Gelotophobie

Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer. nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. April 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
Sie sind hier: Startseite Krankheiten Gelotophobie
Die Gelotophobie ist eine Angststörung aus dem Bereich der sozialen Phobien. Die Betroffenen haben abnormale Angst davor, von anderen ausgelacht zu werden und ziehen sich deshalb sozial zurück.
Inhaltsverzeichnis |
Was ist eine Gelotophobie?

© Christian Schwier – stock.adobe.com
Phobien sind psychische Erkrankungen, die durch Angstzustände gekennzeichnet sind. Die Patienten leiden an unnatürlich extremen Ängsten vor bestimmten Situationen, bestimmten Lebewesen oder Objekten. In der deutschen Fachliteratur ist bei Phobien auch von Angststörungen die Rede. Um eine Phobie näher zu charakterisieren, wird dem griechischen Lehnwort das angstauslösende Phänomen vorangestellt.
Bei der Gelotophobie handelt es sich dementsprechend um übermäßige Angst vor lachenden (gélōs - lachen) Menschen. Patienten mit Gelotophobie fürchten sich irrational davor, von anderen Personen ausgelacht zu werden. Damit zählt die Gelophobie zum Angststörungsbereich der sozialen Phobie. Die Lebensqualität von sozialen Phobikern ist aufgrund des sozialen Meideverhaltens eingeschränkt.
Bei Gelotophobikern bestehen weitere Einschränkungen. Die Patienten können Humor, Heiterkeit und Lachen nicht für ihre Lebenshaltung nutzen, da sie in jedem Lachen eine Bedrohung erkennen. Michael Titze führte den Begriff Gelotophobie 1995 ein und beschrieb damit Menschen, die sich selbst in globaler Weise als lächerlich einschätzen und daher in jedem Lachen ihrer Sozialpartner eine Herabwürdigung der eigenen Person erkennen.
Ursachen
Die Ursachen für eine Gelotophobie können von Fall zu Fall stark variieren. Prinzipiell liegt der Angststörung aber meist ein Ereignis zugrunde, das den Selbstwert der Patienten stark beeinträchtigt hat. Die meisten Patienten der Gelotophobie entwickeln in der eigenen Kindheit die primäre Art von Scham, die der Erkrankung zugrunde liegt.
In vielen Fällen ergibt sich das Schamgefühl aus Desinteresse oder emotionaler Kälte, die einem Kind von Seiten seiner Bezugspersonen begegnet. An die Primärschambildung schließen sich für die meisten Patienten wiederholt traumatische Erfahrungen an, die von spöttischem, hänselndem oder verlachendem Lachen geprägt sind. Je öfter der Betroffene auf spottendes Lachen trifft, desto mehr verändert sich seine Wahrnehmung.
Wahrnehmungsbereiche sind grundsätzlich selektiv. Erwartungen prägen die Wahrnehmung einer Situation ebenso stark wie vorausgegangene Erfahrungen. Der Betroffene nimmt in gewisser Weise nur auf, was er wahrnehmen möchte oder wahrzunehmen erwartet. Da Patienten mit Gelotophobie in der Vergangenheit vermehrt mit spöttischem Lachen konfrontiert waren, erwarten sie bald in jedem Lachen Spottcharakter.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Menschen mit Gelotophobie haben Furcht davor, ausgelacht zu werden. Sie zeigen soziales Vermeidungsverhalten, um sich in der Öffentlichkeit nicht lächerlich zu machen. Humorvolle Äußerungen aus ihrem Umfeld bewerten sie paranoid.
Mit anderen Menschen können die Betroffenen kaum oder überhaupt nicht humorvoll oder fröhlich umgehen. Die Patienten bewerten sich selbst und den eigenen Körper extrem kritisch und halten häufig auch ihre verbale und non-verbale Kommunikationskompetenz für unterdurchschnittlich. Ihr negativer Selbstwert lässt die Patienten Minderwertigkeitsgefühle entwickeln.
Die Tendenz zum direkten Vergleich mit anderen lässt die Betroffenen Neid empfinden. Durch das Vermeidungsverhalten degenerieren die sozialen Kompetenzen der Patienten immer weiter. Oft kommen psychosomatische Symptome wie Spannungskopfschmerz, Zitteranfälle, Schwindel, Erröten oder Sprachstörungen hinzu.
Lachen bewirkt in den Patienten oft eine Aggression, die bis hin zum emotionalen Kontrollverlust reichen kann. Die Gelotophobie kann sich auch in Form des Pinocchio-Syndroms manifestieren. In diesem Fall erstarren die Patienten, wann auch immer sie jemanden lachen hören.
Diagnose
Die Diagnose der Gelotophobie stellen Psychologen. Unterschiedliche Bestimmungsmerkmale werden im ICD-10 aufgeführt, darunter vor allem soziales Meideverhalten und die Unfähigkeit zur humorvollen Interaktion. Die Einschätzung der Gelotophobie erfolgt per Fragebogen. Die entsprechenden Bögen enthalten neben Fragen und Antworten auch bildliche Instrumentarien wie Cartoons mit lachendem Menschen.
Die Probanden schätzen anhand dieser Bilder ein, was der Situation vorausgegangen ist und was ein Beobachtender empfinden könnte. Die Feindiagnostik der Gelotophobie entspricht einer Ursachenklärung. Diese Ursachenklärung kann nur im direkten Gespräch mit dem Patienten stattfinden.
Komplikationen
Durch die Gelotophobie kommt es zu sehr starken psychischen Beschwerden und weiterhin zu Depressionen. Im schlimmsten Falle kann es durch die Erkrankung auch zu Selbstmordgedanken und schließlich auch zu Selbstmord kommen. Dabei werden sogar nicht ernst gemeinte und humorvolle Aussagen von Freunden und Bekannten als Angriff oder als Beleidigung empfunden.
Es kommt zu sozialen Phobien und nicht selten zu einer sozialen Ausgrenzung. Die Patienten ziehen sich immer stärker zurück und nehmen nicht mehr an sozialen Aktivitäten teil. Dabei kann es aufgrund der Äußerungen auch zu einer Aggressivität oder einer erhöhten Reizbarkeit kommen. Ebenso treten Sprachstörungen oder Schwindelgefühle auf. Der Patient zittert und wird oft rot.
Weiterhin kann auch ein Bewusstseinsverlust auftreten, wenn die Gelotophobie stark ausgeprägt ist. Die Lebensqualität wird durch die Krankheit extrem verringert und es kommt zu erheblichen Einschränkungen im Alltag und im sozialen Leben. Die Behandlung der Gelotophobie erfolgt in der Regel bei einem Psychologen und mit Hilfe von Medikamente.
Dabei kann allerdings nicht vorausgesagt werden, wie lange die Behandlung dauern wird und ob diese wirklich zu einem Erfolg führt. Ebenso kann die Einnahme von Medikamenten zu einem Suchtverhalten führen. Durch die Gelotophobie selbst wird die Lebenserwartung nicht verringert.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Menschen, die unter verstärkten Ängsten leiden, sollten grundsätzlich einen Arzt aufsuchen. Kommt es im Alltag aufgrund der Empfindungen zu einer herabgesetzten Lebensfreude oder einem seelischen Leid, wird Hilfe benötigt. Bei einem sozialen Rückzugsverhalten oder Isolation sollte ein Arztbesuch erfolgen. Nimmt die Teilnahme an Freizeitaktivitäten oder sportlichen Interessen ab, sollte ein Arzt aufgesucht werden. Kommt es zu Schweißausbrüchen, Herzrasen, einem Zittern am gesamten Körper oder innerer Unruhe, wird therapeutische Hilfe benötigt.
Bei einem erhöhten Stresserleben, zwanghaften Gedanken oder einem Vermeidungsverhalten sollte ein Arzt aufgesucht werden. Steigen die Emotionen Schuld und Scham stark an, gilt dies als besorgniserregend. Glaubt der Betroffene, dass alle Menschen seiner Umgebung permanent auf ihn und sein Verhalten fixiert sind, sollte er einen Therapeuten um Rat bitten.
Können die alltäglichen Verpflichtungen nicht mehr erfüllt werden, sinkt das normale Leistungsniveau und ist die Lebensqualität stark eingeschränkt, ist es ratsam, einen Arzt oder Therapeuten aufzusuchen. Bei plötzlichen Sprachstörungen im Kontakt mit anderen Menschen, einer starken Neigung zur spontanen Errötung sowie Anzeichen wie Schwindel, Erbrechen und Übelkeit sollte ein Arzt konsultiert werden. Entstehen innere Aggressionen, der Hang zu Überreaktionen oder leidet der Betroffene unter Wutanfällen, ist ein Arztbesuch erforderlich.
Behandlung & Therapie
Zur Behandlung von Patienten mit Gelotophobie kommen multimodale Therapieformen zum Einsatz. Multimodal heißt in diesem Fall mehrere Richtungen umgreifend. Die einzelnen Richtungen der Behandlung entsprechen bei der Angststörung meist der Tiefenpsychologie, der Pharmakotherapie, der Verhaltenstherapie und der Entspannungstherapie.
Mittels Tiefenpsychologie klärt der Therapeut die biografische Ursache der Phobie und leistet Hilfe bei der Aufarbeitung. Die Ursachenklärung erfolgt in Gesprächssitzungen, wobei das Vertrauen zwischen Patient und Therapeut für eine funktionierende Therapiesitzung allesentscheidend ist. Bei der Verhaltenstherapie stellt der Patient seine eigene Bewertung der angstauslösenden Situationen in Frage.
Er lernt neue Bewertungsmöglichkeiten kennen und erlernt spezielle Verhaltens- und Denkmuster zur Situationsbewältigung. In der konservativ medikamentösen Pharmakotherapie gibt der Therapeut dem Patienten, wenn unbedingt erforderlich, Anxiolytika, Antidepressiva, Betablocker oder Johanniskraut. Bei dieser Art der Therapie handelt es sich um eine rein symptomatische Therapie, die nicht an der Ursache der Erkrankung ansetzt und damit als Einzelverfahren keine vollständige Heilung erzielen kann.
Aufgrund der Nebenwirkungen und des Suchtpotenzial einzelner Beruhigungsmittel werden die Medikamente grundsätzlich nur solange gegeben, wie sie zur Arbeit mit dem Patienten dringend benötigt werden. Eine schonendere Alternative sind Entspannungstechniken, die der Patient vor und in einer angstbesetzten Situation anwenden kann. Zu diesen Techniken zählt neben autogenes Training die Muskelentspannung.
Aussicht & Prognose
Die Gelotophobie kann in der Regel gut behandelt werden. Geschieht dies frühzeitig, können die Beschwerden und Symptome im Laufe von Monaten oder Jahren oft gänzlich behoben werden. Zwar verspüren viele Patienten ein Leben lang paranoide Momente, diese können durch eine medikamentöse Therapie jedoch ebenfalls gelindert werden. Durch eine Verhaltenstherapie sind auch die Ursachen der Beschwerden relativ gut zu beheben.
In schweren Fällen bleibt die Gelotophobie ein Leben lang bestehen. Dann entwickeln sich weitere psychische Beschwerden, allen voran eine ausgeprägte Paranoia sowie depressive Verstimmungen. Bei einem solch schweren Verlauf, welcher meist auf tieferliegende seelische Leiden und eine fehlende oder unzureichende Behandlung zurückzuführen ist, ist die Prognose eher schlecht.
Die Lebensqualität der Betroffenen ist erheblich eingeschränkt. Meist sind die Erkrankten nicht mehr in der Lage, sich ohne Ängste in der Öffentlichkeit zu bewegen. Sie ziehen sich schließlich komplett aus dem sozialen Leben zurück, wodurch die Krankheitszeichen noch verstärkt werden.
Eine ausgeprägte Gelotophobie kann nur noch symptomatisch behandelt werden. Die Erkrankten erhalten dann eine medikamentöse Behandlung, welche die Symptome abschwächt. Allerdings ist der Einsatz von Antidepressiva und Beruhigungsmitteln mit ernsten Neben- und Wechselwirkungen verbunden.
Vorbeugung
Da eine Gelotophobie meist erst durch ein traumatisierendes Ereignis in der Jugend oder im Erwachsenenalter gefestigt wird, kann eine psychotherapeutische Intervention unmittelbar nach den entsprechenden Ereignissen die volle Manifestation der Erkrankung verhindern. Wird eine ursächliche Situation wie Mobbing gemeinsam mit einem Therapeuten zeitnah aufgearbeitet, entwickelt sich oft zumindest keine ausgereifte Gelotophobie.
Nachsorge
Bei einer Gelotophobie sind die Möglichkeiten zur Nachsorge in den meisten Fällen sehr stark eingeschränkt. Dabei kann auch eine vollständige Heilung der Erkrankung nie garantiert werden, sodass Betroffene primär auf die Behandlung der Erkrankung durch einen Arzt angewiesen sind, um weitere Komplikationen und Beschwerden zu verhindern. In den meisten Fällen wird die Gelotophobie mit Hilfe eines Psychologen und einer Verhaltenstherapie behandelt.
Dabei kann eine vollständige Heilung nicht garantiert werden. Im Allgemeinen wirken sich eine frühe Diagnose und Behandlung der Erkrankung sehr positiv auf den weiteren Verlauf der Krankheit aus. In einigen Fällen sind die Patienten auch auf die Einnahme von Medikamenten angewiesen. Dabei ist auf eine regelmäßige Einnahme erforderlich, wobei auch mögliche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten zu beachten sind.
Bei einer Gelotophobie ist auch eine Behandlung durch Möglichkeiten der Selbsthilfe möglich, wobei diese Behandlung in der Regel auch keine vollständige Heilung garantieren kann. Die Unterstützung durch Freunde und die Familie sind bei dieser Krankheit sehr wichtig und sinnvoll. Auch der Kontakt zu anderen Betroffenen der Gelotophobie kann dabei sinnvoll sein, da es dabei nicht selten zu einem Austausch an Informationen kommt.
Das können Sie selbst tun
Personen mit Gelotophobie müssen die Angst vor dem Auslachen therapeutisch behandeln lassen. Die in der Verhaltenstherapie erlernten Strategien können im Alltag und Beruf trainiert werden und helfen den Betroffenen, die Ängste langsam zu überwinden. Maßnahmen wie eine Ernährungsumstellung, Sport oder ein neues Hobby tragen zu einer höheren Lebensqualität bei und können die Gelotophobie-Therapie positiv beeinflussen.
Wenn das eigene Kind von einer Gelotophobie betroffen ist, müssen die Eltern auch auf sich selbst schauen. Womöglich wurden in der Vergangenheit Erziehungsfehler gemacht oder das Kind konnte aus anderen Gründen nicht genug Selbstvertrauen aufbauen. Wichtig ist vor allem, keinen Druck auf das Kind auszuüben, wenn es zum Beispiel wenig Zeit mit Schulkameraden verbringt oder sich im Alltag ungewöhnlich verhält.
Welche Maßnahmen im Genauen zu ergreifen sind, kann aufgrund der Komplexität einer Angststörung und deren Ursachen nur ein Fachmann beantworten. Betroffene Kinder sollten unbedingt eine Verhaltens- oder Entspannungstherapie in Anspruch nehmen.
Nachdem die Ängste aufgearbeitet wurden, empfiehlt sich ein Schulwechsel. Zwar wird die Gelotophobie dadurch nicht gelindert, allerdings wird dem Kind die Chance für einen Neuanfang geboten.
Quellen
- Dilling, H., Mombour, W., Schmidt, M.H.(Hrsg.): Internationale Klassifikation psychischer Störungen – ICD 10, Kapitel V (F), klinisch-diagnostische Leitlinien. Huber, Bern 2011
- Lieb, K., Frauenknecht, S., Brunnhuber, S.: Intensivkurs Psychiatrie und Psychotherapie. Urban & Fischer, München 2015
- Morschitzky, H.: Angststörungen – Diagnostik, Konzepte, Therapie, Selbsthilfe. Springer, Wien 2009