Dyskeratosis congenita

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 10. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die Dyskeratosis congenita stellt eine erblich bedingte Erkrankung dar, die mehrere Organsysteme betrifft. Das Syndrom ist durch eine abnorme Pigmentierung von Haut und Schleimhäuten sowie durch Wachstumsstörungen von Finger- und Fußnägeln gekennzeichnet. Eine ursächliche Behandlung ist oft nur durch eine Stammzelltransplantation möglich.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Dyskeratosis congenita?

Eltern, die bei ihrem Kind Anzeichen einer Lungenfibrose, Karzinomen oder einer Knochemarksdepression feststellen, sollten umgehend den Kinderarzt informieren.
© Ralf Geithe – stock.adobe.com

Die Dyskeratosis congenita ist ein Sammelbegriff für verschiedene erblich bedingte Telomeropathien. Telomeropathien sind Erkrankungen, die durch eine Störung der Telomeraseaktivität entstehen. Besonders in Zellen, die einer starken Zellteilung unterliegen wie die Immun- oder Blutzellen besitzt die Telomerase eine hohe Aktivität.

In den anderen Zellen ist die Telomeraseaktivität allerdings nicht nachweisbar. Wenn die Telomeraseaktivität gestört ist, kann die Neubildung von wichtigen Blut- und Immunzellen nicht mehr effektiv erfolgen, weil die Telomere bei jeder Zellteilung kürzer werden und damit die Stabilität des Chromosoms gefährden. Dabei bilden sich unter anderem die Symptome der Dyskeratosis congenita heraus.

Die Telomerase ist ein Enzym, welches die Verkürzung der Telomere bei Zellteilungen stoppt oder gar rückgängig macht. In der Folge bleibt die Zellteilungsaktivität dieser Zellen erhalten. Die Telomere befinden sich an den Enden der Chromosomen und bestehen aus sich ständig wiederholenden Nukleotidsequenzen der DNA im Verbund mit bestimmten Proteinen.

Bei jeder Zellteilung verkürzen sich die Telomere jeweils um circa 100 Nukleotide. Bei einer Länge von 4–6 kb stoppt die Zellteilung. Die Zellen unterliegen dann entweder einer gezielten Apoptose (gezielter Zelltod) oder gehen in ein Ruhestadium über. Telomere sind für die Stabilität der Chromosomen verantwortlich.

Das Enzym Telomerase kann nun die Telomere wieder verlängern, indem Ketten von repetitiven Nukleinsäuresequenzen angelagert werden. Unter anderem wird auch der Alterungsprozess des Organismus auf die langsame Verkürzung der Telomere zurückgeführt. Je kürzer die Telomere werden, desto langsamer wird die Zellteilung.

Ursachen

Wenn die Aktivität der Telomerase gestört ist, kommt die Zellteilung sehr schnell zum Erliegen. Besonders fatal wirkt sich das auf die blutbildenden Zellen und Immunzellen aus. Es entsteht das Krankheitsbild der Dyskeratosis congenita. Dabei gibt es genetisch sehr heterogene Formen der Dyskeratosis congenita.

So können die entsprechenden Mutationen autosomal-dominant, autosomal-rezessiv oder x-chromosomal-rezessiv sein. Das Enzym Telomerase ist eingebettet in einen ganzen Telomerasekomplex mit verschiedenen Proteinen. Jedes Protein ist an der Funktion der Telomerase beteiligt.

Neben Mutationen, welche die Telomerase direkt betreffen, können also auch Mutationen anderer Proteine des Komplexes die Telomeraseaktivität beeinträchtigen. So sind mindestens zehn Gene bekannt, deren Mutationen zu Dyskeratosis congenita führen können. Die Mutationen der Gene TERC und DKC1 betreffen direkt die Telomerase.

Zusammen mit Mutationen von TERT und TINF2 machen sie circa 50 Prozent aller Fälle von Dyskeratosis congenita aus. Die Mutationen von TERC und DKF1 können bereits pränatal nachgewiesen werden.

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Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Das Krankheitsbild der Dyskeratosis congenita ist sehr variabel. Es gibt sehr leichte Formen mit geringen äußerlichen Veränderungen, bei denen eine normale Funktion des Knochenmarks zu verzeichnen ist. Bei schwereren Formen der Erkrankung treten psychische Auffälligkeiten in den Vordergrund.

Manchmal entstehen bereits im Kindesalter zu Knochenmarksdepressionen, Lungenfibrosen oder gar Karzinome. Es gibt jedoch drei typische Symptome der Erkrankung. Das sind anomal geformte Finger- und Zehennägel, Veränderungen der Hautpigmentierung an Brustkorb und Hals sowie eine Leukoplakie (weiße Flecken auf der Mundschleimhaut).

Lebensbedrohliche Krankheitserscheinungen sind Knochenmarksdepressionen, das myodysplastische Syndrom oder aplastische Anämie. Bei einer Knochenmarksdepression kommt es zum Aussetzen der normalen Blutbildung. Es entstehen zu wenig rote Blutkörperchen, weiße Blutkörperchen und Blutplättchen.

Die Folgen sind Anämie, eine starke Schwächung des Immunsystems mit erhöhter Infektneigung und erhöhtes Blutungsrisiko durch den Mangel an Blutplättchen. Beim myodysplastischen Syndrom geht die Blutbildung von genetisch veränderten Stammzellen aus. Dabei werden immer mehr unreife Blutzellen produziert, aus denen sich gegebenenfalls eine akute myeloische Leukämie (AML) entwickeln kann.

Auch die Wahrscheinlichkeit des Auftretens anderer Krebsarten wie Analkarzinome, Kopf-Hals-Karzinome oder Karzinome der Geschlechtsorgane ist stark erhöht. Des Weiteren kann sich auch eine potenziell tödliche Lungenfibrose entwickeln. Beobachtet wurden auch Anomalien am Verdauungstrakt, der Leber, dem Urogenitalsystem sowie Zahnanomalien.

Neben neurologischen Störungen können auch Haarverlust, Lungenanomalien, Skelettstörungen oder Verengung der Tränenwege vorkommen. Meist besteht eine normale geistige und motorische Entwicklung. In schweren Fällen können aber Entwicklungsstörungen durch ein stark unterentwickeltes Kleinhirn auftreten. Manchmal ist auch die Netzhaut des Auges gestört.

Diagnose

Die Diagnose der Dyskeratosis congenita erfolgt durch Interpretation der auftretenden Symptome, der Anamnese der eigenen und familiären Krankengeschichte und eventuell durch humangenetische Untersuchungen auf Mutationen im TERC- oder DKC1-Gen.

Komplikationen

In den meisten Fällen kommt es aufgrund der Dyskeratosis congenita zu verschiedenen Fehlbildungen am Körper, wobei auch die inneren Organe des Patienten betroffen sein können. Meistens treten auch Pigmentstörungen auf. Der Patient leidet ebenfalls an einem stark geschwächten Immunsystem und wird dadurch öfter krank.

Ebenso können vereinfacht verschiedene Entzündungen am Körper auftreten. Auch das Risiko einer Krebserkrankung ist durch die Dyskeratosis congenita erhöht, sodass sich dadurch die Kompilationen einer Krebserkrankung ergeben können. Es kommt oft zu einem Haarausfall und zu Störungen des Skeletts. Auch die geistige Entwicklung ist in schwerwiegenden Fällen gestört und eingeschränkt, sodass der Betroffene an einer Retardierung leidet.

Der Alltag des Betroffenen wird aufgrund der Krankheit extrem eingeschränkt und die Lebensqualität wird verringert. In einigen Fällen ist der Betroffene dann auf die Hilfe anderer Menschen im Alltag angewiesen. Eine kausale Behandlung der Dyskeratosis congenita ist leider nicht möglich. Allerdings können viele Symptome mit Hilfe einer Stammzellenspende behandelt werden, sodass die Beschwerden eingeschränkt werden.

Allerdings ist die Lebenserwartung aufgrund der Krankheit weiterhin verringert. Auch die Augen können durch die Dyskeratosis congenita betroffen sein, sodass der Patient an Sehstörungen oder an einer kompletten Erblindung leidet. In vielen Fällen leiden auch die Eltern an psychischen Beschwerden und Depressionen.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Eine Dyskeratosis congenita kann im besten Fall schon im Kindesalter diagnostiziert werden. Eltern, die bei ihrem Kind Anzeichen einer Lungenfibrose, Karzinomen oder einer Knochemarksdepression feststellen, sollten umgehend den Kinderarzt informieren. Weitere Warnzeichen, die einer Abklärung bedürfen sind: anormal geformte Finger- und Zehennägel, eine veränderte Hautpigmentierung im Bereich von Brustkorb und Hals sowie weiße Flecken auf der Mundschleimhaut (Leukoplakie).

Bei Anzeichen wie erwähnten Knochenmarksdepressionen oder einer aplastischen Anämie muss sofort der Notarzt gerufen werden. Spätestens, wenn eine zunehmende Schwächung des Immunsystems bemerkt wird, muss ein Arzt konsultiert werden. Andernfalls können sich verschiedenste Erkrankungen wie Krebs, Lungenanomalien, Entwicklungsstörungen oder Skelettstörungen entwickeln. Diese Erkrankungen, die vorwiegend im Erwachsenenalter auftreten, bedürfen einer sofortigen Abklärung durch den Allgemeinmediziner.

Weitere Ansprechpartner sind je nach Symptom und Leiden verschiedene Fachärzte wie Gastroenterologen, Lungenspezialisten oder Dermatologen. Da die Dyskeratosis congenita zumeist einen schweren Verlauf nimmt, ist nach der initialen Behandlung in jedem Fall eine engmaschige Überwachung durch den Arzt angezeigt.

Behandlung & Therapie

Die Therapie der Dyskeratosis congenita richtet sich nach dem Ausprägungsgrad der Erkrankung. In vielen Fällen reicht eine symptomatische Behandlung der Erkrankung zunächst aus. Eine ursächliche Behandlung ist nur durch eine Stammzelltransplantation im Knochenmark möglich.

Diese Methode wird angewendet, wenn eine konventionelle Therapie nicht mehr möglich ist. Für die Stammzelltransplantation muss ein geeigneter Spender gefunden werden, bei welchem möglichst viele Gewebemerkmale mit dem Empfänger übereinstimmen. Des Weiteren gibt es Untersuchungen mit dem synthetischen Androgen Danazol.

Dabei wurden die Verlängerung von Telomeren und hämatologische Verbesserungen beobachtet. Allerdings können hier noch keine Therapieempfehlungen gegeben werden, weil die Risiken bisher nicht einschätzbar sind.

Aussicht & Prognose

Die Prognose der Dyskeratosis congenita ist von dem Umfang und der Intensität der einzelnen Symptome abhängig. Bei jedem Patienten zeigt sich die Erkrankung mit individuellen Ausprägungen. Diese werden einzeln bewertet und bei der Erstellung eines persönlichen Behandlungsplans berücksichtigt. Da es sich um eine Erberkrankung handelt, tritt keine Heilung ein. Ohne eine medizinische Versorgung nehmen die Beschwerden im weiteren Verlauf des Lebens zu.

Bei den meisten Patienten wird eine deutliche Linderung der Beschwerden in einer Stammzellentherapie erreicht. Dafür wird eine Transplantation des Knochenmarktes durchgeführt. Dieser Eingriff ist riskant und mit zahlreichen Nebenwirkungen verbunden. Oftmals ist sie jedoch die einzige Möglichkeit, um eine Besserung der Gesundheit zu erreichen. Schlägt die Behandlung erfolgreich an, erlebt der Patient innerhalb der kommenden Wochen und Monate eine deutliche Verbesserung seines Wohlbefindens.

Wird das Knochenmark vom Organismus abgelehnt, verschlechtert sich die Prognose um ein Weiteres. Die vorhandenen Fehlbildungen am Körper werden in chirurgischen Eingriffen behandelt. Dabei wird versucht, eine bestmögliche Funktionsfähigkeit herzustellen. Die Ergebnisse sind dank moderner Möglichkeiten gut, der Status einer natürlichen Gesundheit wird dabei trotz aller Bemühungen nicht erreicht. Da die Patienten oftmals an einem geschwächten Immunsystem leiden, kann durch eine gesunde Lebensführung und eine ausgewogene Ernährung viel zur Verbesserung der eigenen Gesundheit beigetragen werden.

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Vorbeugung

Da die Dyskeratosis congenita erblich bedingt ist, können keine allgemeinen Empfehlungen zu ihrer Vorbeugung gegeben werden. Eine vorgeburtliche Diagnostik ist jedoch durch humangenetische Untersuchungen auf Mutationen der Gene TERC und DKC1 möglich.

Nachsorge

Die Maßnahmen oder Möglichkeiten der Nachsorge sind bei der Krankheit Dyskeratosis congenita sehr stark eingeschränkt. In der Regel ist der Betroffene dabei in erster Linie auf eine umfasende Untersuchung und Behandlung angewiesen, damit es zu keinen weiteren Beschwerden oder Komplikationen kommt. Eine selbstständige Heilung ist nicht zu erwarten. Je früher die Dyskeratosis congenita dabei erkannt wird, desto besser ist in der Regel auch der weitere Verlauf dieser Erkrankung.

In den meisten Fällen können die Beschwerden der Dyskeratosis congenita nur durch die Transplantation von Stammzellen gelindert werden. Eine andere Möglichkeit der Behandlung steht dem Betroffenen dabei nicht zur Verfügung, sodass auch die Maßnahmen der Nachsorge dabei sehr eingeschränkt sind. Da die Transplantation von Stammzellen in der Regel einen schweren Eingriff darstellt, sollten sich die Betroffenen nach einem solchen Eingriff schonen und in der Regel auch ausruhen.

Auch sind regelmäßige Untersuchungen des Körpers notwendig, um weitere Beschwerden früh zu erkennen. Einzelne Fehlbildungen können mit Hilfe von operativen Eingriffen gelindert werden. Ob es durch die Dyskeratosis congenita zu einer verringerten Lebenserwartung des Betroffenen kommt, kann nicht universell vorhergesagt werden.

Das können Sie selbst tun

Kinder, die an einer Dyskeratotis congenita leiden, bedürfen der Unterstützung der Eltern und Ärzte. Die Eltern sollten ihr Kind stets im Blick haben und auf etwaige Veränderungen im Verhalten achten. Sollten sich dann ungewöhnliche Symptome einstellen, können diese rasch abgeklärt und gegebenenfalls behandelt werden.

Darüber hinaus muss den körperlichen Symptomen der Erkrankung entgegengewirkt werden. Neben regelmäßiger Bewegung und einer gesunden Ernährung empfehlen sich auch hygienische Maßnahmen. Dadurch wird der Schwächung des Immunsystems, aber auch der erhöhten Infektneigung begegnet. Sollten sich weitere Beschwerden einstellen, ist aber auf jeden Fall eine ärztliche Untersuchung angezeigt.

Etwaige Fehlbildungen werden am besten frühzeitig operativ behandelt. Geschieht dies noch im frühen Kindesalter, treten im späteren Leben meist keine größeren Folgeschäden auf. Dennoch sollten sich die Betroffenen auch im Erwachsenenalter regelmäßig von einem Arzt untersuchen lassen.

Wenn die Dyskeratosis congenita mit Karzinomen oder Lungenfibrose verbunden ist, müssen unter Umständen auch die täglichen Gewohnheiten umgestellt werden. So ist eine Vernarbung der Lunge oftmals mit Atemnot und anderen Atembeschwerden verbunden, die mit Hilfe von Asthma-Medikamente oder Inhalatoren behandelt werden sollten. Wurde bereits einmal ein Karzinom festgestellt und entfernt, so sind regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen bei einem Facharzt angezeigt.

Quellen

  • Murken, J., Grimm, T., Holinski-Feder, E., Zerres, K. (Hrsg.): Taschenlehrbuch Humangenetik. Thieme, Stuttgart 2011
  • Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013
  • Renz-Polster, H., Krautzig, S. (Hrsg.): Basislehrbuch Innere Medizin. Urban & Fischer, München 2012

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