Archicortex

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 20. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Der Archicortex ist ein Teil des Großhirns. Der größte Teil von ihm wird vom Hippocampus gebildet. Er besteht aus einer sehr charakteristischen Rindenstruktur.

Inhaltsverzeichnis

Was ist der Archicortex?

Zu den Aufgaben des Archicortex zählen wichtige Funktionen des Lernens, Denkens sowie der emotionalen Verarbeitung.
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Als Archicortex wird ein Teil der Hirnrinde bezeichnet. Er wird als medialer Rand des Neocortex eingegrenzt. Der Archicortex hat einen entwicklungsgeschichtlichen Hintergrund. Das Großhirn wird phylogenetisch unterschieden in Paleocortex, Striatum, Archicortex und Neocortex.

Der Archicortex wird als ein Stadium zwischen dem Paleocortex und dem Neocortex angesehen. Der Archicortex besteht zu einem großen Teil aus dem Hippocampus. Darüber hinaus werden einige um ihn liegende Strukturen dazu gezählt. Dies sind Teile des Gyrus parahippocampalis und des Gyrus cinguli. Der Archicortex besteht aus einer eingerollten Rindenstruktur. Diese ist dreischichtig und besteht aus dem Gyrus dentatus, dem Cornu ammonis (Ammonshorn) und dem Subiculum. Alle drei Schichten haben die Funktionen Lernen und Gedächtnisbildung. Insbesondere die Langzeitpotentierung findet hier statt.

Dies bildet die Grundlage, um beispielsweise langfristige Erinnerungen zu speichern und Handlungsabläufe zu erlernen. Der Archicortex wird gemeinsam mit dem Paleocortex als Allocortex bezeichnet. Diese wird dem sechsschichtigen Neocortex gegenübergestellt. Das führt dazu, dass mit entsprechenden Nachweistechniken in den meisten Allocortexarealen zusätzliche als die genannten Schichten abgrenzbar werden.

Anatomie & Aufbau

Der Archicortex besteht aus einer mikroskopische Struktur und wird vor allem durch den Hippocampus, Anteilen des Gyrus prahippocomapales und des Gyrus cinguli gebildet.

Der Hippocampus besteht aus einer eingerollten Archicortexstruktur, die auch als Rindenstruktur bezeichnet wird. Er liegt unterhalb der Temporallappen. Diese befinden sich an der medialen Seite des Unterhorns des Seitenventrikels. Die efferenten Fasern des Fornix sind das Gewölbe, welches als Dach des III. Ventrikels von hinten nach vorn überspannt. Der Gyrus cinguli befindet sich oberhalb des Balkens. Dieser verbindet die rechte und linke Hemisphäre miteinander. Gemeinsam mit dem Hippocampus bildet er das limbische System.

Der Archicortex besteht aus drei Schichten. In ihnen befinden sich der Gyrus dentatus, das Cornu ammonis und das Subiculum. Sie bestehen aus Pyramidenzellen in verschiedenen Größen. Die drei Schichten werden unterschieden in Lamina molecularis (Stratum moleculare), Lamina pyramidalis (Stratum pyramidale) sowie Lamina multiformis (Stratum oriens). In der ersten Schicht beiden sich apikale Dendriten der Pyramidenzellen, gefolgt von den Zellkörpern der Pyramidenzellen in der zweiten Schicht. In der letzten Schicht befinden sich die basalen Dendriten der Pyramidenzellen.

Funktion & Aufgaben

Zu den Aufgaben des Archicortex zählen wichtige Funktionen des Lernens, Denkens sowie der emotionalen Verarbeitung.

In den drei Schichten des Archikortex finden wesentliche Prozesse der Gedächtniskonsolidierung statt. Damit sind das Lernen und alle damit verbundenen Lernvorgänge assoziiert. Der Vorgang, bei dem Informationen vom Kurzzeitgedächtnis in das Langzeitgedächtnis überführt werden, findet hier statt. Damit Erinnerungen dauerhaft im Gedächtnis gespeichert werden, muss die so genannte Langzeitpotenzierung erfolgen.

Dieser Prozess dauert mehrere Tage bis Monate und erfolgt nur, wenn die potenzierenden Impulse mit ausreichend hoher Geschwindigkeit weiter geleitet werden. Die Langzeitpotenzierung dient als Grundlage aller Lern- und Gedächtnisprozesse. Der Archicortex ist verantwortlich für die Wissensbildung. Dazu zählen räumliche Gegebenheiten, Faktenwissen, Erinnerungen oder auch Konditionierungsvorgänge. Wissen um Handlungen, Gewohnheiten oder das motorische Lernen wird hier gebildet. Die Inhalte des deklarativen Gedächtnisses sowie die des impliziten Gedächtnisses entstehen im Archicortex.

Im limbischen System findet die Emotionsverarbeitung statt. Dazu gehören das Verstehen von Emotionen und das damit verbundene Emotionserleben. Vorgänge, die das emotionale Ausdrucksverhalten sowie die Empathie stattfinden lassen, werden aus dieser Hirnregion gesteuert. Alle Lernvorgänge rund um positive wie negative Emotionen finden im Archicortex statt. Dazu gehören das Erkennen von Gefahr wie auch das Lustempfinden. Die Bedürfnisbefriedigung wird in diesem Teil des Gehirns reguliert. Die Stimmung, der Affekt, die Emotion und das Gefühl entstehen im Archikortex. Das bedeutet, dass langfristige wie auch kurzfristige emotionale Episoden durch die Verarbeitung der Reize im limbischen System erfolgen.


Krankheiten

Läsionen und Beeinträchtigungen der Funktionstätigkeit im Archicortex führen zu weitreichenden Folgen bei allen Lernvorgängen sowie der Emotionsverarbeitung. Verschiedene Erkrankungen, Durchblutungsstörungen, Tumore oder Schädigungen durch Unfälle oder in Folge von operativen Eingriffen kann Läsionen herbeiführen.

Entzündungen im Archicortex können zu einem Verlust der Merkfähigkeit führen. Darüber hinaus leiden Betroffene unter einer zeitlichen sowie örtlichen Desorientierung.

Die Amnesie ist eine der bekanntesten Störungen des Gedächtnisses. Zu unterscheiden sind die anterograde von der retrograden Amnesie. Eine anterogerade Amnesie lässt keine neue Gedächtnisbildung mehr zu. Die retrograde Amnesie führt dazu, dass die vorhandenen Gedächtnisinhalte nicht mehr verfügbar sind. Sie sind teilweise oder vollständig gelöscht.

Die Pyramidenzellen im Hippocampus sind besonders anfällig für Schäden durch Alkoholmissbrauch. Erkrankungen wie die Wernicke-Enzephalopathie oder das Korsakow-Syndrom sind Folgen von Alkoholerkrankungen. Sie gehen einher mit Konfabulation. Dabei werden von Erkrankten fehlende Erinnerungen durch falsche Aussagen sowie Erzählungen ersetzt. Selbst Antworten auf leichte Fragen können von Patienten bei Beschädigungen der Pyramidenzellen nicht mehr gegeben werden. Läsionen des Hippocampus haben über die Bildung des Langzeitgedächtnisses hinaus eine Relevanz bei Erkrankungen wie Epilepsie.

Beschädigungen des Temporallappens können zum Klüver-Bucy-Syndrom führen. Diese Erkrankung führt zu hyperoralem sowie hypersexuellem Verhalten. Läsionen der Amygdala führen zu Problemen bei der Emotionsverarbeitung. Insbesondere Furch- und Angstreize können nicht mehr verarbeitet werden. Diese sind für den Selbstschutz und das Überleben wichtig.

Quellen

  • Fritsch, H., Kühnel, W.: Taschenatlas der Anatomie. Bd. 2: Innere Organe. Thieme, Stuttgart 2018
  • Renz-Polster, H., Krautzig, S. (Hrsg.): Basislehrbuch Innere Medizin. Urban & Fischer, München 2012
  • Weniger, W.: Gehirn und Nervensystem. Facultas, Wien 2019

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