Randstrom (des Blutes)
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 13. November 2021Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Der Randstrom des Bluts ist der Blutstrom in unmittelbarer Nähe zu den Wänden der Gefäße. Speziell in den kleineren Gefäßen handelt es sich um einen plasmatischen Randstrom ohne Leukozyten und Erythrozyten, der eine wesentlich geringere Fließgeschwindigkeit als der zentrale Blutstrom besitzt. Bei Entzündungsreaktionen verändert sich der Randstrom.
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Was ist der Randstrom?
Unter dem Randstrom des Bluts versteht die Medizin ein Phänomen innerhalb des Fåhraeus-Lindqvist-Effekts. Dieser Effekt ist eine Grundlage der Blutströmung, die auf der Fluidität der roten Blutkörperchen beruht und sich auf die Viskosität des Bluts auswirkt. In den Gefäßen der Peripherie ist die Viskosität wegen des Fåhraeus-Lindqvist-Effekts innerhalb von Gefäßen mit geringem Lumen wesentlich niedriger, als in Gefäßen mit höheren Lumen.
In der Nähe der Gefäßwände wirken Scherkräfte auf die roten Blutkörperchen. Die so entstehenden Scherkräfte führen zu einer Verdrängung der Erythrozyten und bringen die roten Blutkörperchen zu einer sogenannten Axialmigration, die einen Axialstrom entstehen lässt. Gleichzeitig mit der Axialmigration der roten Blutkörperchen entstehen nahe der Gefäßwände zellarme Randströmungen. Die Randströme aus Plasma umspülen die Zellen und fungieren beim Fåhraeus-Lindquist-Effekt als eine Art Gleitschicht für die Blutkörperchen.
In größeren Gefäßen ist der plasmatische Randstrom zu vernachlässigen, da er nur einen geringen Anteil des Gefäßquerschnitts beansprucht. Nur in prä- und postkapillaren Gefäßen mit geringem Querschnitt macht er einen bedeutenden Teil aus.
Funktion & Aufgabe
Die Leukozyten sind die größten Bestandteile des Bluts. Sie befinden sich nach der Migration in der unmittelbaren Mitte des Axialstroms. Etwas peripherer davon bewegen sich die Erythrozyten fort. Noch weiter in der Peripherie bewegen sich die Thrombozyten. In Gefäßen mit kleinem Durchmesser entsteht so bei normaler Blutströmung ein Randstrom aus reinem Plasma, der kaum Blutkörperchen enthält.
Der Blutfluss wird von Gesetzen der Hämodynamik bestimmt. Dazu zählen das Darcy-Gesetz und das Hagen-Poiseuille-Gesetz. Aus diesem Grund hängt das Strömungsverhalten von Blut vor allem von Blutdruck, Gefäßwiderstand und Blutviskosität ab.
Bei Blut handelt es sich um eine inhomogene Suspension aus Blutplasma und Blutzellen. Die Blutviskosität folgt keiner Konstanz, sondern hängt von der Strömungsgeschwindigkeit ab und nimmt bei langsamer Blutströmung zu. Gerade die Erythrozyten des Bluts neigen bei geringen Scherraten zur Aggregatbildung. Sobald das Blut eine schnellere Strömungsgeschwindigkeit erreicht, brechen die Aggregate auf. Auf diese Weise entsteht ein nicht-proportionales, sprunghaftes Fließverhalten, das das Blut zu einem nicht-newtonschen Fluid macht.
Relevant ist dieser Zusammenhang erst in den kleineren Gefäßen. In größeren Gefäßen verhält sich das Blut annähernd als Newtonsche Flüssigkeit. Die Randströmung von Blut bleibt in ihrer Geschwindigkeit immer hinter der zentralen Strömung zurück. Zuweilen ist beim Blut auch von einem Doppelströmungsverhalten die Rede, das sich aus der wandnahen Randströmung und der zentralen Strömung zusammensetzt. Die Zusammensetzung von Randstrom und zentralem Blutstrom unterscheidet sich in Abhängigkeit vom Gefäßdurchmesser. Grundsätzlich bewegen sich Thrombozyten eher im Randstrom, wohingegen Leukozyten sich eher in der zentralen Strömung bewegen.
Krankheiten & Beschwerden
Mikrozirkulationsstörungen beeinträchtigen neben der Sauerstoff-auch die Nährstoffversorgung der Gewebe. Die Störungen werden von eingeschränkter Durchblutung oder einem gestörten Stoffaustausch innerhalb der Blutgefäße mit weniger als 100 µm Durchmesser verursacht. Die Mikrozirkulation ist neben den rheologischen Eigenschaften von Blut vor allem vom Blutdruck und letztlich dem Gefäßdurchmesser abhängig. Allerdings sind diese Faktoren störanfällig. Wenn es im venösen System zu einem unzureichenden Abfluss kommt, staut sich das Blut im Kapillarbett zurück und die Durchblutung wird gestört. Auf diese Weise entstehen Mikrozirkulationsstörungen mit einer ungewöhnlichen Strömungsverteilung der Blutkörperchen.
Erkrankungen oder pathologische Phänomene mit symptomatischen Mikrozirkulationstörungen können zum Beispiel akute Entzündungsreaktionen sein. Darüber hinaus treten die Zirkulationsstörungen im Rahmen von pAVK (Periphere Arterielle Verschlusskrankheit), KHK (Koronare Herzkrankheit) und dem tropisches Ulkus bei Insuffizienz der Venen auf.
Dasselbe gilt für Gangrän. Wenn sich im Randstrom des Bluts viele Leukozyten befinden und die Blutströmungsgeschwindigkeit abgesunken ist, bleiben die Leukozyten aus dem Randstrom an den Gefäßwänden haften. Diese Adhäsion ist allerdings reversibel. Sobald die Strömungsgeschwindigkeit wieder zunimmt, werden die Leukozyten von den Wänden der Gefäße abgelöst und weitergeschwemmt.
Ein veränderter Randstrom des Bluts kann auch die Folge aus arteriosklerotischen Veränderungen innerhalb der Gefäße sein. Bei der Arteriosklerose verkalken die Gefäße. Verschiedene Bestandteile lagern sich an den Gefäßwänden ab und engen damit das Lumen der betroffenen Adern immer stärker ein.
Quellen
- Müller-Esterl, W.: Biochemie. Eine Einführung für Mediziner und Naturwissenschaftler. 2. Auflage, Spektrum Akademischer Verlag, München, 2011
- Pschyrembel: Klinisches Wörterbuch. 266. Auflage, de Gruyter, Berlin 2014
- Renz-Polster, H., Krautzig, S. (Hrsg.): Basislehrbuch Innere Medizin. Urban & Fischer, München 2012