Postischämisches Syndrom
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 26. Februar 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Das postischämische Syndrom ist ein Symptomenkomplex, der als Folge von langdauernden Durchblutungsstörungen entsteht. Je nach Lage und Größe des betroffenen Areals kann das Postischämie-Syndrom lebensbedrohend sein.
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Was ist das postischämische Syndrom?
Als Ischämie wird eine abnorm verminderte oder sogar aufgehobene Durchblutung eines Gewebes bezeichnet. Bei einer relativen Ischämie ist noch ein Blutfluss nachweisbar, bei der absoluten Ischämie findet keinerlei arterielle Durchblutung mehr statt. Gewebe mit einem hohen Sauerstoffbedarf, wie zum Beispiel das Gehirn, tolerieren in der Regel nur kurze Minderversorgungen.
Bereits eine kurze Unterbrechung der Durchblutung von wenigen Minuten kann zu gravierenden und irreversiblen Schäden führen. Die Symptome des Postischämie-Syndroms werden allerdings nicht direkt durch die mangelnde oder fehlende Durchblutung verursacht, sondern entstehen durch die wiederhergestellte Durchblutung nach Beseitigung der Ursache der Ischämie.
Dieser Prozess wird auch als Reperfusionsschaden betitelt. Da es auf den ersten Blick doch recht widersprüchlich erscheint, dass eine wieder einsetzende Durchblutung mehr Schaden verursacht als die fehlende Durchblutung, spricht man beim postischämien Syndrom auch von einem Reperfusionsparadox.
Ursachen
Ein Post-Ischämie-Syndrom kann bereits ab einer Verschlusszeit von fünf Stunden entstehen. Die Ursachen einer Ischämie sind sehr vielfältig. Denkbar sind Gefäßverschlüsse durch Blutgerinnsel (Thrombose) oder durch Ablagerungen an den Gefäßwänden (Arteriosklerose). Eine Erkrankung, die durch einen fortschreitenden Verschluss der Gefäße in den Armen und Beinen gekennzeichnet ist, ist die periphere arterielle Verschlusskrankheit, kurz pAVK genannt.
In den meisten Fällen liegt der pAVK eine Arteriosklerose zugrunde. Raucher sind besonders gefährdet an einer pAVK zu erkranken. Auch rheumatische Erkrankungen wie die Endangiitis obliterans oder Kollagenosen können zu einer Verlegung von Blutgefäßen führen und somit eine Ischämie zur Folge haben. Dasselbe gilt für Erkrankungen des Blutes, die mit einer erhöhten Zellzahl einhergehen. Durch die veränderte Viskosität des Blutes kommt es schneller zu Gefäßverschlüssen.
Beispiele für solche hämatologischen Erkrankungen sind die Polycythaemia vera oder die essentielle Thrombozythämie. Natürlich kann eine Ischämie auch durch externe Blockaden, beispielsweise durch das Abbinden oder Abschnüren einer Extremität, entstehen. Vor allem durch stumpfe Traumata, also durch Traumata, die keine offenen Wunden verursachen, kann das Kompartmentsyndrom entstehen. Dabei steigt der Gewebedruck aufgrund des Traumas an, sodass der arterielle Blutstrom unterbrochen wird.
Weitere typische Ursachen des Postischämie-Syndroms sind das Leriche-Syndrom und Paraphimosen. Bei einer Paraphimose klemmt eine verengte Vorhaut die Eichel des Penis ein und lässt sich auch nicht wieder zurückstreifen.
Krankheiten mit diesem Symptom
Diagnose & Verlauf
Während der Ischämie werden in den betroffenen Körperarealen vermehrt potentiell toxische Substanzen wie Myoglobin, Laktat und Kalium gebildet und angehäuft. Wird das Gewebe postischämisch wieder durchblutet, werden diese Stoffe aus dem Gewebe ausgeschwemmt und im Körper verteilt. Durch das Kalium entsteht eine Hyperkaliämie, das heißt, der Serumkaliumspiegel liegt über 5,2 mmol/l.
Eine Hyperkaliämie kann neben Symptomen wie Muskelschwäche und Missempfindungen in den Extremitäten auch schwere Herzrhythmusstörungen verursachen. Diese können bis hin zum Kammerflimmern und zur Asystolie, also zum Herz-Kreislauf-Stillstand, führen. Der vermehrte Anfall von Myoglobin kann eine Crush-Niere mit der Komplikation des absoluten Nierenversagens zur Folge haben. Durch die hohen Lactatwerte im Blut entsteht zudem eine metabolische Azidose. Der pH-Wert des Blutes sinkt unter 7,36. Diese Situation ist lebensbedrohlich.
Durch die Ischämie sind die Gefäßwände im betroffenen Gebiet besonders durchlässig. Man spricht von einer erhöhten Gefäßpermeabilität. Strömt nun wieder Blut durch diese Gefäße, so tritt Flüssigkeit aus den Gefäßen aus und fließt in das Gewebe. So entsteht ein Ödem. Je nach Größe des ischämischen Areals kann der Flüssigkeitsverlust ins Gewebe einen hypovolämischen Schock verursachen. Dieser zeigt sich im ersten Stadium nur durch feucht-kühle und blasse Haut.
Im zweiten Stadium fällt der systolische Blutdruck ab, der Puls steigt an. Die Patienten klagen über Durst. Es wird kaum bis gar kein Urin mehr produziert und ausgeschieden. Im dritten Stadium fällt der Blutdruck unter einen Wert von 60 mmHg. Der Puls ist kaum noch tastbar. Es kommt zu Bewusstseinsstörungen und schlussendlich zum Tod.
Zusätzlich werden durch das Ödem die jetzt wieder durchbluteten Gefäße erneut komprimiert, sodass es wieder zu einer Ischämie kommen kann. Dies ist der Beginn eines Circulus vitiosus.
Komplikationen
Ein postischämisches Syndrom (Tourniquet-Syndrom) entsteht meist durch einen atherosklerotischen Prozess. Dabei wird ein Gefäß verschlossen und nachfolgende Gewebe des Gefäßverschlusses werden nicht mehr ausreichend mit Blut versorgt, es entsteht eine Ischämie. Diese Ischämie kann lange ohne Komplikationen ausgehalten, ab einer bestimmten Zeit, meist von fünf bis sechs Stunden, stirbt das Gewebe jedoch ab, eine Nekrose entwickelt sich.
Die Zellen sterben ab und es werden verschiedene Stoffe wie Laktat, Kalium und Myoglobin frei. Zu viel Kalium im Blut (Hyperkaliämie) können gefährliche Herzrhythmusstörungen (Arrhythmien) verursachen wie das Kammerflimmern, das unbehandelt schnell in den Herztod führen kann. Zudem kann das Freisetzen der Stoffe eine sogenannte Crush-Niere verursachen, was bis hin zum Nierenversagen (Niereninsuffizienz) führen kann.
Außerdem entsteht eine metabolische Azidose, was auch zu Herzrhythmusstörungen führen kann und eine Bewusstlosigkeit auslösen kann. Durch die Ischämie werden die Gefäße permeabler. Wenn das Gebiet wieder freigesetzt wird, kann es zum verstärkten Austritt von Flüssigkeiten kommen und zu schmerzhaften Ödemen führen, die sich entzünden können.
Zudem kann so viel Flüssigkeit austreten, so dass es zu einem Volumenmangel im Kreislauf kommt und dadurch ein erniedrigter Blutdruck im Sinne eines Schocks entstehen kann. Außerdem können durch die Ödeme Gefäße komprimiert werden, die verschiedene Muskelgruppen versorgen. Es kommt dabei zur Minderversorgung der Muskel und zum Kompartmentsyndrom, das bis zum Absterben der Muskeln führen kann.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Bei Verdacht auf ein Postischämisches Syndrom sollte umgehend ein Arzt konsultiert werden. Unbehandelt entwickeln sich aus einer Durchblutungsstörung lebensbedrohliche Symptome, die weitere Komplikationen zur Folge haben können. Ein Arztbesuch empfiehlt sich spätestens dann, wenn es Nierenschmerzen oder einem Stechen in der Herzgegend kommt. Generell deuten Schmerzen der inneren Organe sowie warme Extremitäten auf eine Durchblutungsstörung hin, die sich unbehandelt zu einem Postischämischen Syndrom entwickeln kann.
Patienten, die bereits an einer Erkrankung des Herzens oder der Niere leiden, sollten bei Verdacht auf eine Durchblutungsstörung schnellstmöglich mit dem behandelnden Arzt sprechen. Typische Symptome einer gestörten Durchblutung sind unter anderem auch Sehstörungen, Verwirrtheit, Orientierungslosigkeit und Schmerzen beim Gehen. Hinzu kommen Engegefühle im Brustkorb, die vorwiegend bei körperlicher Anstrengung auftreten sowie vorübergehende Taubheitsgefühle in den Armen und Beinen. Tritt eines oder mehrere dieser Symptome auf, empfiehlt sich ein Besuch beim Arzt. Meist kann die Durchblutung durch einfache Maßnahmen wieder reguliert und ein Postischämie-Syndrom abgewendet werden.
Behandlung & Therapie
Das Postischämie-Syndrom ist ein lebensgefährdender Zustand, sodass eine intensivmedizinische Betreuung erfolgen muss. Der Kalium-Spiegel wird in regelmäßigen Abständen überprüft, zudem werden Blutgasanalysen durchgeführt, um den pH-Wert zu kontrollieren. Um einem hypovolämischen Schock vorzubeugen, wird Flüssigkeit substituiert. Der Ödembildung und der Nierenbelastung durch das Myoglobin wird mit Diuretika vorgebeugt.
Falls eine metabolische Azidose vorliegt, erfolgt die Therapie mittels Natriumbicarbonat-Pufferung. Zur Behandlung der Hyperkaliämie werden ebenfalls Diuretika verabreicht. Zudem erfolgt die Gabe von sogenannten Kationenaustauschern. Damit das Kalium aus dem Blut in die Zellen übergeht, werden Insulin, Glukose, Sympathikomimetika und Natriumbikarbonat eingesetzt.
Natürlich sollte beim Postischämie-Syndrom immer auch die Ursache komplett beseitigt werden. Bei Strangulationen reicht es schon diese zu entfernen. Bei einer Paraphimose muss die Vorhaut reponiert oder gegebenenfalls entfernt werden. Embolien werden mit einer Lysetherapie behandelt. Bei einem schweren postischämischen Syndrom kann eine Amputation erforderlich sein.
Aussicht & Prognose
Das Postischämie-Syndrom ist ein lebensgefährdender Zustand, der so schnell wie möglich von einer medizinischer Behandlung betreut werden muss. Es werden sehr viele Blutanalysen durchgeführt, um den PH-Wert zu kontrollieren. Wenn das Postischämisches Syndrom schnell anhand der Symptome entdeckt wird, sind die Heilungschancen sehr groß.
Damit ein hypovolämischer Schock vermieden werden kann, wird Flüssigkeit substituiert. Wenn das Postischämisches Syndrom zu weit fortgeschritten ist, muss eine Amputation erfolgen. Der betroffene Patient sollte auf keinen Fall ab warten. Ein zu langes Abwarten führt dazu, dass die Verstopfungen noch größer werden. Die Durchblutung kann dann nicht mehr richtig stattfinden und der Patient muss mit noch mehr Komplikationen rechnen. Herzinfarkte sind nicht selten die Folge von einem zu langen Abwarten bei einem Postischämischen Syndrom.
Vorbeugung
Dem Postischämie-Syndrom lässt sich nur bedingt vorbeugen. Gibt es Hinweise auf eine Minderdurchblutung jeglicher Genese, sollte schnellstmöglich ein Arzt aufgesucht werden. Nur so kann eine langdauernde Ischämie und in der Folge das Postischämie-Syndrom verhindert werden.
Das können Sie selbst tun
Bei einem postischämischen Syndrom muss immer ein Notarzt konsultiert werden. Es handelt sich, wie bereits erwähnt, um einen lebensgefährlichen Zustand nach einer lang andauernden Durchblutungsstörung. Ohne notärztliche Behandlung kommt es zunächst zum Absterben des betreffenden Körperabschnitts.
Durch die Verteilung der giftigen Stoffwechselprodukte im gesamten Körper befindet sich der Organismus in hoher Gefahr. Aus diesen Gründen ist eine Selbstmedikation nicht möglich. Versuche der Selbsthilfe sind bei dieser Erkrankung dringend zu unterlassen, denn jede Verzögerung einer professionellen ärztlichen Behandlung ist kontraproduktiv. Durch die Nekrose des Gewebes werden Laktat, Myoglobin und Kalium freigesetzt. Diese Stoffe sammeln sich im Blut an und führen zu Herzrhythmusstörungen, Nierenversagen und Übersäuerung des Organismus. Ihre Werte müssen ständig intensivmedizinisch überwacht und ausgeglichen werden. Das kann nur in der Intensivstation eines Krankenhauses erfolgen.
Nach erfolgreicher Behandlung des Gefäßverschlusses muss die zugrunde liegende Erkrankung therapiert werden. Je nachdem, um welche Erkrankung es sich handelt, kann hier teilweise auch eine Selbstmedikation stattfinden, die allerdings mit dem Arzt abgesprochen werden muss. So ist unter Umständen eine dauerhafte medikamentöse Behandlung mit blutverdünnenden Mitteln notwendig, um die Bildung von Thromben zu verhindern. Wichtig sind des Weiteren ständige ärztliche Kontrollen. Der Patient kann außerdem durch eine ausgewogene Ernährung, viel Bewegung sowie Verzicht auf Rauchen und Alkohol einem erneuten Gefäßverschluss vorbeugen.
Quellen
- Arastéh, K., et al.: Duale Reihe Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2012
- Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2010
- Siewert, J.R., Stein, H.J. (Hrsg.): Chirurgie. Springer, Berlin 2012