Arthrofibrose
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 4. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Die Arthrofibrose ist eine inflammatorische Vermehrung der Bindegewebszellen in einem Gelenk. Das Phänomen wird vor allem nach Kniegelenksrekonstruktionen beobachtet und ist damit eine postoperative Komplikation. Die Behandlung erfolgt durch arthroskopische Revisionen und physikalische sowie physiologische Therapien.
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Was ist eine Arthrofibrose?
Die Fibrozyten sind Zellen des Bindegewebes. Sie liegen zwischen den einzelnen Fasern der extrazellulären Matrix und stabilisieren so das Bindegewebe. In ihrer Form sind sie spindelförmig und mit lang verzweigten Zellfortsätze ausgestattet, durch die sie feste Netzwerke bilden können. Wenn sich das Bindegewebe pathologisch vermehrt, wird dieses Krankheitsbild in Anlehnung an die Fibrozyten als Fibrose bezeichnet.
Die Arthrofibrose ist speziell durch eine pathologische Vermehrung der Fibrozyten gekennzeichnet, die auf Basis entzündlicher Prozesse innerhalb eines Gelenks entsteht. Zwei verschiedene Formen der Arthrofibrose werden unterschieden: die primäre und die sekundäre Arthrofibrose. Bei der primären Form liegt eine massive Vermehrung des Bindegewebes im Rahmen von Narbenbildung in einem Gelenk vor. Die sekundäre Arthrofibrose wird vermutlich von mechanischen Faktoren bedingt.
Die wichtigste Erkrankung aus dieser Gruppe ist das Zyklopsyndrom. Arthrofibrosen kommen nach vorderen Kreuzbandrekonstruktionen mit einer Inzidenz zwischen 4 und 35 Prozent vor. Besonders häufig wurden Arthrofibrosen bisher im Rahmen von arthroskopischen Interventionen am Kniegelenk und vor allem der Rekonstruktion des vorderen Kreuzbands beobachtet.
Ursachen
Die Ursachen für primäre Arthrofibrosen sind weitestgehend unbekannt. Allerdings scheinen Gelenkrekonstruktionen mit dem Phänomen in Verbindung zu stehen. Als Risikofaktor gilt daher mittlerweile die verminderte Bewegungsaktivität nach oder vor der Operation. Auch zu geringe Zeitspannen zwischen einer Rekonstruktion und einem Reizzustand im Gelenk können als Risikofaktor bezeichnet werden. Dasselbe gilt für perioperative Schmerzen, denen mit einer physiotherapeutischen Behandlung begegnet wird.
Auch postoperativ zu frühzeitiges Muskeltraining oder Infektionen und Einblutungen in das Gelenk können Arthrofibrosen verursachen. Das gleiche gilt für rheumatoide Arthritis und Diabetes mellitus. Sekundären Arthrofibrosen geht dagegen meist eine fehlerhafte Platzierung von Transplantaten oder eine Einklemmsymptomatik voraus. Die Pathogenese geht für beide Formen von der Entstehung von Granulationsgewebe und einem interstitiellem Ödem aus.
So werden Entzündungsmediatoren frei. Wegen einer pathologisch gesteigerten Kollagensynthese wird die Flüssigkeit im interstitiellen Raum mit extrazellulärer Matrix ausgetauscht. Das Typ-VI-Kollagen ist vermittelnd an der Proliferation der Fibroblasten beteiligt. Manche Autoren nennen die Arthrofibrose auch eine pathologische Wundheilung, die durch eine Dysregulation von Zytokinen eine Zytokinreaktion auslöst.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Das klinische Bild einer Arthrofibrose ist äußerst vielschichtig. Auch wenn die Symptome im Einzelfall stark variieren können, gelten schmerzhafte und dauerhafte Bewegungseinschränkungen des betreffenden Gelenks als charakteristisch. Meist kommt es auf der Haut zu Rötungen und Überwärmungen der entsprechenden Stelle. Auch Schwellungen treten häufig auf.
Oft bildet sich zusätzlich ein Erguss oder es kommt zu einer Einklemmsymptomatik mit Narbenimpingement. Abgesehen von diesen Leitsymptomen lässt sich kein einheitliches Bild für die Arthrofibrose beschreiben. Zuweilen tritt die mehr oder weniger starke Bewegungseinschränkung des betroffenen Gelenks sogar vollständig ohne Schmerzsymptomatik auf. Als zwingendes klinisches Symptom wird eine andauernde Einschränkung der Beweglichkeit beschrieben, die mehr als zehn Grad der Streckung und mehr als 125 Grad der Beugung umfasst.
Im Extremfall kommt es im Verlauf einer Arthrofibrose zu einem vollständigen Funktionsverlust des Gelenks. In den meisten Fällen ist von diesem Phänomen das Kniegelenk betroffen. Die Schwellungen oder Rötungen und Ergüsse auf der Haut müssen die Problematik nicht zwingend begleiten. Eine Erhitzung der entsprechenden Körperstelle liegt dagegen in den meisten Fällen vor.
Diagnose & Verlauf
Die zeitnahe Diagnostizierung der Arthrofibrose kann sich wegen des heterogenen Krankheitsbild als schwierig gestalten. Zu postoperativen Komplikationen kann es auch im Rahmen anderer Krankheitsbilder kommen. Differentialdiagnostisch kann die postoperativ mangelnde Bewegung oder Immobilisation und andauernde Bewegungseinschränkung auch durch eine Schrumpfung der zugehörigen Gelenkskapsel bedingt sein.
Um eine anamnetische Verdachtsdiagnose auf Arthrofibrose zu stützen, kann ein CRPS durchgeführt werden. Damit können allerdings nur in den seltensten Fällen Symptome einer Arthrofibrose nachgewiesen werden. Der Verlauf der Arthrofibrose hängt stark von dem Zeitpunkt der Diagnosestellung ab. Bei einer zu späten Diagnosestellung verlieren die Patienten im Extremfall zum Beispiel dauerhaft die Gelenksfunktion und müssen mit einer anhaltenden Einschränkung der Bewegungsfähigkeit leben.
Komplikationen
Bei der Arthrofibrose handelt es sich selbst schon um eine Komplikation, welche vor allem nach operativen Eingriffen am Kniegelenk auftreten kann. Durch die Arthrofibrose sind für den Patienten die meisten Bewegungen in der Regel mit starken Schmerzen verbunden. Durch diese Schmerzen ist die Bewegung des Patienten relativ stark eingeschränkt.
Dieser ist möglicherweise auf die Hilfe anderer Personen angewiesen. Die betroffene Stelle ist oft gerötet und etwas geschwollen. Im schlimmsten Falle kann das Gelenk durch die Arthrofibrose komplett ihre Funktion verlieren. In diesem Falle kann sich der Patient ohne Gehhilfen nicht mehr bewegen, was zu einer starken Verminderung der Lebensqualität führt.
Durch diese Einschränkungen kann die Arthrofibrose auch zu psychischen Problemen führen. Die Behandlung findet meist operativ statt. Ihr Erfolg hängt stark von der Ausprägung der Arthrofibrose statt und kann nicht universell bestätigt werden. In den meisten Fällen lassen die Schmerzen allerdings nach und das Gelenk kann wieder bewegt werden.
Besondere Komplikationen treten nicht auf, wenn die Behandlung frühzeitig erfolgt. Neben dem operativen Eingriff sind bei der Arthrofibrose auch Behandlung mit Hilfe von Wärme und Kälte möglich. Diese führen ebenso zu keinen weiteren Beschwerden.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Bei der Vermutung einer Arthrofibrose sollte umgehend mit dem zuständigen Arzt gesprochen werden. Dies gilt vor allem dann, wenn Beschwerden wie Rötungen, Schwellungen oder zunehmende Schmerzen in den Gelenken hinzukommen. Wenn das betroffene Gelenk plötzlich nicht mehr so beweglich ist wie früher, empfiehlt sich ein sofortiger Arztbesuch. Menschen, die zu einer ausgeprägten Narbenbildung neigen, sind besonders anfällig für eine Arthrofibrose.
Weitere Risikofaktoren: eine schlechte Beweglichkeit von Gelenk und Knochen vor dem Eingriff, Arthrofibrosen an anderen Gelenken und Störungen des vegetativen Nervensystems. Selten kann die Narbenbildung auch genetische Ursachen haben. Wenn eine oder mehrere dieser Vorbelastungen bestehen, empfiehlt sich ein rascher Arztbesuch.
Der Mediziner wird die Arthrofibrose diagnostizieren und kann direkt die passenden Behandlungsmaßnahmen einleiten. Wird die Erkrankung nicht behandelt, kann die Vernarbung auf andere Gelenke übergreifen. Spätestens, wenn die Beweglichkeit immer weiter abnimmt, muss die Ursache medizinisch abgeklärt werden. Kommt es nach der Therapie zu neuerlichen Problemen, sollte dies dem zuständigen Arzt mitgeteilt werden.
Behandlung & Therapie
Der Weg der Therapie hängt von der Art der Arthrofibrose ab. Bei der sekundären Arthrofibrose kommt meist eine chirurgische Revision zum Einsatz. Eine solche Revision kann zum Beispiel durch die arthroskopische Beseitigung der Narbensträngen oder des übermäßigen Bindegewebes vorgenommen werden. Wenn die Bewegungseinschränkung an einem falsch sitzenden Implantat liegt, wird dagegen eine Transplantatanpassung durchgeführt.
Das lässt sich am Kniegelenk zum Beispiel im Rahmen eines kreuzbandchirurgischen Eingriffs vornehmen, der eine Erweiterung des Kniedachs schafft. Die primäre Arthrofibrose lässt sich nur schwer therapieren. Arthroskopische Revisionen können auch bei dieser Form der Arthofibrose angedacht werden, zeigen in der Regel aber nur wenig Erfolg. Als konservative Behandlungsmethoden kommt bei einer primären Form vor allem Physiotherapie zur Widerherstellung der Bewegungsfähigkeit in Frage.
Auch NSAR oder physikalische Therapien mit Wärme oder Kälte können zum Einsatz kommen. Dasselbe gilt für Elektrotherapie und Ultraschalltherapien. Abhängig vom Einzelfall kann eine manuelle Lymphdrainage Besserungen der Symptomatik bringen. Wenn die Arthrofibrose trotz der Gegenmaßnahmen weiterhin anhält, erfolgt eine Therapie durch Narkosemobilisation und die offene Arthrolyse. In Einzelfällen kann bei einer anhaltenden Arthrofibrose auch ein Wechsel der Endoprothese notwendig sein.
Aussicht & Prognose
Die Prognose der Arthrofibrose richtet sich nach dem möglichen Behandlungsbeginn. Je früher dieser stattfindet, desto besser sind die Heilungschancen. Ohne eine Behandlung kommt es zu einem Fortschreiten der Erkrankung und damit der Beschwerden. Zudem treten häufig psychische Probleme auf, die eine weitere Minderung des Wohlbefindens und der Lebensqualität zur Folge haben.
Mit einer frühzeitigen Diagnose und einem unverzüglichen Behandlungsbeginn kommt es durch die verschiedenen Therapiemöglichkeiten meist zu einer schnellen Linderung der Symptome. Innerhalb weniger Wochen kann der Patient eine vollständige Beschwerdefreiheit erreichen. Dies gilt, wenn es zu keinen weiteren Komplikationen kommt.
Häufig entsteht die Arthrofibrose als sekundäre Erkrankung. Unabhängig von der vorhandenen Grunderkrankung, muss die Arthrofibrose separat behandelt werden. Der Behandlungsbeginn richtet sich nach der gesundheitlichen Stabilität des Patienten. Es kann zu Verzögerungen kommen, die zu einer Zunahme der Schmerzen führt. Kann die Grunderkrankung nicht in einem ausreichenden Maß geheilt werden, kann sich die Arthrofibrose erneut ausbilden.
Die Prognose einer wiederholt auftretenden Arthrofibrose ist ebenfalls unter normalen Bedingungen gut und kann bei Menschen mit einem stabilen Immunsystem innerhalb kurzer Zeit erreicht werden. Ist die Arthrofibrose bereits in einem fortgeschrittenen Stadium, verschlechtert sich die Prognose deutlich. Trotz verschiedener Behandlungsmöglichkeiten ist der Erfolg meist nur mäßig und eine Beschwerdefreiheit wird nicht erreicht.
Vorbeugung
Wenn mehr als drei Wochen zwischen der Ruptur des Kreuzbands und der Rekonstruktion liegen, lässt sich einer Arthofibrose am Knie laut aktueller Studien in der Regel vorbeugen. Auf andere Eingriffe oder Gelenke bezogen liegen bislang keine erfolgsversprechenden Vorbeugemaßnahmen vor.
Nachsorge
Eine direkte Nachsorge ist bei einer Arthrofibrose in der Regel nicht möglich. Der Betroffene ist auf eine rein symptomatische Behandlung angewiesen, da eine kausale Behandlung in diesem Falle meist nicht möglich ist. Allerdings wirken sich eine frühe Diagnose und Behandlung der Arthrofibrose sehr positiv auf den weiteren Verlauf dieser Erkrankung aus und können weitere Komplikationen und Beschwerden verhindern.
In vielen Fällen sind operative Eingriffe notwendig, um die Beschwerden zu lindern. Nach einem solchen Eingriff muss sich der Patient ausruhen und seinen Körper schonen. Vor allem das betroffene Gelenk sollte dabei nicht unnötig belastet werden. Dabei sind auch sportliche Tätigkeiten zu vermeiden.
Der Betroffene ist in der Regel auch auf Maßnahmen der Physiotherapie angewiesen, um die Beweglichkeit des Gelenkes wieder zu steigern. Dabei können die Übungen oftmals auch im eigenen Zuhause durchgeführt werden, sodass die Heilung der Arthrofibrose beschleunigt wird.
Da die Lebensqualität des Betroffenen durch die Erkrankung deutlich eigeschränkt wird, ist dieser häufig auf die Hilfe seiner Mitmenschen im Alltag angewiesen. Dabei wirkt sich eine liebevolle Pflege positiv auf den Verlauf der Erkrankung aus. Auch der Kontakt zu anderen Betroffenen der Arthrofibrose kann sich als sinnvoll erweisen, um hilfreiche Informationen auszutauschen.
Das können Sie selbst tun
Von einer primären oder sekundären Arthrofibrose sind hauptsächlich Kniegelenke nach einem operativen Eingriff – auch nach einer minimalinvasiven Arthroskopie betroffen. Während bei der sekundären Arthrofibrose der Verursacher festgestellt und meist durch eine operative Maßnahme korrigiert werden kann, liegen die Gründe für die Entwicklung einer primären Arthrofibrose eher im Bereich der Spekulation. Als gesichert erscheint, dass Gelenkreizungen Entzündungsreaktionen auslösen, die als Gegenreaktion die Bildung von Bindegewebe (Narbengewebe) verursachen.
Falls bekannt ist, dass ein operativer oder arthroskopischer Eingriff an einem Gelenk durchgeführt werden soll, empfiehlt es sich, in den Alltag zur Prävention der Arthrofibrose Selbsthilfemaßnahmen einzubauen. Die wichtigsten Selbsthilfemaßnahmen bestehen darin, den optimalen Zeitpunkt für eine OP festzulegen. Beispielsweise hilft es, bei einem Kreuzbandriss im Knie mindestens sechs Wochen mit der Kreuzbandersatzoperation zu warten, da bei kürzeren Zeiträumen zwischen Kreuzbandriss und OP das Risiko zur Ausbildung einer Arthrofibrose deutlich ansteigt.
Eine weitere präoperative Vorsorgemaßnahme besteht in gezielter Krankengymnastik, um das betroffene Gelenk möglichst beweglich zu halten. Eine immobile Phase über einen längeren Zeitraum würde das Risiko einer Arthrofibrose ebenfalls erhöhen. Auch nach der OP sollte unverzüglich mit gezielter, individuell abgestimmter Physiotherapie begonnen werden. Die Physiotherapie kann als Selbsthilfemaßnahme selbständig zu Hause zusätzlich zu der Therapie in der Praxis des Therapeuten durchgeführt werden.
Quellen
- Emminger, H., Kia, T. (Hrsg.): Exaplan – Das Kompendium der klinischen Medizin. Urban & Fischer, München 2010
- Krams, M., et al.: Kurzlehrbuch Pathologie. Thieme, Stuttgart 2013
- Pschyrembel: Klinisches Wörterbuch. 266. Auflage. De Gruyter, Berlin 2015