Hämoglobinsynthese
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 16. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Die Hämoglobinsynthese setzt sich aus der Hämsynthese und der Globinsynthese zusammen. Zum Abschluss kommt es zur Verknüpfung der prosthetischen Hämgruppe mit jeweils vier Globinen zu dem eisenhaltigen Proteinkomplex Hämoglobin. Sowohl Störungen bei der Hämsynthese als auch bei der Globinsynthese können zu schwerwiegenden gesundheitlichen Problemen führen.
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Was ist die Hämoglobinsynthese?
Zum Verständnis der Hämoglobinsynthese ist zunächst die Kenntnis des Hämoglobinaufbaus notwendig. Hämoglobin ist ein eisenhaltiger Proteinkomplex, welcher aus vier Untereinheiten von Globin mit jeweils einer prosthetischen Hämgruppe besteht.
Im adulten Hämoglobin des Menschen gibt es sowohl zwei identische Alphaglobine als auch zwei identische Betaglobine als Untereinheiten. Jede dieser Untereinheit ist an eine prosthetische Hämgruppe gebunden, welche aus einem Porphyrin-Eisen-II-Komplex besteht. Somit enthält ein Hämoglobinkomplex jeweils vier Hämgruppen.
Jede Hämgruppe kann in Abhängigkeit von der chemischen Umgebung ein Sauerstoffmolekül komplex an das Eisen-II-Ion binden. Je nachdem, wie viele Hämgruppen mit Sauerstoff beladen sind, wird von Oxyhämoglobin (sauerstoffreich) oder Deoxyhämoglobin (sauerstoffarm) gesprochen.
Das Eisen-II-Ion befindet sich in der Mitte des Porphyrinrings. Seitlich dazu besteht eine Komplexbindung an den Histidinrest des Globins. Zur anderen Seite kann je nach Energiezustand des Eisenions ein Sauerstoffmolekül komplex gebunden sein. Der Energiezustand wird durch äußere physikalische und chemische Bedingungen aufgrund von Konformationsänderungen des Globins beeinflusst.
Funktion & Aufgabe
Ausgangsstoffe für den Porphyrinring der Hämgruppe sind die Aminosäure Glyzin und Succinyl-CoA. Succinyl-CoA setzt sich aus Coenzym A und Bernsteinsäure zusammen. Bernsteinsäure ist ein Zwischenprodukt beim Abbau von energiereichen Ketonkörpern im Rahmen des Energiestoffwechsels. Mithilfe des Enzyms Delta-Aminolävulinsäuresynthase wird aus Succinyl-CoA und Glyzin Deltaaminolävulinsäure synthetisiert. Unter Abspaltung eines Moleküls Wasser kondensieren zwei Moleküle Deltaaminolävulinsäure zu dem Pyrrolderivat Porphobilinogen. Unter Abspaltung von Ammoniak und mithilfe des Enzyms Uroporphyrinogen-I-Synthetase reagieren vier Moleküle Porphobiliogen zu Hydroxymethylbilan. Dieses wird unter Ringbildung in Uroporphyrinogen III verwandelt.
Durch eine enzymatische Decarboxylierung und Dehydrierung in den Mitochondrien entsteht Protoporphyrin. Mit dem Enzym Ferrochelatase wird in dieses Molekül ein Eisen-II-Ion unter Bildung von Häm eingebaut. Im Zytosol der Zelle wird das Häm mit dem Protein Globin zu dem eisenhaltigen Proteinkomplex Hämoglobin verknüpft.
Die Synthese der einzelnen Globine erfolgt über die normale Eiweißbiosynthese. Wie bereits erwähnt, erhält der adulte Hämoglobinkomplex jeweils zwei identische Untereinheiten aus Alpha- und Betaglobinen. Das fertige Hämoglobin hat durch seinen komplexen Aufbau die Fähigkeit entwickelt, Sauerstoff zu transportieren und alle Zellen des Organismus damit zu versorgen.
Die Bindung des zentralen Eisens an Sauerstoff ist jedoch nicht sehr fest und durch äußere chemische und physikalische Faktoren sehr leicht zu beeinflussen. Das befähigt Hämoglobin sowohl zur schnellen Sauerstoffaufnahme als auch zu dessen schneller Abgabe. So ist die Sauerstoffbeladung des Hämoglobins unter anderem von den Faktoren PH-Wert, Kohlendioxid- beziehungsweise Sauerstoffpartialdruck oder auch der Temperatur abhängig. Diese Einflussgrößen ändern beispielsweise die Konformität der Globine, sodass die Sauerstoffbindung über leichte Änderungen der energetischen und sterischen Verhältnisse verstärkt oder abgeschwächt werden kann.
So wird bei einem niedrigen PH-Wert und einem hohen Kohlendioxidpartialdruck die Sauerstoffbindung zum Eisen-II-Ion abgeschwächt und damit die Sauerstoffabgabe begünstigt. Genau unter diesen Bedingungen finden stärkere Stoffwechselumsätze statt, die auch einen erhöhten Sauerstoffbedarf haben. Das Sauerstofftransportsystem ist über die Hämoglobinfunktion daher bestmöglichst mit den körperlichen Bedürfnissen abgestimmt.
Krankheiten & Beschwerden
Es gibt sieben Formen von Porphyrien. Der Aufbau des Häms ist ein achtstufiger Prozess, an welchem sieben Enzyme beteiligt sind. Funktioniert ein Enzym nur unzureichend, kommt es an dieser Stelle der Hämsynthese zur Speicherung der jeweiligen Vorstufe. Aufgrund der Symptome werden die Porphyrien in zwei Hauptgruppen unterteilt. Die sogenannten kutanen Porphyrien zeichnen sich durch eine schmerzhafte Lichtempfindlichkeit der Haut aus. Bei den hepatischen Porphyrien überwiegt die Leberbeteiligung mit starken Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen. Vielfach gibt es jedoch Überschneidungen beider Symptomenkomplexe.
Porphyrien zeigen häufig einen schubweisen Verlauf mit akuten Attacken. Diese äußern sich je nach Porphyrieform in plötzlich schmerzhaften Hautreaktionen, kolikartigen Bauchschmerzen, Übelkeit/Erbrechen, Rotfärbung des Urins, Krampfanfälle, neurologische Ausfälle oder gar Psychosen.
Andere Störungen der Hämoglobinsynthese beziehen sich auf die fehlerhafte Synthese von Globinmolekülen durch Mutationen der entsprechenden Gene. Beispiele sind die sogenannte Sichelzellanämie oder die Thalassämien. Bei der Sichelzellanämie ist das Protein der Beta-Globin-Untereinheit genetisch verändert. An Position sechs dieses Proteins ist die Aminosäure Glutaminsäure durch Valin ersetzt. Bei Sauerstoffmangel verformt sich das betreffende Hämoglobin sichelförmig, verklumpt miteinander und verstopft dabei kleine Blutgefäße. Dabei entstehen lebensbedrohliche Durchblutungsstörungen. Thalassämien sind eine Gruppe unterschiedlicher Hämoglobinfehlbildungen, die zu einer verminderten Globinkettenbildung von Alpha- oder Betaglobin führen. Als wichtigstes Symptom tritt eine schwere Anämie auf.
Quellen
- Arasteh, K., et. al.: Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
- Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
- Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013