese natürlich vorkommenden Bakterien auf der Haut schaffen für den Acinetobacter baumanii ein ungünstiges Milieu.

Die Ausbreitung der Bakterien im menschlichen Körper ist daher nur unter bestimmten Umständen möglich. Eine Infektion mit dem Acinetobacter baumannii betrifft deswegen in der Regel allenfalls stark abwehrgeschwächte Menschen. Die Infektion wird als nosokomiale Infektion eingestuft, da sie offenbar vermehrt im Rahmen von Krankenhausaufenthalten eintritt. Von einer Infektion ist nach einem Kontakt mit dem Keim nicht zwingend die Rede. Für Gesunde bleiben die Kontakte in aller Regel folgenlos, da ihr Immunsystem die Bakterien rechtzeitig abtötet. Da sich die Bakterien vor der raschen Intervention eines gesunden Immunsystems nicht ausreichend vermehren können, treten keine Symptome ein.

Bei Menschen mit einem geschwächten Immunsystem, so zum Beispiel bei AIDS-Patienten oder bewusst immunsupprimierten Patienten (bspw. nach einer Organtransplantation), interveniert das Immunsystem nicht rasch genug. Der Keim kann sich durch Teilung fortpflanzen und verbreitet sich über die Blutbahnen. Es kommt zu einer Infektion. Die Bakterien dieser Spezies besiedeln aufgrund ihrer Milieuvorlieben speziell Wunden oder Organe wie die Lunge.


Krankheiten & Beschwerden

Der Acinetobacter baumanii kann an immunsupprimierten oder anderweitig immungeschwächten Menschen ernstzunehmende Wundinfektionen und Lungenentzündungen hervorrufen. Die gravierendste Komplikation dieser Phänomene ist die Sepsis. Dabei handelt es sich um eine entzündliche Reaktion des gesamten Organismus, die auch als Blutvergiftung bekannt ist und tödliche Folgen haben kann.

Andere Arten der Acinetobacter verursachen vor allem Meningitis, so insbesondere die Acinetobacter lwoffii, junii, haemolyticus und johnsonii. Die Ausbreitung der Erreger bis ins Gehirn erfolgt in diesem Zusammenhang über die Blutbahnen.

Während gegen andere Acinetobacter-Arten zum Teil noch Medikamente helfen, sind die Acinetobacter baumannii multiresistent. Von einem multiresistenten Stamm wurde erstmals in der niederländischen Intensivstation des Klinikums Enschede berichtet. 2015 war auch im Universitätsklinikum Kiel von einem multiresistenten Stamm die Rede, nachdem sich 31 Patienten mit dem Acinetobacter baumannii infiziert hatten. Der Stamm wurde in die 4-MRGN-Gruppe eingestuft: alle vier Gruppen von Antibiotika konnten dem Bakterium nichts mehr anhaben. In 12 Fällen führte die Infektion zum Tod. Ende 2015 berichtete die Frauen- und Kinderklinik Linz von einem Keim der Art Acinetobacter, der insgesamt fünf Babys infiziert hatte, von denen drei verstarben.

Der Einsatz der Breitbandantibiotika wird von der Wissenschaft mittlerweile als hauptsächlicher Grund für das vermehrte Auftreten des Acinetobacter vermutet. Laut des Robert-Koch-Instituts stieg der multiresistente Anteil an Stämmen zwischen 2009 und 2011 auf 10,7 Prozent. Multiresistenzen entstehen auf Basis der evolutionären Anpassung- und Lernfähigkeit von Bakterien. Meist wirkt zumindest eine von vier Antibiotika-Gruppen anfangs noch gegen die Keime. Je häufiger sie allerdings mit den Medikamenten in Kontakt kommen, desto schneller entwickeln sie eine Resistenz gegenüber der relevanten Wirkstoffe. Von einer Multiresistenz ist nur dann die Rede, wenn ein Bakterium bereits gegen mehrere Wirkstoffe resistent geworden ist.

Quellen

  • Alberts, B. et al: Molekularbiologie der Zelle. Wiley-VCH, Weinheim 2003
  • Darai, G., Handermann, M. et al: Lexikon der Infektionskrankheiten des Menschen. Springer, Berlin 2011
  • Wiedenmann, M.: Hygiene im Rettungsdienst. Urban & Fischer, München 2011

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