Enterohepatischer Kreislauf
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 5. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Der enterohepatische Kreislauf beschreibt den Transportweg einiger Substanzen wie den von Nährstoffen, Medikamenten oder auch Giften im Körper. Diese Stoffe zirkulieren von der Leber über die Gallenblase bis in den Darm und wieder zurück zur Leber. Manche Substanzen können diesen Kreislauf mehrfach durchlaufen.
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Was ist der enterohepatische Kreislauf?
Der enterohepatische Kreislauf wird auch als Leber-Darm-Kreislauf bezeichnet. Er beschreibt die Zirkulation von Substanzen im Körper, welche von der Leber über die Gallenblase zum Darm und wieder zurück zur Leber erfolgt. Dieser Weg kann von der entsprechenden Substanz bis zu zwölf Mal an einem Tag passiert werden. Stoffe, die nach dem Passieren des enterohepatischen Kreislaufs nicht mehr gebraucht werden oder nicht aufgenommen werden konnten, werden über den Stuhl wieder ausgeschieden.
Der enterohepatische Kreislauf stellt keinen körpereigenen Mechanismus dar, sondern er ergibt sich aus den chemischen und physikalischen Eigenschaften der Substanzen. Aus diesen Eigenschaften wird das Verhalten der Substanzen im Körper determiniert.
Nicht alle Substanzen, die in den Körper gelangen, unterliegen der Leber-Darm-Zirkulation. Vorrangig unterliegen ihr oral eingenommene Substanzen.
Funktion & Aufgabe
Der enterohepatische Kreislauf ist für eine ganze Reihe von Substanzen, die der Körper für die Aufrechterhaltung seiner Funktionen unbedingt benötigt, von großer Bedeutung. Dazu zählen unter anderem die Gallensäure und das Vitamin B12. Die Leber-Darm-Zirkulation ermöglicht dem menschlichen Körper, die zugeführten Stoffe wie Nährstoffe oder auch Arzneistoffe effektiver aufzunehmen und zu nutzen. Durch den enterohepatischen Kreislauf verringert sich demnach die Menge, die der Körper von solchen Stoffen aufnehmen oder selbst bilden muss.
Durch die chemische Veränderung eines Stoffs ist es möglich, dessen chemische Eigenschaften so zu beeinflussen, dass er dem enterohepatischen Kreislauf in einem anderen Maße unterliegt. Wie stark die jeweiligen Substanzen von dem enterohepatischen Kreislauf abhängig sind, hängt neben ihren chemischen und physikalischen Eigenschaften auch von ihrer Konzentration im Blut und im Darm ab.
Für die Gallensäure hat die Leber-Darm-Zirkulation eine besonders wichtige Funktion. Rund 90 Prozent der Gallensäuren unterliegen dem enterohepatischen Kreislauf. Etwa vier Gramm der Säure zirkulieren mehrmals pro Tag zwischen Leber und Darm. Dadurch sinkt der Bedarf an neu synthetisierter Gallensäure aus der Leber erheblich. Im Normalfall reguliert sich der Spiegel aller für die Gallensäure relevanter Stoffe von selbst. Werden die Gallensäuren jedoch an der Resorption gehindert, wird ihre Synthese in der Leber verstärkt. Da Cholesterin ein hierfür notwendiger Stoff ist, sinkt der Cholesterinspiegel im Blut. Dieses Prinzip wurde auf die Wirkungsweise von cholesterinsenkenden Medikamenten übertragen.
Bei Arzneistoffen ist der enterohepatische Kreislauf nur für solche Substanzen relevant, die über den Darm resorbiert werden. Dies betrifft insbesondere oral eingenommene Präparate. Im Umkehrschluss kann der enterohepatische Kreislauf mit Medikamenten umgangen werden, die nicht über den Magen-Darm-Trakt resorbiert werden. Dazu zählen intravenöse und intermuskuläre Injektionen und sublingual eingenommene Medikamente sowie Nasensprays.
Auch ist es möglich, beispielsweise nach dem versehentlichen Verschlucken von Giftstoffen, Substanzen durch die Gabe von Aktivkohle dem enterohepatischen Kreislauf zu entziehen und so zu verhindern, dass sich ihre volle Wirkung entfaltet. Durch die Aktivkohle werden die Substanzen im Darm gebunden und unverarbeitet ausgeschieden.
Krankheiten & Beschwerden
Auch für den Vitamin B12-Haushalt spielt der enterohepatische Kreislauf eine wichtige Rolle. Das Vitamin B12 wird in der Leber gespeichert. Da der Körper es rückresorbieren kann, benötigt er nur eine sehr geringe Menge pro Tag. Die körpereigenen Vorräte reichen in der Regel auch bei Vitamin B12-freier Ernährung wie dem Veganismus bis zu zehn Jahre. Bei einer Störung der Zirkulation des Vitamin B12 kann der Vorrat jedoch wesentlich schneller aufgebraucht sein. Dadurch kann ein Vitamin B12-Mangel hervorgerufen werden, der für den Körper weitreichende Auswirkungen birgt.
Der enterohepatische Kreislauf kann die Stärke und den zeitlichen Eintritt der Wirkung einer Substanz verändern. Die von der Leber gebildeten Stoffe können im Darm gespalten werden, wodurch sie leichter löslich werden. In der Folge erhöht sich ihre Resorbierbarkeit. Zirkuliert ein Stoff aufgrund seiner chemischen und physikalischen Eigenschaften sehr häufig, kann die Wirkung des Stoffs später eintreten, während sich seine Halbwertszeit und somit auch die Verweildauer im Körper verlängern. Wird dies bei der mehrfachen Gabe eines Medikaments nicht beachtet, kann eine Überdosierung eintreten. Durch eine Überdosierung können Vergiftungserscheinungen und Leberschäden auftreten.
Das gleiche Prinzip ist auch auf einige Gifte anwendbar. Durch die Zirkulation zwischen Leber und Darm tritt ihre Wirkung zeitverzögert und somit überraschender, gleichzeitig aber auch stärker und langfristiger ein. Dadurch werden gefährliche Vergiftungen anfangs häufig gar nicht registriert.
Quellen
- Koop, I.: Gastroenterologie compact. Thieme, Stuttgart 2013
- Messmann, H.: Klinische Gastroenterologie. Thieme, Stuttgart 2012
- Pschyrembel: Klinisches Wörterbuch. 266. Auflage. De Gruyter, Berlin 2015