Blutviskosität

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 5. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die Blutviskosität entspricht der Zähflüssigkeit des Bluts, die von Parametern wie der Blutzusammensetzung und der Temperatur abhängt. Das Blut verhält sich nicht wie ein Newtonsches Fluid, sondern zeigt eine nicht-proportionale und sprunghafte Viskosität. Pathologische Veränderungen der Viskosität liegen zum Beispiel beim Hyperviskositätssyndrom vor.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Blutviskosität?

Die Blutviskosität entspricht der Zähflüssigkeit des Bluts, die von Parametern wie der Blutzusammensetzung und der Temperatur abhängt.

Die Viskosität gilt als Maß für die Zähigkeit von Flüssigkeiten oder Fluiden. Je höher die Viskosität, desto eher kann von einer dickflüssigen Flüssigkeit gesprochen werden. Eine hohe Viskosität charakterisiert ein Fluid somit als weniger fließfähig. Die Teilchen innerhalb eines viskosen Fluids sind in höherem Maß aneinander gebunden und infolge dessen relativ unbeweglich.

Auch die Fluide des menschlichen Körpers besitzen eine bestimmte Viskosität. Einige von ihnen verhalten sich als Newton-Flüssigkeit und zeigen linear viskoses Fließverhalten. Für das menschliche Blut gilt das nicht. Mit dem Begriff der Blutviskosität ist die Zähigkeit des Blutes assoziiert, das sich anders als andere Körperfluide nicht als Newton-Flüssigkeit verhält und somit nicht durch linear viskoses Fließverhalten gekennzeichnet ist.

Das Fließverhalten von Blut ist vielmehr nicht-proportional und sprunghaft und wird mitunter vom sogenannten Fåhraeus-Lindqvist-Effekt bestimmt. Mit dem Ausdruck des Fåhraeus-Lindqvist-Effekts bezieht sich die Medizin auf das charakteristische Verhalten des Blutes, dessen Viskosität sich in Abhängigkeit vom Gefäßdurchmesser verändert. In Gefäßen mit geringem Durchmesser ist das Blut also weniger viskos, um einer kapillären Stase (Stau) vorzubeugen. Damit ist die Blutviskosität in unterschiedlichen Bereichen des Blutkreislaufes von Viskositätsunterschieden geprägt.

Funktion & Aufgabe

Aufgrund seiner charakteristischen Eigenschaften ist das Blut kein Newtonsches Fluid. Sein nicht-proportionales und sprunghaftes Fließverhalten wird vor allem vom Fåhraeus-Lindqvist-Effekt bestimmt. Der Fåhraeus-Lindquist-Effekt basiert auf der Fluidität und somit der Verformbarkeit von roten Blutkörperchen. Nahe der Gefäßwände entstehen Scherkräfte. Diese Scherkräfte verdrängen die Erythrozyten des Bluts in den sogenannten Axialstrom. Dieser Prozess wird auch als Axialmigration bezeichnet und hat eine zellarme Randströmung zur Folge, bei der der Plasmarandstrom um die Zelle herum als eine Art Gleitschicht für das Blut fungiert und es so fluider wirken lässt. Durch diesen Effekt reduziert sich der Hämatokrit-Einfluss auf den peripheren Widerstand innerhalb von kleineren Gefäßen und der Reibungswiderstand verringert sich.

Neben dem Fåhraeus-Lindquist-Effekt bestimmten viele weitere Parameter die Blutviskosität. Die Zähflüssigkeit des menschlichen Blutes hängt so zum Beispiel vom Hämatokrit, von der Erythrozyten-Verformbarkeit, der Erythrozytenaggregation, der Plasmaviskosität und der Temperatur ab. Auch die Strömungsgeschwindigkeit hat einen Einfluss auf die Viskosität.

Mit der Blutviskosität beschäftigen sich die Viskosimetrie und die Hämorheologie. Die Viskosimetrie ermittelt die Viskosität von Flüssigkeiten anhand des je temperatur- und druckabhängigen Fließvermögens, des Widerstands und der inneren Reibung. Die Viskosität des Plasmas lässt sich mittels Kapillarviskosimeter messen. Zur Ermittlung der Blutviskosität muss dagegen das Einwirken von Scherkräften Beachtung finden. Die Hämorheologie entspricht den Fließeigenschaften von Blut, die von Parametern wie dem Blutdruck, dem Blutvolumen, dem Herzminutenvolumen und der Blutviskosität ebenso abhängen wie von der Gefäßelastizität und der Lumengeometrie. Die Abänderung dieser einzelnen Parameter steuert die Durchblutung der Gewebe und Organe so an, dass ihr Bedarf an Nährstoffen und Sauerstoff idealerweise optimal gedeckt ist.

Die Steuerung des Strömungsverhaltens obliegt vor allem dem vegetativen Nervensystem. Die Blutviskosität steht mit dem Strömungsverhalten des Bluts in Wechselwirkung und verändert sich damit ebenso, um eine optimale Nährstoff- und Sauerstoffversorgung der Gewebe zu sichern.

Effekte wie die Erythrozytenaggregation sind damit letztlich zur Blutversorgung der Gewebe erforderlich. Unter dieser Aggregation versteht die Medizin die Zusammenballung roter Blutkörperchen, die aufgrund von Anziehungskräften zwischen Erythrozyten entsteht und bei langsamer Flussgeschwindigkeit des Blutstroms wirken. Die Erythrozytenaggregation bestimmt wesentlich die Blutviskosität.


Krankheiten & Beschwerden

Da zwischen der Viskosität, der Fließdynamik und der Versorgung von Körpergeweben mit Nähr- und Sauerstoff ein enger Zusammenhang besteht, können Störungen der Blutviskosität gravierende Folgen auf den gesamten Organismus haben. Eine Störung der Blutviskosität liegt zum Beispiel dem Hyperviskositätssyndrom zugrunde. Dieser klinische Komplex aus Symptomen zeichnet sich durch eine Erhöhung der Paraproteinkonzentration im Blutplasmas aus. Dadurch erhöht sich die Viskosität des Blutes und das Fließvermögen ist herabgesetzt.

Die Viskosität des Blutes hängt von den physikalischen und chemischen Eigenschaften innerhalb des Fluids ab und verändert sich dementsprechend mit jeder abnormen Konzentration seiner Einzelbestandteile. Das Hyperviskositätssyndrom zeichnet so zum Beispiel den Morbus Waldenström aus. Bei dieser Erkrankung steigt die IgM-Konzentration im Blut. Das IgM ist ein großes Molekül aus Y-förmigen Einheiten und reicht in einer Plasmakonzentration von 40 g/l zur Entstehung eines Hyperviskositätssyndroms aus.

Das Hyperviskositätssyndrom aufgrund von Paraproteinen zeichnet außerdem maligne Erkrankungen aus, so zum Beispiel das multiple Myelom. Bei einigen gutartigen Erkrankungen kann das Syndrom ebenfalls vorliegen, so speziell beim Felty-Syndrom, im Rahmen eines Lupus erythematodes oder bei der rheumatoiden Arthritis.

Auch mit Erscheinungen wie Thrombosen ist eine erhöhte Viskosität des Blutes assoziiert. In den meisten Fällen hängen Thrombosen außerdem mit einer Veränderung der Fließgeschwindigkeit oder veränderter Blutzusammensetzung zusammen. Verminderte Fließgeschwindigkeit kann zum Beispiel im Rahmen einer Immobilisierung vorliegen, so vor allem bei bettlägrigen Patienten.

Auch mit Erkrankungen der Erythrozyten kann eine abnorme Blutviskosität assoziiert sein. Im Rahmen der Sphärozytose werden zum Beispiel kugel- statt scheibenförmige Erythrozyten hergestellt. Diese Formveränderung zeigt Auswirkungen auf die Blutviskosität, da die Erythrozyten in dieser Form nicht mehr alle notwendigen Eigenschaften besitzen.

Quellen

  • Deschka, M.: Laborwerte A-Z. Kohlhammer, Stuttgart 2011
  • Ferlinz, R. (Hrsg.): Internistische Differentialdiagnostik. Thieme, Stuttgart 1999
  • Gerok, W., Huber, C., Meinertz, T., Zeidler, H. (Hrsg.): Die innere Medizin – Referenzwerk für den Facharzt. Schattauer, Stuttgart 2007

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