Leriche-Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 4. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Beim Leriche-Syndrom handelt es sich um eine Gefäßerkrankung, bei der es zum Verschluss der Bauchaorta unterhalb des Abgangs der Nierenarterien kommt. Man unterscheidet eine chronische und eine akute Form des Leriche-Syndroms. Die akute Variante stellt eine lebensbedrohliche Komplikation dar und erfordert eine gefäßchirurgische Notoperation.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Leriche-Syndrom?

Bei einigen Patienten stellt sich eine erektile Dysfunktion ein, die zeitweilig oder dauerhaft auftreten kann.
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Laut ICD-10-Kriterien ist das Leriche-Syndrom definiert als Atherosklerose beziehungsweise Embolie oder Thrombose der Bauchaorta (Aorta abdominalis) distal des Abgangs der Nierenarterien.

Da der Verschluss kurz vor der Aufgabelung der Aorta in die Beckengefäße erfolgt, spricht man auch vom Aortenbifurkationssyndrom. Benannt wurde das Krankheitsbild nach dem französischen Chirurgen René Leriche (1979-1955). Durch den arteriellen Verschluss kommt es zur Minderperfusion der unteren Körperhälfte.

Bildet sich die Gefäßverengung schleichend über einen längeren Zeitraum hinweg aus, so entsteht meist ein arterieller Umgehungskreislauf, der zwar mit Minderdurchblutung einhergeht, aber nicht akut lebensbedrohlich ist. Ein akutes Leriche-Syndrom stellt hingegen eine gefährliche Notfallsituation dar.

Ursachen

Verantwortlich für ein chronisches Leriche-Syndrom ist meist Arteriosklerose, d. h. eine degenerative Verdickung der Gefäßwand durch Fetteinlagerung, Kalk und Bindegewebswucherung. Seltener liegt die Ursache in einer Gefäßentzündung (Vaskulitis).

Ein akuter Verschluss entsteht durch ein Blutgerinnsel, das sich entweder in der Bauchaorta bildet oder (weitaus häufiger) hierhin verschleppt wird. Betroffen sind häufig Herzerkrankte, bei denen ein Embolus aus dem Herzen verschleppt wird. Insbesondere Patienten mit künstlicher Herzklappe oder Herzrhythmusstörungen sind gefährdet.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Ein chronisches Leriche-Syndrom äußert sich in erster Linie durch ein schnelles Ermüden der Beine, oft verbunden mit Empfindungsstörungen, Durchblutungsstörungen und/oder Lähmungen in den Gliedern. Bei einigen Patienten stellt sich eine erektile Dysfunktion ein, die zeitweilig oder dauerhaft auftreten kann. Auch Blasen- und Darmfunktionsstörungen können auftreten, wobei die Beschwerden in ihrer Art und Ausprägung stark variieren.

Einige Erkrankte verspüren kaum Beschwerden, während andere infolge der Erkrankung dauerhaft ans Bett oder an einen Rollstuhl gefesselt sind. Äußerlich kann das Leriche-Syndrom an der dunkelvioletten Färbung der Oberschenkel erkannt werden. Die Haut der Betroffenen ist meist blass und fühlt sich im betroffenen Bereich heiß an. Aufgrund der spinalen Ischämie kommt es oft zu neurologischen Komplikationen.

Dann können die Beine nicht mehr vollständig gestreckt werden oder geben bei körperlicher Anstrengung nach. Im weiteren Verlauf kann das chronische Leriche-Syndrom auch Beschwerden an den Knorpeln hervorrufen. Erfolgt keine Behandlung, nehmen die genannten Krankheitszeichen an Intensität zu und führen in 30 bis 50 Prozent der Fälle zum Tod des Patienten. In aller Regel bleiben bei einer unbehandelten Erkrankung Spätfolgen zurück, die den Betroffenen ein Leben lang einschränken.

Diagnose & Verlauf

Anzeichen für ein chronisches Leriche-Syndrom sind schnelles Ermüden der Beine, schwache bis fehlende Leistenpulse, Potenzstörungen, Schmerzen und Kältegefühle in den Beinen sowie blasse oder bläuliche Hautveränderungen.

Auch Blasen- und Darmfunktionen können gestört sein. Zur Diagnostik des akuten Leriche-Syndrom werden die sogenannten 6 P-Symptome nach Pratt herangezogen: pain (Schmerz), pulselessness (Pulslosigkeit), pallor (Blässe), parasthesia (Empfindungsstörung), paralysis (Lähmung), prostration (Schock). Typisch sind plötzlich auftretende Schmerzen in beiden Beinen und beidseitig fehlende Bein- und Fußpulse.

Wegen der spinalen Ischämie können auch neurologische Komplikationen auftreten. Apparativ kann die Diagnose durch Ultraschalldopplermessung, farbkodierte Duplexsonografie und/ oder Kernspin-Angiografie gesichert werden.

Komplikationen

In der Regel kann es bei Lerisch-Syndrom zu Einschränkungen und Beschwerden kommen, die jedoch von dem individuellen Therapieverlauf abhänging sind. In den meisten Fällen verläuft die Behandlung - oft in Form einer Operation - positiv, was der Tatsache geschuldet ist, dass die Krankheit aufgrund ihrer chronischen Form meist früh erkannt wird und entsprechend vorsorglich therapiert werden kann. Anders verhielte es sich, wenn es sich um einen Notfall handeln würde, wo schnelles Handeln gefragt und Zeit für Lösungen nur begrenzt vorhanden ist.

Dennoch sind die üblichen Beschwerden, die sich nach einer Operation einstellen können, möglich wie etwa Nachblutungen oder Infektionen. Mitunter kann es zu Wassereinlagerungen kommen, in seltenen Fällen kann sich aufgrund der andauernden Durchblutungsstörung ein Postischämisches Syndrom entwickeln. Je nach Größe kann dies in bestimmten Teilen des Körpers lebensbedrohliche Ausmaße haben.

Sollte der Genesungsprozess wider erwarten ungünstig verlaufen, kann dies bei den betroffenen Personen zu einem verringerten Selbstwertgefühl oder auch zu Minderwertigkeitskomplexen führen, die im schlimmsten Fall in depressive Verstimmungen münden können.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Mit wiederkehrenden Durchblutungsstörungen oder Lähmungen in den Gliedern sollte in jedem Fall zum Arzt gegangen werden. Personen, die Empfindungsstörungen bemerken oder plötzlich an einer erektilen Dysfunktion leiden, sollten ebenfalls medizinischen Rat einholen. Das Symptombild deutet auf das Leriche-Syndrom hin, welches rasch abgeklärt und behandelt werden muss. Eine violette Verfärbung des Oberschenkels deutet auf eine Erkrankung hin, die sofort diagnostiziert und gegebenenfalls behandelt werden muss.

Erkrankte, die als Folge des Leidens bettlägerig sind, müssen sich regelmäßig ärztlich untersuchen lassen. Eine engmaschige medizinische Versorgung verhindert Durchblutungsstörungen, wunde Stellen und andere für eine Bettlägerigkeit typische Beschwerden. Wer an Arteriosklerose leidet, ist besonders anfällig für die Entstehung des Leriche-Syndroms, und sollte deshalb enge Rücksprache mit dem zuständigen Arzt halten. Wenn beschriebene Anzeichen auftreten, muss dies noch in derselben Woche abgeklärt werden. Patienten mit künstlicher Herzklappe oder einer chronischen Herzkrankheit sind ebenfalls gefährdet. Sie sollten umgehend den Hausarzt, einen Internisten oder einen Kardiologen aufsuchen und die Symptome untersuchen lassen.

Behandlung & Therapie

Für die Wahl der Therapie muss zwischen chronischem und akutem Leriche-Syndrom differenziert werden. Beide Formen werden gefäßchirurgisch behandelt. Ist ein chronischer arteriosklerotischer Aortenverschluss noch inkomplett, kommt ein Abtragen von Gefäßwandablagerungen mithilfe eines Katheters oder das Aufdehnen und Abstützen der Gefäßwand mittels eines Stents infrage.

Am häufigsten wird beim chronischen Leriche-Syndrom eine Y-Prothese als Bypass von der Bauchaorta zu den Leistenarterien eingebracht. Diese Operation erfordert einen großen Bauchschnitt; da die Patienten mit chronischem Leriche-Syndrom aber optimal vorbereitet in die OP gehen, ist die Prognose dennoch gut. Eine akute Ischämie der unteren Körperhälfte hingegen erfordert einen Noteingriff. Das Zeitfenster für eine erfolgreiche Behandlung beträgt etwa 6 Stunden ab dem Einsetzen der Ischämie.

Meist wird zunächst versucht, das noch frische und weiche Gerinnsel mit einem Embolektomiekatheter zu entfernen. Gelingt dies nicht, muss auch hier ein Y-förmiger Bypass eingesetzt werden. Weil sich der Patient aber meist schon im schlechten Allgemeinzustand befindet, birgt diese Operation ein hohes Risiko.

Zusätzlich können auch nach erfolgreicher Wiederherstellung der Durchblutung Postischämie-Komplikationen auftreten. Postoperativ erfolgt eine Thromboseprophylaxe und eine regelmäßige Kontrolle. Bei etwa 3 % der Bypass-Empfänger kommt es innerhalb der ersten 30 Tage nach der Operation zu einer Verstopfung der Prothese. In der Literatur wird die Letalität des akuten Leriche-Syndroms mit 30 - 50 % angegeben.


Aussicht & Prognose

Die Prognose orientiert sich an dem Verlauf der Erkrankung und dem Allgemeinzustand des Patienten. Beim Leriche-Syndrom muss zunächst das auslösende Gerinnsel entfernt werden. Gelingt dies, klingen die Beschwerden meist rasch ab, ohne dass die betroffene Person weitere Beschwerden zu erwarten hat.

Ist eine operative Behandlung nicht möglich, kann sich die Therapie langwierig gestalten. Der Patient muss verschiedene Maßnahmen ergreifen, um die Symptome bis zur Ermittlung und Entfernung des betroffenen Gerinnsel zu lindern. Gelingt dies, ist auch in diesem Fall die Prognose gut. Bei weniger belastenden Behandlungsformen ist in der Regel auch die Prognose besser. Lässt sich eine Operation vermeiden, kann der Krankheitsverlauf besser gesteuert werden.

In Einzelfällen muss ein Bypass gelegt werden. Dieser kann die Lebensqualität des Betroffenen einschränken, hat auf die Lebenserwartung jedoch keinen Einfluss. Wenn die untere Extremität amputiert werden muss, ist die Prognose schlechter. Wird die Erkrankung frühzeitig behandelt, kann zumindest symptomatisch eine Besserung eintreten. Eine ursächliche Behandlung ist langfristig jedoch wenig erfolgversprechend. Die betroffene Personen erleiden insbesondere bei der chronischen Variante weitere Verkalkungen. Daraus können Gerinnsel der Nierenarterie und andere Beschwerden resultieren.

Vorbeugung

Unter dem chronischen Leriche-Syndrom leiden v. a. Männer ab dem 5.- 6. Lebensjahrzehnt, die starke Raucher sind, unter Stress, Übergewicht und Bluthochdruck leiden, sich schlecht ernähren und wenig bewegen. Vorbeugen kann man durch all jene Maßnahmen, die generell Arteriosklerose entgegenwirken: durch Verzicht auf Zigaretten, gesunde Ernährung (unter besonderer Berücksichtigung gesunder Fette) sowie Ausdauersport und Entspannung. Es empfiehlt sich, Hinweise auf Durchblutungsstörungen der unteren Körperhälfte, z. B. Erektionsstörungen oder schwache und kalte Beine, ernst zu nehmen und frühzeitig abklären zu lassen, um eine Aortenstenose zu behandeln, bevor sie bedrohlich wird.

Nachsorge

Das Leriche-Syndrom ist dadurch gekennzeichnet, dass es vielfach unbemerkt verläuft, aber großen Schaden am Herz-Kreislauf-System und den Gefäßen verursachen kann. Eine konsequente Nachsorge ist daher sehr wichtig. Das bedeutet, dass der Arzt in regelmäßigen Check-ups Blutfettwerte und Funktionsfähigkeit von Herz und Kreislauf untersucht und so negative Veränderungen rasch erkennen kann. Dies kann sowohl der Hausarzt als auch der Internist übernehmen, bei schweren Fällen mit Herzbeteiligung auch der Kardiologe.

Für den Patienten bedeutet Nachsorgen vor allem, einem Verschlechtern der Arteriosklerose durch einen konsequent bedachten Lebensstil vorzubeugen. Die beinhaltet viel Bewegung, eine gesunde Ernährung sowie der Verzicht auf Nikotin und übermäßigen Konsum von Alkohol. Auch sportliche Betätigung gehört daher zur Nachsorge. Die Nachsorgemaßnahmen können auch die Teilnahme an Sportgruppen mit entsprechender Indikation oder eine Ernährungsberatung durch entsprechende geschultes Personal, zum Beispiel von Krankenkassen oder Volkshochschulen, umfassen.

Stress ist ebenfalls ein Faktor, der im Zusammenspiel mit dem Leriche-Syndrom zu Komplikationen führen kann. Daher gilt die Nachsorge auch der Stressreduktion. Stressverminderung bieten Entspannungsverfahren wie Autogenes Training oder die Progressive Muskelrelaxation, aber auch fernöstliche Entspannungsverfahren wie Yoga, Tai Chi oder Qi Gong. Diese Verfahren haben den Vorteil, dass sie sich auch in vielen Fällen auf den Blutdruck günstig auswirken und die Genesung positiv unterstützen.

Das können Sie selbst tun

Das Leriche-Syndrom entsteht durch eine Verengung der Arterien, wobei Blutgerinnsel eine mögliche Ursache darstellen. Es wird von verschiedenen Symptomen begleitet. Die Selbsthilfe setzt bei den Begleitsymptomen an.

Eine Schmerzlinderung per se ist ohne Medikamente kaum möglich. Betroffenen wird aber empfohlen, sich zu schonen und Überanstrengungen zu vermeiden. Gegen eine mögliche Pulslosigkeit, sowie eine drohende Lähmung bietet sich vor allem Bewegung als Präventionsmaßnahme an. Durch eine routinierte Mobilisation wird der Blutkreislauf angeregt und die Durchblutung funktioniert besser. Das erhöht die Sensibilität der Haut, so dass die Empfindungsstörung bekämpft werden kann. Außerdem wird die Muskulatur regelmäßig aktiviert, was einem Erschlaffen und einer drohenden Dysfunktion vorbeugt.

Auch eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr ist dafür unerlässlich. Diese kann für Patienten in Verbindung mit einer Inkontinenz aber zu einer Belastung werden. Aus diesem Grund bieten sich Windeln an, um so einer psychischen Belastung durch öffentliche Wahrnehmung der Inkontinenz vorzubeugen. Auch natürliche, kontinenzsteigernde Mittel, wie etwa Kürbiskernextrakt, können Abhilfe schaffen. Dem Verlust der Libido kann ebenfalls mit einer Ernährungsumstellung entgegengetreten werden. Vor allem Männer sind von Erektionsstörungen betroffen. Wassermelonen wirken dabei wie ein natürliches Aphrodisiakum.

Quellen

  • Luther, B. (Hrsg.): Kompaktwissen Gefäßchirurgie. Springer, Berlin 2011
  • Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013
  • Renz-Polster, H., Krautzig, S. (Hrsg.): Basislehrbuch Innere Medizin. Urban & Fischer, München 2012

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