Alemtuzumab

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 6. Mai 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Der monoklonale Antikörper Alemtuzumab bindet an bestimmte weiße Blutkörperchen (B- und T-Lymphozyten) und bewirkt deren Abbau. Während Alemtuzumab früher auch bei chronisch-lymphatischer Leukämie (CLL) zugelassen war, wird es heute hauptsächlich bei Multiple Sklerose (MS) eingesetzt.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Alemtuzumab?

Während Alemtuzumab früher auch bei chronisch-lymphatischer Leukämie (CLL) zugelassen war, wird es heute hauptsächlich bei Multiple Sklerose (MS) eingesetzt.

Alemtuzumab ist ein monoklonaler Antikörper, der spezifisch an das Antigen CD52 auf der Oberfläche von Lymphozyten bindet. Bildet der menschliche Körper als natürliche Reaktion auf den Kontakt mit Krankheitserregern Antikörper, dann sind diese immer polyklonal.

Das bedeutet, die gebildeten Antikörper stammen von vielen verschiedenen Zellen und richten sich gegen unterschiedliche Epitope (Bindestellen für Antikörper). Monoklonale Antikörper werden dagegen gentechnisch hergestellt. Sie werden im Labor von Zellen einer bestimmten Zelllinie produziert.

Diese Zellklone bilden alle den exakt gleichen (monoklonalen) Antikörper, der sich nur gegen ein einzelnes, spezifisches Epitop richtet. Im Falle von Alemtuzumab ist dies das Oberflächenantigen CD52, das sich auf gesunden und malignen B- und T-Lymphozyten befindet.

Pharmakologische Wirkung

Lymphozyten sind Bestandteil des Immunsystems und gehören zu den weißen Blutkörperchen. Antikörper mit einer Spezifität gegen Lymphozyten erkennen diese und binden spezifisch an ein bestimmtes Antigen auf diesem Zelltyp. Durch die Bindung des Antikörpers erkennt das körpereigene Immunsystem die Lymphozyten und baut sie ab.

Ein Beispiel für einen Lymphozyten-spezifischen Antikörper ist Alemtuzumab. Dieser Antikörper ist gegen CD52 gerichtet. CD52 wird auch als CAMPATH1-Antigen bezeichnet und kommt fast ausschließlich auf reifen Lymphozyten vor. Man findet CD52 sowohl auf B-Lymphozyten (B-Zellen) als auch auf T-Lymphozyten (T-Zellen). Zur Behandlung wird Alemtuzumab den Patienten unter ärztlicher Aufsicht als Infusion verabreicht. Durch das Präparat werden die Lymphozyten im Körper des Patienten selektiv abgetötet.

Je nach Dosierung eignet sich das Medikament dazu, die Zahl der Lymphozyten mehr oder weniger stark zu verringern. Dies kann zum Beispiel bei Erkrankungen, bei denen die Lymphozyten krankhaft verändert sind, wichtig sein. Allerdings sind die Lymphozyten ein Teil des natürlichen Immunsystems. Ein Abbau dieser Zellen führt immer auch zu einer Schwächung der Immunabwehr.

Medizinische Anwendung & Verwendung

Unter dem Handelsnamen MabCampath® wurde der monoklonale Antikörper Altemtuzumab gegen chronisch-lymphatische Leukämie (CLL) verwendet. Bei dieser Erkrankung zeigte er sich als Krebsimmuntherapie bei einem Teil der Patienten als gut wirksam.

Inzwischen wurde die Zulassung von Alemtuzumab bei der Indikation CLL jedoch durch die Herstellerfirma zurückgezogen. Hintergrund dafür waren offensichtlich kommerzielle Überlegungen und keine unerwünschten Arzneimittelwirkungen (Nebenwirkungen). 2013 wurde Alemtuzumab für die Behandlung von Multiple Sklerose (MS) neu zugelassen und unter dem Handelsnamen Lemtrada® wieder auf den Markt gebracht – allerdings um das 40-fache teurer im Vergleich zum früheren Präparat.

Heute wird Alemtuzumab deshalb größtenteils bei Multipler Sklerose (MS) verwendet. Ziel ist nicht die Abtötung möglichst vieler Lymphozyten, sondern nur eine vorübergehende Dezimierung der Abwehrzellen. Diese sind bei MS im Zentralnervensystem an der Zerstörung der Myelinscheiden beteiligt. Anschließend bildet der Körper wieder neue B- und T-Lymphozyten. Alemtuzumab kann bei MS deshalb deutlich niedriger dosiert werden als in der Krebstherapie.

Außerhalb der Zulassung wird Alemtuzumab weiterhin bei bestimmten Untergruppen von CLL-Patienten verwendet und wird in der Induktionstherapie bei Nierentransplantationen eingesetzt.


Verabreichung & Dosierung

Alemtuzumab, ein monoklonaler Antikörper, wird zur Behandlung bestimmter Krebsarten und Autoimmunerkrankungen eingesetzt. Seine Anwendung und Dosierung erfordern besondere Vorsicht und müssen von einem erfahrenen Arzt überwacht werden.

Dosierung: Die Dosierung von Alemtuzumab hängt von der Indikation ab. Bei Leukämien beträgt die typische Dosis 3 bis 30 mg, in der Regel über einen Zeitraum von 12 Wochen. Für Multiple Sklerose wird es normalerweise in zwei Behandlungsphasen über zwei Jahre verabreicht, wobei die erste Phase fünf aufeinanderfolgende Tage und die zweite Phase drei Tage dauert.

Verabreichung: Alemtuzumab wird intravenös verabreicht. Vor der Verabreichung sollte der Patient eine prämedikative Behandlung mit Kortikosteroiden, Antihistaminika und fiebersenkenden Mitteln erhalten, um Infusionsreaktionen zu minimieren. Die Infusion erfolgt langsam über zwei bis vier Stunden.

Überwachung: Während und nach der Behandlung ist eine intensive Überwachung erforderlich. Patienten sollten regelmäßig auf Infusionsreaktionen, Infektionen und Blutbildveränderungen untersucht werden. Da Alemtuzumab das Immunsystem beeinflusst, erhöht sich das Risiko für Infektionen erheblich. Regelmäßige Blutuntersuchungen sind wichtig, um mögliche Nebenwirkungen frühzeitig zu erkennen.

Schwangerschaft und Stillzeit: Alemtuzumab kann potenziell schädliche Wirkungen auf den Fötus haben. Daher sollte es in der Schwangerschaft nur angewendet werden, wenn der potenzielle Nutzen das Risiko überwiegt. Während der Stillzeit sollte das Medikament vermieden werden.

Eine sorgfältige Überwachung und Anpassung der Dosierung sind entscheidend, um die Wirksamkeit zu maximieren und die Risiken zu minimieren.

Risiken & Nebenwirkungen

Die häufigsten Nebenwirkungen des Antikörpers Alemtuzumab sind Hautausschläge, Kopfschmerzen, Fieber und Atemwegsinfekte. Viele der unerwünschten Wirkungen beruhen direkt auf dem Lymphozyten-abtötenden Effekt. Dadurch wird eine Suppression des Immunsystems erreicht, die zum Teil auch erwünscht ist (zum Beispiel bei der Behandlung von Patienten mit Multiple Sklerose).

Zugleich erhöht ein geschwächtes Immunsystem jedoch immer das Risiko für Infektionen und kann Autoimmunerkrankungen auslösen oder verstärken. In einzelnen Fällen kam es nach der Behandlung mit Alemtuzumab zu einer idiopathischen thrombozytopenischen Purpura (ITP). ITP wird auch Immunthrombozytopenie genannt und ist eine Autoimmunkrankheit, die die Blutplättchen (Thrombozyten) betrifft.

Bei jedem vierten behandelten MS-Patienten traten Autoimmunreaktionen gegen die Schilddrüse auf. Diese führten zum Teil zu Morbus Basedow, einer Überfunktionserkrankung der Schilddrüse. Um solche schwerwiegenden Nebenwirkungen zu erkennen, wird während der Behandlung das Blutbild der Patienten engmaschig überwacht.

Kontraindikationen

Alemtuzumab hat verschiedene Kontraindikationen, die berücksichtigt werden müssen, bevor eine Behandlung begonnen wird. Eine der wichtigsten Kontraindikationen ist eine bekannte Überempfindlichkeit gegen Alemtuzumab oder einen seiner Bestandteile. Eine allergische Reaktion kann schwerwiegend sein, daher muss bei einer bekannten Allergie dringend auf die Anwendung verzichtet werden.

Patienten mit aktiven Infektionen oder einer schweren Immunschwäche sollten Alemtuzumab ebenfalls meiden, da es das Immunsystem weiter schwächt und das Infektionsrisiko erhöht. Zudem ist Alemtuzumab bei Personen mit malignen Erkrankungen kontraindiziert, wenn diese nicht die spezifischen Krebsarten sind, für die Alemtuzumab zugelassen ist.

Eine weitere Kontraindikation besteht für schwangere Frauen. Alemtuzumab kann potenziell teratogen sein und das ungeborene Kind schädigen. Deshalb ist es wichtig, vor Beginn der Therapie einen Schwangerschaftstest durchzuführen und während der Behandlung eine zuverlässige Empfängnisverhütung zu praktizieren.

Patienten mit unbehandelter arterieller Hypertonie oder Nierenerkrankungen sollten ebenfalls vorsichtig sein, da Alemtuzumab die Nierenfunktion beeinträchtigen kann. Es ist auch wichtig, Autoimmunerkrankungen zu berücksichtigen, da das Medikament unerwünschte Immunreaktionen auslösen kann.

Angesichts dieser Kontraindikationen ist es entscheidend, eine umfassende medizinische Anamnese durchzuführen und Patienten während der Behandlung sorgfältig zu überwachen, um mögliche Komplikationen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.

Interaktionen mit anderen Medikamenten

Alemtuzumab, ein monoklonaler Antikörper, kann aufgrund seiner Wirkung auf das Immunsystem mit anderen Medikamenten interagieren, was zu verstärkten Nebenwirkungen oder einer verminderten Wirksamkeit führen kann. Eine wichtige Interaktion betrifft Immunsuppressiva und Medikamente, die das Immunsystem beeinflussen. Die gleichzeitige Anwendung kann das Risiko schwerer Infektionen erhöhen, da Alemtuzumab das Immunsystem bereits schwächt.

Auch Impfstoffe können betroffen sein. Lebendimpfstoffe sollten während und für einige Monate nach der Behandlung mit Alemtuzumab vermieden werden, da das geschwächte Immunsystem des Patienten nicht in der Lage sein könnte, den Lebendimpfstoff sicher zu verarbeiten, was zu einer Infektion führen kann. Inaktivierte Impfstoffe sind sicherer, könnten aber aufgrund der verminderten Immunantwort weniger wirksam sein.

Medikamente, die eine Blutungsneigung erhöhen, wie Thrombozytenaggregationshemmer oder Antikoagulantien, können in Kombination mit Alemtuzumab das Risiko für Blutungen steigern, da das Medikament eine niedrige Thrombozytenzahl verursachen kann.

Schließlich kann Alemtuzumab die Wirkung von Medikamenten beeinflussen, die über die Nieren ausgeschieden werden. Da es die Nierenfunktion beeinträchtigen kann, sollten Medikamente, die hauptsächlich renal eliminiert werden, sorgfältig überwacht und gegebenenfalls angepasst werden.

Es ist wichtig, dass Ärzte vor der Verschreibung von Alemtuzumab eine gründliche Medikamentenanamnese durchführen, um mögliche Interaktionen zu erkennen und zu managen.

Alternative Behandlungsmethoden

Wenn Alemtuzumab nicht vertragen wird, stehen alternative Behandlungsmethoden und Wirkstoffe zur Verfügung, je nach zugrunde liegender Erkrankung.

Bei Multipler Sklerose (MS), einem der Haupteinsatzgebiete von Alemtuzumab, gehören andere immunmodulierende Medikamente wie Interferon-beta, Glatirameracetat und Dimethylfumarat zu den Alternativen. Diese Wirkstoffe wirken auf unterschiedliche Weise, um das Immunsystem zu regulieren und die Krankheitsprogression zu verlangsamen. Für schwerere Fälle können Natalizumab und Ocrelizumab in Betracht gezogen werden. Beide sind monoklonale Antikörper, die jedoch ein anderes Wirkprinzip haben als Alemtuzumab.

Für Leukämien und lymphatische Erkrankungen, ein weiteres Einsatzgebiet von Alemtuzumab, können andere monoklonale Antikörper wie Rituximab oder Obinutuzumab wirksam sein. Diese Medikamente zielen auf unterschiedliche Oberflächenmoleküle ab und bieten so eine Alternative für Patienten, die Alemtuzumab nicht vertragen.

In Fällen, in denen eine immunmodulierende Therapie nicht in Frage kommt, könnten Chemotherapien oder Stammzelltransplantationen alternative Behandlungsoptionen sein. Diese Therapieformen sind in der Regel aggressiver und haben ihre eigenen Risiken, sind aber für bestimmte Patienten möglicherweise besser geeignet.

Die Wahl der alternativen Therapie hängt von der genauen Diagnose, der Krankheitsgeschichte und den individuellen Patientenbedürfnissen ab. Eine sorgfältige Beurteilung durch Fachärzte ist erforderlich, um die beste Behandlungsmöglichkeit zu finden.

Quellen

  • "Goodman & Gilman's The Pharmacological Basis of Therapeutics" von Laurence Brunton, Randa Hilal-Dandan, und Bjorn Knollmann
  • "Rang & Dale's Pharmacology" von Humphrey P. Rang, Maureen M. Dale, James M. Ritter, und Rod J. Flower
  • "Basic and Clinical Pharmacology" von Bertram Katzung, Anthony Trevor

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