Immunologisches Gedächtnis

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 9. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Das immunologische Gedächtnis setzt sich aus T- und B-Gedächtniszellen zusammen und stellt dem Immunsystem spezifische Informationen über bestimmte Erreger zur Verfügung. So kann das Abwehrsystem Krankheiten nach der Erstinfektion effektiver und schneller bekämpfen. Bei Autoimmunerkrankungen sind vermutlich fehlerhafte Informationen im immunologischen Gedächtnis gespeichert.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das immunologische Gedächtnis?

Als immunologisches Gedächtnis werden die T-Gedächtniszellen und die B-Gedächtniszellen des Immunsystems zusammengefasst. Speziell die weißen Blutkörperchen (Leukozyten) und ihre Untergruppe, die Lymphozyten, übernehmen im Organismus höherer Lebewesen immunologische Funktionen.

Als immunologisches Gedächtnis werden die T-Gedächtniszellen und die B-Gedächtniszellen des Immunsystems zusammengefasst. Speziell die weißen Blutkörperchen (Leukozyten) und ihre Untergruppe, die Lymphozyten, übernehmen im Organismus höherer Lebewesen immunologische Funktionen.

Bei T- und B-Gedächtniszellen handelt es sich um spezialisierte Untergruppen der T- und B-Lymphozyten. Sowohl B-, als auch T-Lymphozyten sind zur Bildung von Antikörpern in der Lage und zählen mit zum adaptiven Immunsystem, das mit humoralen und zellulären Immunantworten auf körperfremde Antigene reagiert.

Aktiviert werden B- oder T-Zellen beim ersten Kontakt mit einem spezifischen Antigen. Daraufhin stirbt ein Großteil von ihnen ab. Die verbliebenen Zellen können sich zu Gedächtniszellen entwickeln. Bei erneutem Kontakt mit dem Antigen werden sie mit sofortiger Wirkung aktiviert und "erinnern" sich an das jeweilige Antigen. Sie lösen so in kürzester Zeit die erlernte Immunreaktionen aus, die den Ausbruch einer Infektion verhindern.

Erste Spekulationen über die Existenz eines immunologischen Gedächtnisses gab es im 19. Jahrhundert, als auf den Färöer-Inseln eine Masernepidemie ausbrach und ein Schutz vor einer Neuerkrankung beobachtet werden konnte.

Funktion & Aufgabe

Immunreaktionen sind entweder humoral oder zellulär. Krankheitserreger im Blut oder in der Lymphe lösen humorale Immunantworten aus. In den Körperflüssigkeiten sind zur Bekämpfung von Antigenen Plasmaproteine in Form von Immunglobulinen vorhanden. Die zelluläre Immunantwort wird nicht über Immunglobuline, sondern speziell über T-Lymphozyten gesteuert. Sie bewegen sich im Blut und in der Lymphflüssigkeit fort und docken mit ihren Rezeptoren an antigenrepräsentierende Zellen an, um den Zelltod auszulösen.

Die Aktivierung von T- und B-Zellen durch den Kontakt mit einem Krankheitserreger verwandelt sie in Gedächtniszellen. B-Gedächtniszellen bilden also den Informationsspeicher für die Antikörperbildung gegen Krankheiten, an denen ein Organismus zuvor bereits erkrankt ist. Jede humorale Immunantwort aktiviert B-Zellen, die geeignete Antikörper zur Bekämpfung auf ihrer Oberfläche tragen. Die B-Zellen teilen sich nach der Aktivierung. Ein Teil der Zellen wird zu Plasmazellen. Die übrigen B-Zellen verwandeln sich in B-Gedächtniszellen. Wenn der Körper wieder mit dem Pathogen in Kontakt gerät und eine humorale Immunantwort gefordert ist, wandeln sich B-Gedächtniszellen mit rasender Geschwindigkeit in Plasmazellen um. Noch bevor eine Infektion ausbricht, wird so eine Antikörperreaktion ausgelöst.

Im Hinblick auf die T-Zellen findet ein ähnlicher Prozess statt. Durch die Stimulation des Immunsystems mit einem Antigen verzehnfachen bis verhundertfachen sich spezifische T-Zellen. Die meisten der T-Zellen besitzen nur eine geringe Lebensdauer und sterben nach einer Immunantwort den vorprogrammierten Zelltod. Rund fünf Prozent der Zellen überleben die Immunantwort. Diese Zellen verwandeln sich in langlebige Gedächtniszellen und sichern eine rasante Immunantwort nach abermaligem Kontakt mit dem Antigen.

Das immunologische Gedächtnis des Menschen speichert also Informationen über spezifische Erreger und stellt sie dem Organismus zur Verfügung. Von eosinophilen Granulozyten werden die Gedächtniszellen beim Überleben unterstützt. Somit ist das Immunsystem lernfähig, adaptiv und daher effektiver. Die gespeicherten Informationen im immunologischen Gedächtnis stehen dem Abwehrsystem des Organismus wegen der Langlebigkeit der Gedächtniszellen über mehrere Dekaden hinweg zur Verfügung.


Krankheiten & Beschwerden

Autoimmunerkrankungen ankern in Fehlfunktionen und Fehlinformationen, die im immunologischen Gedächtnis gespeichert sind. Bei Rheuma, Multipler Sklerose oder der Darmerkrankung Morbus Crohn bekämpft der Körper daher sich selbst. Bei einem gesunden Menschen erkennt das Immunsystem bestimmte Erreger dank des immunologischen Gedächtnisses als fremd und weiß genau, welche Antikörper es zur Bekämpfung aussenden muss. Bei Autoimmunerkrankungen gelingt dem Immunsystem die Unterscheidung von Fremdstoffen und körpereigenen Stoffen nicht mehr. Daher werden Antikörper gegen körpereigenes Gewebe ausgesandt.

Bisher gelten Autoimmunerkrankungen als unheilbar. Mit Medikamenten wie Immunsuppressiva lassen sich die zerstörerischen Attacken gegen körpereigenes Gewebe unterdrücken, hinauszögern oder zumindest abschwächen.

Das immunologische Gedächtnis hat seinen Hauptsitz im Knochenmark, wo die Gedächtnis-Plasmazellen hergestellt werden und jahrelang überleben. Ein relativ neuer Ansatz zur Heilung von Autoimmunerkrankungen wird mit der Entfernung der eosinophilen Granulozyten aus dem Knochenmark diskutiert. Da die Granulozyten die Gedächtniszellen beim Überleben unterstützen, würde ihre Entfernung die Zellen in den Tod treiben.

Die Regulierung eines überaktiven Immunsystems durch die zeitweise Entfernung der Granulozyten aus dem Knochenmark könnte das immunologische Gedächtnis löschen, das die Autoimmunerkrankung ausmacht. Erfahrungen an Krebspatienten mit zusätzlichen Autoimmunerkrankungen zeigen, dass sich das immunologische Gedächtnis tatsächlich löschen lässt. Durch Chemotherapie wurde ihr gesamtes Immunsystem zerstört. Mit der Transplantation eigener Stammzellen konnte es wieder aufgebaut werden. In einer Mehrzahl der Fälle war ihr immunologisches Gedächtnis daraufhin gelöscht und sie hatten ihre Autoimmunerkrankung überwunden.

Trotz der Erfolge dieser Therapiemöglichkeit ist eine Löschung des immunologischen Gedächtnisses vorübergehend mit einem hohen Infektionsrisiko verbunden und daher nicht für die Masse zugelassen. In Zukunft lässt sich eventuell jedoch mit subtilen Methoden nach bestimmten Gedächtniszellen im Körper suchen, die gezielt ausgeschaltet werden können.

Quellen

  • Braun, J., Dormann, A .J.: Klinikleitfaden Innere Medizin. Urban & Fischer, München 2013
  • Murphy, K., Travers, P., Walport, M.: Janeway – Immunologie. Spektrum, Heidelberg, 2010
  • Pschyrembel: Klinisches Wörterbuch. 266. Auflage. De Gruyter, Berlin 2015

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