Alagille-Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 8. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Bei dem Alagille-Syndrom handelt es sich um eine genetisch bedingte Erkrankung. Die Krankheit wird in der Regel mit der Abkürzung ALGS bezeichnet. Synonyme Begriffe für die Krankheit lauten arteriohepatische Dysplasie oder Alagille-Watson-Syndrom. Das Alagille-Syndrom kommt relativ selten vor, wobei eine Häufigkeit von 1:70000 oder 1:100000 angenommen wird.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Alagille-Syndrom?

Das Alagille-Syndrom verfügt über eine genetische Komponente. Ein spezieller Defekt auf einem Gen ist für die Entstehung der Krankheit verantwortlich.

Seinen Namen erhielt das Alagille-Syndrom in Anlehnung an die Person, die die Krankheit zum ersten Mal beschrieb. Dabei handelt es sich um den französischen Wissenschaftler Alagille. Das Alagille-Syndrom stellt eine Erbkrankheit dar, die auf autosomal-dominante Weise an die Kinder vererbt wird.

Ausschlaggebend für die Entstehung der Krankheit ist der Defekt eines bestimmten Differenzierungsproteins, welches für unterschiedliche Gewebearten im menschlichen Organismus zuständig ist. Aus diesem Grund ist es möglich, dass im Rahmen des Alagille-Syndroms zahlreiche verschiedene Organsysteme des Körpers erkranken.

So zeigen manche Personen zum Beispiel Beschwerden an der Leber. Prinzipiell variiert das individuelle klinische Erscheinungsbild stark von Person zu Person. Kennzeichnend ist außerdem, dass zahlreiche Patienten lediglich geringe oder gar keine Beschwerden aufweisen.

Ursachen

Das Alagille-Syndrom verfügt über eine genetische Komponente. Ein spezieller Defekt auf einem Gen ist für die Entstehung der Krankheit verantwortlich. Grundsätzlich wird das Alagille-Syndrom autosomal-dominant vererbt. Dabei beträgt die Penetranz 100 Prozent, während die phänotypische Erscheinung von Patient zu Patient sehr unterschiedlich ist.

Prinzipiell wird in zwei Unterkategorien des Alagille-Syndroms differenziert, die sich auf verschiedene Mutationen beziehen. Dabei sind verschiedene Genorte betroffen. Wenn sich die Mutation auf dem 20. Chromosom befindet, wird die Erkrankung als ALSG1 bezeichnet. Bei einer Mutation auf dem 1. Chromosom handelt es sich um ALSG2.

Außerdem ist es möglich, dass sich Neumutationen ergeben. Die Wahrscheinlichkeit dafür liegt bei mehr als 50 Prozent. Jede Person, die eine entsprechende Mutation aufweist, zeigt auch im Phänotyp Symptome der Erkrankung. Jedoch unterscheidet sich der Ausprägungsgrad des Alagille-Syndroms individuell.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die Beschwerden, die sich im Zusammenhang mit dem Alagille-Syndrom ergeben, sind sehr verschieden und betreffen oft mehrere Organe. Typisch ist zum Beispiel eine sogenannte Gallenstauung (medizinischer Fachbegriff Cholestase). Bei neugeborenen Babys entwickelt sich in der Regel eine Gelbsucht.

Darüber hinaus weisen die Gesichtsmerkmale der betroffenen Patienten auffällige Abweichungen vom Durchschnitt auf. Die Stirn ist oftmals sehr breit. Die Augen liegen tief und das Kinn ist meist relativ klein. Auch am Skelett zeigen sich Anomalien, etwa eine sogenannte Klinodaktylie, verkürzte distale Phalangen, ein kurzer Ellenknochen sowie Schmetterlingswirbel.

Charakteristisch für das Alagille-Syndrom sind außerdem Krankheiten, die die Augen sowie die Sehnerven betreffen. Möglich sind hier beispielsweise Embryotoxon. Darüber hinaus leiden die betroffenen Personen vermehrt an Erkrankungen des Herzens. Wenn die Leber beim Alagille-Syndrom erkrankt ist, ist eine Vielzahl von Beschwerden möglich.

Dazu gehören zum Beispiel Gelbsucht, Minderwuchs, ein Hochdruck der Pfortader, Juckreiz sowie eine sogenannte Hypercholesterinämie, bei der sich unter der Haut Cholesterin ansammelt. Zudem vergrößert sich bei manchen Patienten die Milz.

Diagnose & Verlauf

Der Verdacht auf das Vorliegen eines Alagille-Syndroms ergibt sich in zahlreichen Fällen durch die optischen Auffälligkeiten der erkrankten Personen. Der Besuch eines geeigneten Facharztes ist ratsam, um eine sichere Diagnose zu stellen und eine entsprechende Behandlung einzuleiten. Zunächst bespricht der behandelnde Facharzt mit dem Patienten oder bei Minderjährigen dessen Sorgeberechtigten die Symptome sowie die Krankengeschichte.

Da es sich bei dem Alagille-Syndrom um eine Erbkrankheit handelt, spielt die Familienanamnese eine zentrale Rolle. Im Anschluss an das Patientengespräch werden zahlreiche Untersuchungen durchgeführt. Dabei werden zum Beispiel die Wirbelsäule und das Herz geröntgt.

Auch die Augen und Sehnerven werden untersucht. Auf diese Weise sind bereits zahlreiche typische Anomalien feststellbar, die auf das Alagille-Syndrom hinweisen. Um endgültige Gewissheit über das Vorliegen der Krankheit zu erhalten, kommt eine Genanalyse zum Einsatz. Dadurch sind die entsprechenden Mutationen nachweisbar. Weniger Gewissheit bringt eine Biopsie der Leber.

Sie weist lediglich auf Beschwerden und ihren Ursprung hin, jedoch nicht auf die zu Grunde liegende Erkrankung. Beim überwiegenden Teil der erkrankten Personen erfolgt die Diagnose des Alagille-Syndroms anhand der klinischen Beschwerden und typischer Begleitsymptome.

Komplikationen

Beim Alagille-Syndrom können sich je nach Ausprägung der Erkrankung verschiedenste Komplikationen einstellen. Ist nur die Leber betroffen, kommt es im Verlauf des Syndroms etwa zu Juckreiz und Rötungen, oft aber auch zu schweren Erkrankungen der Niere, die später zu Gelbsucht und Hypercholesterinämie führen können. Langfristig kann das Alagille-Syndrom Minderwuchs, Milzvergrößerung und Missbildungen im Gesicht begünstigen.

Charakteristisch für die Erkrankung sind etwa weit auseinander liegende Augen, ein schmales Kinn und eine große Stirn. Das Syndrom erhöht außerdem das Risiko für Herzfehler, Augenfehlbildungen, Schmetterlingswirbel und Gefäßmissbildungen. Daneben sind es vor allem die vielgestaltigen Begleiterkrankungen des Alagille-Syndroms, die zu schweren Komplikationen führen.

So ist erwähnte Gelbsucht mit Mangelerscheinungen, Fieber und einem generellen Unwohlsein verbunden, während Störungen des Immunsystems mit einer erhöhten Anfälligkeit für Infektionen und Krankheiten einhergehen. Ist die Leber bereits stark geschädigt, kann dies zu einem lebensbedrohlichen Gallenstau mit starken Schmerzen und hohem Fieber führen. Die oftmals notwendige Lebertransplantation kann zu Komplikationen wie Entzündungen und Abstoßungsreaktionen führen, die in seltenen Fällen tödlich enden. Je früher gehandelt wird, desto unwahrscheinlicher sind schwere Komplikationen beim Alagille-Syndrom.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Bei dem Verdacht auf das Alagille-Syndrom muss immer ein Arzt konsultiert werden, der die Erbkrankheit diagnostizieren und gegebenenfalls direkt behandeln kann. Medizinischer Rat ist spätestens dann gefragt, wenn ein Neugeborenes typische Symptome wie Gelbsucht, Beschwerden des Herzkreislaufsystems oder Auffälligkeiten des Gesichts (Schmetterlingswirbel, abgeknickte Fingerglieder, verkürzte Elle, u.a.) zeigt. Auch Erkrankungen des Auges oder der Sehnerven deuten auf ein ernstes Leiden hin, dass unbedingt abgeklärt werden muss.

Meist werden die Anzeichen der Erbkrankheit bereits im Krankenhaus erkannt und können umgehend behandelt werden. Sollten die genannten Beschwerden in den ersten Lebensmonaten immer wieder auftreten und sich mit zunehmenden Alter häufen, muss mit dem Kinderarzt gesprochen werden. Neben dem Alagille-Syndrom können weitere Erkrankungen zugrunde liegen, die unbehandelt schwere Folgen haben können. Es empfiehlt sich deshalb, bereits bei einem ersten Verdacht medizinischen Rat einzuholen und das Kind untersuchen zu lassen. Die Symptome lassen meist zweifelsfrei darauf schließen, dass eine Erkrankung vorliegt, die behandelt werden muss.

Behandlung & Therapie

Die meisten am Alagille-Syndrom erkrankten Personen brauchen keinerlei Behandlung. Denn oftmals sind die Symptome lediglich gering ausgeprägt. In Abhängigkeit der jeweils vorliegenden Beteiligung von Organen ist jedoch mitunter eine Therapie notwendig.

Ist zum Beispiel die Leber von der Krankheit betroffen, sind regelmäßige Kontrolluntersuchungen erforderlich, insbesondere auch bei kindlichen und jugendlichen Patienten. Auf diese Weise lässt sich der Verlauf der Krankheit kontrollieren. Unter Umständen ist es nötig, dass die betroffenen Personen zusätzlich Vitamine einnehmen oder sich an bestimmte Ernährungsweisen halten.

Eine Transplantation der Leber ist dann angezeigt, wenn sich das Organ zunehmend umbaut oder die Patienten an Juckreiz leiden, der auch mit Arzneimitteln nicht mehr unter Kontrolle zu bringen ist. Eine ursächliche Heilung vom Alagille-Syndrom ist nicht möglich, da es sich um eine genetisch bedingte Erkrankung handelt. Es werden lediglich die Symptome behandelt.

Aussicht & Prognose

Durch das Alagille-Syndrom kommt es in den meisten Fällen schon bei Babys oder Neugeborenen zu einer Gelbsucht und zu einem Gallenstau. Ebenso kann es zu verschiedenen Fehlbildungen und Missbildungen am gesamten Körper des Patienten kommen, wobei allerdings das Gesicht in der Regel am stärksten von den Missbildungen betroffen ist. Dadurch kann es vor allem bei Kindern zu Hänseleien oder zu Mobbing kommen. Ebenso sind oft die Sehnerven betroffen, sodass es unter Umständen zu Sehbeschwerden kommen kann.

Ebenfalls wirkt sich das Alagille-Syndrom negativ auf das Herz aus und kann verschiedene Probleme und Beschwerden am Herzen verursachen. Die Betroffenen leiden dabei an einem Minderwuchs und oft an Juckreizen. Ebenso kommt es teils zu einer Vergrößerung der Milz des Patienten. Die Lebensqualität des Patienten wird durch das Alagille-Syndrom somit deutlich verringert.

Eine Behandlung des Alagille-Syndroms ist nicht in jedem Fall notwendig. Sollten die Beschwerden nur sehr schwach ausgeprägt sein, so muss das Syndrom nicht behandelt werden. Eine kausale Behandlung ist allerdings nicht möglich, sodass nur die Symptome behandelt werden können. In der Regel kommt es nicht zu einer verringerten Lebenserwartung.


Vorbeugung

Das Alagille-Syndrom stellt eine Erbkrankheit dar, sodass vorbeugende Maßnahmen nicht existieren. Daher ist es sehr wichtig, schnell mit der Therapie zu beginnen.

Nachsorge

Die Möglichkeiten zur Nachsorge sind beim Alagille-Syndrom in der Regel stark eingeschränkt. Der Betroffene ist bei dieser Erkrankung immer auf eine ärztliche Behandlung angewiesen, um die Beschwerden der Krankheit zu lindern. Dabei kommt es nicht zu einer Selbstheilung.

Da es sich beim Alagille-Syndrom auch um eine erblich bedingte Erkrankung handelt, kann diese nicht vollständig geheilt werden. Bei einem Kinderwunsch ist eine erbliche Beratung sinnvoll, damit das Weitervererben des Syndroms an die Kinder verhindert wird. In der Regel sind die Betroffenen auf die Einnahme von Vitaminen und verschiedenen Medikamenten angewiesen.

Hierbei sollte auf eine regelmäßige Einnahme geachtet werden. Auch Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten sind dabei zu beachten, um Komplikationen zu verhindern. Ebenso müssen Eltern bei Kindern darauf achten, dass diese die Medikamente ebenso regelmäßig einnehmen. Weiterhin sind regelmäßige Untersuchungen der inneren Organe beim Alagille-Syndrom notwendig, um Schäden früh zu erkennen und zu behandeln.

Im Fall von operativen Eingriffen sollte sich der Betroffene nach einem solche Eingriff ausruhen und seinen Körper schonen. Auch der Kontakt zu anderen Betroffenen der Erkrankung kann sich positiv auf den Verlauf der Krankheit auswirken. In einigen Fällen ist auch die Lebenserwartung des Patienten durch das Alagille-Syndrom eingeschränkt.

Das können Sie selbst tun

Das Alagille-Syndrom (ALGS) kann nicht ursächlich behandelt werden. Trotzdem sollte bei Verdacht auf ALGS unbedingt ein Arzt konsultiert werden, der die Krankheit diagnostiziert und die Symptome therapiert. Keinesfalls sollte versucht werden, die Begleiterscheinungen der Krankheit ausschließlich selbst zu behandeln.

Ob und was ein Patient selbst zur Besserung seiner Symptome beitragen kann, hängt davon ab, welche Organe betroffen sind und welche Begleiterscheinungen konkret auftreten. ALGS geht oft mit einem Leberleiden und Gelbsucht einher. Diese Störungen müssen unbedingt ärztlich behandelt werden. Die Naturheilkunde kennt aber eine Reihe von Methoden, die die Therapie einer Gelbsucht unterstützen. Verwendung findet zum Beispiel Gartenkerbel-Tee.

Bei seiner Zubereitung werden 30 Gramm frischer Gartenkerbel mit einem Liter kochendem Wasser übergossen. Vor dem Abseien muss der Tee zehn Minuten ziehen, anschließend wird er tassenweise über den Tag verteilt getrunken. Auf die gleiche Weise zubereitet wird Tee aus Löwenzahn und Gänseblümchen oder aus echtem Seifenkraut. Beim Seifenkraut müssen die Blätter aber fünf Minuten kochen.

Patienten, für die die Krankheit mit starkem Juckreiz einhergeht, können Antihistamine aus der Apotheke helfen, die rezeptfrei als Creme, Gel oder Tropfen zur Verfügung stehen.

Quellen

  • Battegay, E. (Hrsg.): Siegenthalers Differenzialdiagnose. Thieme, Stuttgart 2012
  • Hennig, W.: Genetik. Springer, Berlin 1995
  • Murken, J., Grimm, T., Holinski-Feder, E., Zerres, K. (Hrsg.): Taschenlehrbuch Humangenetik. Thieme, Stuttgart 2011

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