Atemzeitvolumen

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 19. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Als Atemzeitvolumen wird das Luftvolumen bei Umgebungsdruck bezeichnet, das pro Zeiteinheit ein- und ausgeatmet wird. Technisch handelt es sich um den Luftdurchsatz durch die Lunge pro Zeiteinheit, der direkt gemessen oder als Produkt aus Atemzugvolumen und Atemfrequenz errechnet werden kann. Das Atemzeitvolumen variiert sehr stark, je nach Leistungsanforderung durch den Körper und je nach Umgebungsluftdruck.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Atemzeitvolumen?

Das Atemzeitvolumen umfasst das gesamte Luftvolumen, das pro Zeiteinheit die Lunge bei Umgebungsluftdruck durchströmt.

Das Atemzeitvolumen umfasst das gesamte Luftvolumen, das pro Zeiteinheit die Lunge bei Umgebungsluftdruck durchströmt, also ein- und ausgeatmet wird. Falls Minuten als Zeitreferenz gewählt werden, wird das Atemzeitvolumen auch als Atemminutenvolumen (AMV) bezeichnet.

Die Größe des Atemzeitvolumens ist beim gesunden Menschen stark abhängig von der Leistungsanforderung des Körpers, aber auch von der Höhenlage und der Temperatur. Grundsätzlich kann die Anpassung an den Bedarf des Körpers durch Veränderung des Atemzugvolumens, des Volumens eines einzelnen Atemzuges, oder durch Veränderung der Atemfrequenz erfolgen. In der Regel verändern sich bei einer Bedarfsanpassung unbewusst beide Parameter. Normalerweise geschieht die Anpassung unwillkürlich über das vegetative Nervensystem.

In Ruhelage beträgt das Atemminutenvolumen bei einem gesunden erwachsenen Menschen etwa 8 bis 10 Liter. Der Wert kann bei starker körperlicher Beanspruchung auf das Drei- bis Fünffache gesteigert werden. Bei gut trainierten Spitzensportlern kann er sogar bis auf das Fünfzehnfache steigen.

Die maximale Ausnutzung des Atemzugvolumens bei maximaler Frequenz entspricht dem sogenannten Atemgrenzwert. Er kann durch willkürliches, bewusstes Atmen erreicht werden und lässt sich durch Training der Brust- und Rippenmuskulatur in gewissen Grenzen steigern.

Funktion & Aufgabe

Das Atemzeitvolumen, der Luftdurchsatz durch die Lunge, ist die wichtigste Stellgröße für die Anpassung der Sauerstoffversorgung an den Bedarf des Körpers. Ein zu hohes Atemzeitvolumen, das durch Hyperventilation erreicht werden kann, führt zu einer Sauerstoffüberversorgung, die typische Symptome und gefährliche bis lebensbedrohliche Zustände verursacht. Auch das Gegenteil, die Sauerstoffunterversorgung, die durch Hypoventilation oder durch einen zu geringen Sauerstoffanteil in der Atemluft eintreten kann, führt zu typischen Symptomen und lebensbedrohlichen Zuständen.

Die Steuerung des Atemzeitvolumens geschieht beim gesunden Menschen unbewusst durch das Atemzentrum, einer speziellen Region im zentralen Nervensystem im verlängerten Mark, der Medulla oblongata. Das Atemzentrum bekommt über Chemorezeptoren, die sich an bestimmten Stellen im Blutkreislauf befinden, Meldungen über den Partialdruck von Sauerstoff (O2) und von Kohlendioxid (CO2) sowie über den pH-Wert des Blutes. Es handelt sich dabei um die drei wichtigsten Parameter, die das Atemzentrum dazu befähigen, das Atemzeitvolumen so zu steuern, dass sich die vorgenannten Parameter möglichst ständig im Normbereich befinden.

Allerdings ist die Steuerung des Atemzeitvolumens nicht die einzige Stellmöglichkeit für den Körper. Bei starker Sauerstoffanforderung des Muskelgewebes, reagiert der Körper auch mit einem erhöhten Herzminutenvolumen, um über eine verstärkte Blutzirkulation in den Kapillaren, die die Lungenbläschen umspannen, die Sauerstoffaufnahme und die Kohlendioxidabgabe zu unterstützen.

Eine besondere Herausforderung für die Steuerung des Atemzeitvolumens besteht nicht nur bei einer außerordentlichen Leistungsanforderung, sondern auch bei ungewöhnlichen Umgebungsbedingungen wie sie z. B. in großen Höhen anzutreffen sind. Der Luftdruck nimmt mit zunehmender Höhe ab. In 4.810 m Höhe über Normalnull (Mt. Blanc) beträgt er nur noch 53,9 % des Luftdrucks auf Normalnull. Das bedeutet, dass bei gleichem Atemzeitvolumen nur noch wenig mehr als die Hälfte des Sauerstoffs zur Verfügung steht, der auf Meereshöhe vorhanden wäre.

Bei längeren Aufenthalten von mehreren Wochen in großen Höhen reagiert der Körper zusätzlich mit einer Vermehrung der roten Blutkörperchen (Erythrozyten), um so den Gasaustausch an den Wänden der Kapillaren zu unterstützen (Höhentraining).


Krankheiten & Beschwerden

Die unwillkürliche Steuerung des Atemzeitvolumens und der Abstimmung auf den Sauerstoffbedarf innerhalb enger Toleranzgrenzen setzt voraus, dass die beteiligten Chemorezeptoren das Atemzentrum in der Medulla oblongata korrekt mit Daten der Sauerstoff- und Kohlendioxidkonzentration sowie des pH-Wertes des Blutes versorgen.

Eine weitere Voraussetzung für die korrekte Steuerung besteht darin, dass das Atemzentrum die entsprechenden Kontraktions- und Entspannungsbefehle an die Atemmuskulatur sendet. Weitere Bedingungen für eine bedarfskonforme Regulation des Atemzeitvolumens bestehen in einem normalen Atemwegswiderstand ohne Ventilationsstörungen und in der Funktionstüchtigkeit des Gasaustausches in den Kapillaren der Alveolen. Natürlich muss auch die atmosphärische Umgebung bezüglich Sauerstoffanteil und Umgebungsdruck innerhalb der Grenzen liegen, die vom Atemzentrum hinsichtlich Steuerung der Atmung noch beherrschbar sind.

Ursachen, die zu einer vorübergehenden oder chronischen Hyperventilation führen können, sind bestimmte Lungenerkrankungen oder Störungen des Atemzentrums. Das Atemzentrum kann durch ein Schädel-Hirn-Trauma oder durch eine Durchblutungsstörung des Atemzentrums - etwa durch einen Schlaganfall oder durch starke Angst- oder Stresssituationen - in seiner Funktion beeinträchtigt werden. Bei anhaltender Hyperventilation, einer über den Bedarf hinausgehenden Erhöhung des Atemzeitvolumens, kommt es zu einer verstärkten Abatmung von Kohlendioxid. Typischerweise stellen sich Muskelkrämpfe, Schwindel und Angstgefühle ein. Ebenso typisch sind Parästhesien wie Gefühllosigkeit oder falsche Sinneseindrücke der Hautrezeptoren und Lähmungserscheinungen, Muskelzittern und Muskelschmerzen. Die Symptome werden durch eine respitatorische Alkalose, eine Erhöhung des pH-Wertes, ausgelöst, der zu einer Verminderung der Calcium-Ionen im Blut (Hypokalzämie) führt.

Auch die gegenteilige Störung, die Verminderung des Atemzeitvolumens durch eine Hypoventilation, kann viele verschiedene Ursachen haben. Als häufigste Auslösefaktoren sind obstruktive Lungenerkrankungen wie Asthma bronchiale oder eine Beeinflussung des Atemzentrums durch opioide Medikamente oder ein motorischer Teilausfall der Atemmuskulatur (Parese) zu erwähnen.

Das sogenannte Pickwick-Syndrom tritt bei ausgeprägter Adipositas auf. Übermäßiges Fettgewebe im Bauch- und Brustraum führt zu einem Zwerchfellhochstand und damit verbunden zu einer äußerlichen Kompression der Lunge. Hierdurch wird eine chronische Hypoventilation ausgelöst, die aufgrund der erhöhten Kohlendioxidkonzentration zu einer Übersäuerung des Blutes führt.

Quellen

  • Bungeroth, U.: BASICS Pneumologie. Urban & Fischer, München 2010
  • Faller, A. et al.: Der Körper des Menschen. Thieme, Stuttgart 2008
  • Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013

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