Medizinisches Cannabis - eine Heilpflanze mit therapeutischem Potenzial

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 19. April 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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In Deutschland darf seit März 2017 bei schwerwiegenden Erkrankungen Medizinalhanf oder medizinisches Cannabis auf Rezept vom Arzt verschrieben werden. Das gilt sowohl für Fertigarzneimittel als auch für Cannabisblüten und -extrakte.

Zur Deckung des Bedarfs wird unter der Ägide der dem BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) unterstellten Cannabisagentur medizinisches Cannabis importiert. Seit 2019 ist ein Anbau unter strengen Vorgaben zugelassen. Der Gesetzgeber erkennt damit den therapeutischen Nutzen von Cannabis an. Grund genug, das Pro und Contra von medizinischem Cannabis etwas näher zu betrachten!

Inhaltsverzeichnis

Was ist medizinisches Cannabis?

Medizinisches Cannabis ist kein Heilmittel. Es vermag jedoch, bei bestimmten Krankheiten die Symptome zu lindern.

Die Historie des Einsatzes von Hanf als medizinisches Cannabis geht bis zu den Anfängen der Medizin und der Pharmakologie zurück. Damals schon erkannten die Menschen den Nutzen und setzten die Pflanzen erstmalig zu Heilzwecken ein.

Medizinisches Cannabis ist weitestgehend identisch mit herkömmlichem Cannabis, welches für den Freizeitgebrauch nach wie vor verboten bleibt. Es wird als medizinisch wirksam eingestuft, wenn es anstatt zum Genuss zur Linderung von Beschwerden, Symptomen oder Erkrankungen eingesetzt wird. Somit kann jede Cannabissorte, welche eine effektive Menge an Cannabinoiden vorweist, für medizinische Zwecke angewandt werden. Unter Cannabinoiden werden die Wirkstoffe der Hanfpflanze verstanden.

Cannabis entfaltet seine Wirkung über das ECS

Seit den 40er-Jahren des 20. Jahrhunderts wird die Wirkung von Cannabis wissenschaftlich untersucht. Trotzdem konnten die genauen Effekte und Funktionsweisen der Cannabinoide bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht gänzlich geklärt werden.

Gegen Ende des 20. Jahrhunderts wurde ein Teil des menschlichen Nervensystems entdeckt, welches für die Informationsweiterleitung zwischen den Nervenzellen und den Organen verantwortlich ist, das sogenannte endogene Cannabinoidsystem (ECS). Dabei wirken körpereigene Endocannabinoide als Botenstoffe. Sie docken an den Rezeptoren des ECS an und aktivieren oder blockieren Signale. Es wird davon ausgegangen, dass die Cannabinoide der Hanfpflanzen auf ähnliche Weise wirken.

Bisher konnten zwei verschiedene Rezeptoren identifiziert werden, die der Einfachheit halber CB1 und CB2 genannt werden. Der erste Typ ist vorzugsweise im Gehirn präsent. Er beeinflusst das Gedächtnis, die Motivation, die Wahrnehmung und ist für Emotionen verantwortlich. Die Rezeptoren CB2 sind über den gesamten Körper verteilt. Ihnen wird vor allem die Regulierung des Immunsystems zugeschrieben. Des Weiteren vermutet man sie in der Leber, den Muskeln, dem Herz und der Haut.

Cannabis und seine Wirkstoffe

Die Hanfpflanze enthält mehr als hundert verschiedene Wirkstoffe. Am besten untersucht und für den Einsatz als medizinisches Cannabis prädestiniert sind vor allem zwei davon. Der bekannteste nennt sich THC (Tetrahydrocannabinol) und weist auch psychoaktive Effekte auf. Die zweite interessante Substanz ist das CBD (Cannabidiol). Sie löst keinen Rausch aus. Beiden Cannabinoiden in Kombination werden schmerzlindernde, entzündungshemmende und krampflösende Effekte zugesprochen.

Bei welchen Krankheiten wird Medizinalhanf eingesetzt?

Medizinisches Cannabis ist kein Heilmittel. Es vermag jedoch, bei bestimmten Krankheiten die Symptome zu lindern und kann somit den Gebrauch von chemisch hergestellten Medikamenten mit all seinen negativen Nebenwirkungen eindämmen. Allerdings sind bei vielen Krankheitsbildern aufgrund der unvollständigen Forschungslage noch keine allgemeingültigen Aussagen möglich. Zudem sind sich viele Wissenschaftler uneins. Durch sein breites Wirkungsspektrum wird Cannabis interessant für vielfältige Einsatzgebiete, wobei die Anwendung oft zu einer Verbesserung der Lebensqualität führt.

So wird medizinisches Cannabis aufgrund seiner antiinflammatorischen Eigenschaften bevorzugt bei Patienten angewandt, welche unter chronischen Schmerzen leiden. Übliche Krankheitsbilder werden mit Arthrose und rheumatischer Arthritis beschrieben. Zudem kommt es bei Nervenschmerzen und in der Palliativmedizin zum Einsatz. Einige Mediziner gehen davon aus, dass aufgrund der Stärkung des Immunsystems kleine Dosen Cannabis Erfolge bei der begleitenden Behandlung von AIDS aufweisen können.

Durch seine krampflösenden und entspannenden Effekte wird Cannabis für eine Reihe von weiteren Krankheitsbildern interessant. Am weitesten fortgeschritten sind dabei die Forschungen zur Epilepsie. Auch wird von der Linderung der Symptome bei Panikattacken und depressiven Anfällen berichtet, wobei hierbei THC-arme Cannabissorten bevorzugt werden.

Bei Patienten mit ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit/Hyperaktivitätssyndrom), welches sich durch Unaufmerksamkeit, Impulsivität und Hyperaktivität auszeichnet, wurden bei den beiden letztgenannten Faktoren Verbesserungen im Verhalten festgestellt. Bei der Wucherung von Krebszellen ist auch Cannabis machtlos. Allerdings kann es die durch die Chemotherapie verursachte Übelkeit und den damit verbundenen Brechreiz eindämmen. Gegen Schizophrenie kann medizinisches Cannabis durchaus wirksam sein.

Auch hier ist es eher das CBD, welches die positiven Eigenschaften innehat. Bei der Besserung von Schlafstörungen gehen die Mediziner davon aus, dass dies auf sekundären Ursachen beruht, indem z. B. die schmerzlindernden Momente für einen ruhigeren Schlaf sorgen können. Zudem findet medizinisches Cannabis u. a. bei Asthmatikern, bei Grünem Star, bei Neurodermitis und bei Parkinson seine Anwendung.

Wer darf Cannabis verschreiben?

Wie das THC im Körper eines Menschen wirkt, hängt von der Art, Dauer und Häufigkeit des Cannabis-Konsums und der zugeführten Dosis ab. Die positive Wirkung von Cannabis bei bestimmten Symptomlagen muss medizinisch nachgewiesen sein.
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Das Gesetz sieht bei den Ärzten, die medizinisches Cannabis verschreiben dürfen, keinerlei spezielle Qualifikationen oder Voraussetzungen vor. Der Mediziner bedarf einer Zulassung in Deutschland oder innerhalb der EU. In der Regel ist der erste Schritt des Patienten der zum Hausarzt oder zu einem entsprechenden Facharzt.

Des Weiteren sieht die Regelung keinerlei Einschränkungen beim Krankheitsbild vor. Das bedeutet, medizinisches Cannabis kann bei jeder Krankheit verschrieben werden. Dabei ist es auch nicht notwendig, wie fälschlicherweise in verschiedenen Medien verbreitet wird, dass der Patient austherapiert sein muss, also andere Medikamente nicht mehr anschlagen. Die Entscheidung, ob Cannabis verschrieben werden sollte, liegt damit allein beim behandelnden Arzt in Absprache mit dem Patienten.

Übernimmt die Krankenkasse die Kosten?

Wenn die Krankenkasse die Kosten für eine Behandlung mit medizinischem Cannabis übernehmen soll, muss der Patient vor dem Beginn der Behandlung einen Antrag stellen. Diesem wird in der Regel stattgegeben, nur in begründeten Ausnahmefällen kann dieser abgelehnt werden.

Allerdings bekommt die Kasse eine Entscheidungsfrist von drei bis fünf Wochen eingeräumt. Im Zuge einer ambulanten Palliativversorgung oder bei der Weiterführung einer schon begonnen Behandlung verkürzt sich dieser Zeitraum auf drei Tage.

Darf ich Hanfplanzen selbst anbauen?

Cannabis-Produkte werden auch heute noch misstrauisch beäugt – allerdings haben sie einige gesundheitsfördernde Eigenschaften, bei denen sich ein genauerer Blick lohnt. © yanadjan - Fotolia.com

Der Gebrauch von medizinischem Cannabis steigt, da sich viele Menschen eine große Hilfe und Erleichterung hinsichtlich ihrer Leiden versprechen. Es muss jedoch grundsätzlich zwischen legalem Erwerb und legalem Anbau unterschieden werden. In Deutschland bleibt der Anbau für Privatpersonen untersagt. Er unterliegt in jeder Form dem staatlichen Monopol.

Bei der Ausschreibung von 2019 erhielten drei Firmen den Zuschlag, bei Neumünster und Dresden medizinisches Cannabis in Indoor-Plantagen zu ziehen. Durch bürokratische Hindernisse und einer fehlerhaften Ausschreibung musste diese 2020 wiederholt werden. Die erste Ernte wird deshalb erst im Frühjahr 2021 erwartet.

Letztlich gibt es eine Härteregelung, welche aber nur in den seltensten Fällen zum Tragen kommt. Wenn der Erwerb von medizinischem Cannabis aus der Apotheke die finanziellen Mittel des Patienten übersteigt und die gesetzliche Krankenkasse eine Erstattung ablehnt, können Einzelgenehmigungen zum Anbau an Privatpersonen vergeben werden. Dieser Weg führt in der Regel über die Gerichte, was zu weiteren Kosten führen kann, und ist daher nicht empfehlenswert.

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