Erythrozytenaggregation

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 14. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Bei der Erythrozytenaggregation lagern sich rote Blutkörperchen zusammen und verklumpen. Das Phänomen ist vor allem in den kleineren Kapillaren bis zu einem gewissen Grad physiologisch. Im Rahmen von Immunkomplexkrankheiten wird dieser physiologische Grad zum Beispiel überschritten.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Erythrozytenaggregation?

Bei der Erythrozytenaggregation lagern sich rote Blutkörperchen zusammen und verklumpen.

Die roten Blutkörperchen werden auch Erythrozyten genannt. Erythrozyten sind organellenlose Zellen, die sich nicht mehr teilen können. Die Zellen besitzen eine bikonkav abgeplattete Form, deren Hauptbestandteil das rote Hämoglobin ist. Die Form der Zellen vergrößert ihre Oberfläche und schafft so bessere Voraussetzungen für den Gasaustausch.

Erythrozyten sind hochflexibel und kommen in mehreren Dutzend unterschiedlichen Formvarianten vor, so zum Beispiel als Anulozyt oder Makrozyt. Sie können ihre Form anpassen und auf diese Weise durch Kapillaren mit geringerem Durchmesser wandern, als sie selbst ihn besitzen.

Unter der Zellmembran der Zellen liegt ein Filamentnetz, das in die Membran einstrahlt. Das Netz aus Filamenten gibt den roten Blutkörperchen ihre dichte Struktur und schafft ein sogenanntes erythrozytäres Zytoskelett. Proteine wie Spektrin und Ankyrin sind für ihre Strukturform essentiell.

Zwischen roten Blutkörperchen besteht eine Anziehungskraft. Wirksam wird diese Kraft bei geringen Fließgeschwindigkeiten des Bluts. Erythrozyten lagern sich im Rahmen von sogenannter Pseudoagglutination zu Rouleaux zusammen, um Gefäße besser passieren zu können. Der Rouleaux entspricht damit einer geldrollenartigen Zusammenlagerung von roten Blutkörperchen, die durch Plasmaproteine möglich wird. Die Auflösung eines Rouleaux ist schon mittels geringfügig mechanischer Kräfte möglich.

Die Erythrozytenpseudoagglutination ist eine Form der Erythrozytenaggregation oder Eryhtrozytenagglomeration. Jede Art der Aggregation entspricht einer Zusammenballung von biologisch physiologischen Elementen.

Funktion & Aufgabe

Die Erythrozytenaggregation geschieht auf Basis der Anziehungskräfte, wie sie zwischen einzelnen Erythrozyten bestehen. Da es sich bei diesen Anziehungskräften um relativ geringe Kräfte handelt, kommt die Aggregation bei regulären Fließgeschwindigkeiten nicht vor. Die Pseudoaggregation oder Geldrollenbildung tritt vorwiegend dann ein, wenn das Blut langsam fließt oder stillsteht.

Die roten Blutkörperchen verklumpen in dieser Situation zu einem Rouleaux. Diese Pseudoagglutination ist reversibel. Schwache Kräfte reichen, um die "Geldrolle" aus roten Blutkörperchen wieder aufzulösen. Die Aggregation der Erythrozyten geht, neben den Anziehungskräften zwischen den Blutkörperchen, auf unterschiedliche Einflussfaktoren zurück. Den Grad der Aggregation beeinflussen zum Beispiel Faktoren wie die Verformbarkeit und Sialylierung der Membran. Auch die plasmaproteinerge Maskierung von negativen Ladungen spielt für den Grad der Agglutination eine Rolle.

Wichtig ist die Geldrollenbildung vor allem im Zusammenhang mit der Blutviskosität. Die Aggregation bestimmt neben weiteren Faktoren also den Grad der Viskosität. Menschliches Blut verhält sich nicht wie eine Newtonsche Flüssigkeit, sondern vereint die Eigenschaften eines flüssigen Mediums mit stofflichen Eigenschaften. Damit zeigt das Blut nicht-proportionales und eher sprunghaftes Fließverhalten.

Ein entscheidender Stellenwert kommt in diesem Zusammenhang dem sogenannten Fåhraeus-Lindqvist-Effekt zu, dem die Verformbarkeit der roten Blutkörperchen zugrunde liegt. In den kleineren Kapillaren verformen sich die roten Blutzellen zu Stomatozyten. Durch Wand-nahe Scherkräfte werden sie in den Axialstrom verdrängt. Dieses Phänomen entspricht der sogenannten Axialmigration der Erythrozyten und lässt eine zellarme Randströmung entstehen. Der Fåhraeus-Lindqvist-Effekt erniedrigt die effektive Blutviskosität in Gefäßen mit engem Lumen und verhindert so die Bildung einer Stenose, wie sie aufgrund der Anziehungskräfte zwischen den Erythrozyten eintreten könnte.

Die Aggregation von Erythrozyten zu den langen, rollenartigen und teils verzweigten Strukturen des Rouleaux tritt vor allem im Bereich der kleineren Kapillaren auf und wird scheinbar durch Plasmaproteine wie Fibrinogen vermittelt. Unterschiedliche Einflussfaktoren fördern die Aggregation. Neben einer hohen Konzentrationen von Immunglobulinen gelten Thrombozyten, Alpha2-Globuline, Dextrane, Albumin und Polylysin als aggregationsfördernd. Darüber hinaus tragen physikalische Einflüsse wie Wärme und Trockenheit zur Pseudoaggregation bei.

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Krankheiten & Beschwerden

Die Allgemeinmedizin beurteilt die Erythrozytenaggregation im Sinne einer Pseudoaggregation als physiologischen Prozess. Dieser Ansicht widerspricht die Alternativmedizin. Die Geldrollenbildung wird von vielen Alternativmedizinern für ein pathologisches Geschehen gehalten. Alternativmedizinisch dient das Phänomen daher der Diagnostik von unterschiedlichen Krankheiten. In diesem Zusammenhang greifen Alternativmediziner auf Dunkelfeld-Vitalblutdiagnostik zurück. Bei den entsprechenden Testungen kann zusätzlich eine vermeintliche Blutschädigung durch elektromagnetische Felder nachgewiesen werden.

Wissenschaftliche Untersuchungen lassen die Allgemeinmedizin derweil keinen Zusammenhang zwischen der Geldrollenbildung roter Blutkörperchen und einer Schädigung des Bluts erkennen. Auch eine Schädigung des Bluts durch elektromagnetische Felder halten Schulmediziner für unzutreffend.

Im Blutausstrich zeigt sich bei nachweislich gesunden Menschen eine Erythrozytenaggregation im Sinne einer Pseudoaggregation oder Geldrollenbildung. In der Schuldmedizin wird Erythrozytenaggregation bis zu einem gewissen Grad als physiologisch angesehen. Wird dieser Grad allerdings überschritten, sprechen auch Schulmediziner von einem pathologischen Phänomen.

Ein besonders hohes Maß an Erythrozyten- und Thrombozytenggregation zeigt sich zum Beispiel im Rahmen von sogenannten Immunkomplexkrankheiten. Diese Erkrankungen werden durch Ablagerungen von Immunkomplexen innerhalb der Gewebe verursacht. Die einzelnen Antikörper können dabei gegen Fremd-Antigene oder gegen Autoantigene gerichtet sein. Letzteres ist zum Beispiel im Rahmen von systemischem Lupus erythematodes oder rheumatoider Arthritis der Fall.

In der Regel handelt es sich um IgG-Isotyp-Antikörper, die das Komplement-System aktivieren und so Entzündungen hervorrufen. Durch die Entzündung wird die Blutgerinnung beeinflusst. Zur verstärkten Aggregation der roten Blutkörperchen kommt es in diesem Rahmen deshalb, weil beispielsweise Fibrinogen einen förderlichen Einfluss auf die Erythrozytenaggregation zeigt.

Quellen

  • Alberts, B., u. a.: Molekularbiologie der Zelle. 4. Auflage. Wiley-VCH., Weinheim 2003
  • Lodish et al.: Molekulare Zellbiologie. 4. Auflage, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, 2001
  • Reuter, P.: Springer Lexikon Medizin. Springer, Berlin 2004

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