Multiorganversagen
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Februar 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Zu den gefürchtetsten Komplikationen, die bei einer medizinischen Behandlung auftreten können, gehört das Multiorganversagen. Nur etwa die Hälfte der betroffenen Patienten überlebt es, wenn gleichzeitig mehrere Organe wie Nieren, Lunge oder Herz gleichzeitig ausfallen.
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Was ist ein Multiorganversagen?
Die Organe lassen sich zur Not eine zeitlang durch Maschinen ersetzen. Sind Gehirn oder Leber von dem Ausfall betroffen, ist dem Patienten in der Regel gar nicht mehr zu helfen. Um bei einem mehrfachen Versagen verschiedener Organe überhaupt eine Überlebenschance zu haben, muss der Patient unbedingt intensivmedizinisch behandelt werden.
Allerdings tritt das Multiorganversagen oft erst auf der Intensivstation auf. Dort wird es jedoch meist sehr schnell erkannt. Trotz schneller Gegenmaßnamen bleibt diese Komplikation eine der häufigsten Todesursachen auf Intensivstationen.
Das Multiorganversagen ist im Grunde sehr einfach definiert. Stellen zwei oder mehr Organe gleichzeitig ihre Arbeit ein, ist das bereits ein Multiorganversagen. Mediziner sprechen allerdings inzwischen von einen multiplen Organdisfunktions-Syndrom, abgekürzt MODS.
Ursachen
Wenn mehrere Organe bei einem Unfall verletzt werden, kann das zu einer Kettenreaktion führen, die den Ausfall anderer Organe mit sich bringt. Ähnliches gilt für die gefürchtete Sepsis. Dabei handelt es sich um eine Vergiftung, die sich rasend schnell über den gesamten Körper verbreitet und überall zu schweren Entzündungen führen kann.
Auch Herzerkrankungen oder Allergien können ein Multiorganversagen auslösen. Das kann der Fall sein, wenn der Patient einen lebensbedrohlichen anaphylaktischen Schock erleidet, der den Kreislauf und verschiedene Organe lahm legen kann. Eine weitere Ursache ist hingegen einfach die Altersschwäche. Bei einem sehr alten und sehr geschwächten Körper kann schon der Ausfall eines Organs die anderen schnell zu Fall bringen.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Die Symptome des Multiorganversagens ergeben sich aus den jeweiligen Insuffizienzen der betroffenen Organe. So äußert sich ein manifestes Nierenversagen in einer Abnahme der Filterleistung der Nieren. Es bleiben vermehrt harnpflichtige Substanzen, Wasser und Elektrolyte im Körper. Das kann zu einer Überwässerung mit Hirnödem, Lungenödem oder Herzversagen führen.
Die Leberinsuffizienz äußert sich durch eine Gelbfärbung der Haut (Ikterus) sowie durch Blutgerinnungsstörungen mit verlängerter Blutungszeit. Ebenso können Bewusstseinsstörungen bis hin zum Koma auftreten. Die Patienten riechen aus dem Mund nach roher Leber (Foetor hepaticus) und weisen einen sogenannten Flapping tremor auf.
Es handelt sich dabei um ein grobschlägiges Zittern der Hände. Da Gallenflüssigkeit aus den Lebergefäßen in das Blut übertritt, leiden Menschen mit Leberversagen ferner a n Juckreiz. Dieser macht sich insbesondere am Fuß bemerkbar. Eine schnelle Atmung sowie Atemnot sind die Leitsymptome der akuten Lungenschädigung.
Aufgrund der mangelnden Sauerstoffversorgung färbt sich die Haut der Patienten blau. Man spricht hier auch von einer Zyanose. Unruhe und Verwirrtheit sind weitere Symptome, die beim Lungenversagen auftreten können. Bei einigen Patienten lässt sich ferner ein Abfallen der Körpertemperatur (Hypothermie) oder ein Ansteigen (Hyperthermie) bis hin zum Fieber beobachten.
Diagnose & Verlauf
Die genaue Diagnose des Multiorganversagens hängt natürlich davon ab, welche Organe betroffen sind. Da diese Komplikation jedoch meistens auf Intensivstationen auftritt, wird der Ausfall verschiedener Organe normalerweise auch sehr schnell erkannt und durch technische Mittel dem Pflege- und behandelnden Personal angezeigt. In dem Moment, in dem ein multiples Versagen der Organe erkannt wird, muss sehr schnell gehandelt werden, da jegliche Verzögerung die Überlebensaussichten des Patienten dramatisch einschränkt.
Komplikationen
Das Entfernen von Organen führt zu einer lebenslänglichen Abhängigkeit von Maschinen wie zum Beispiel Dialysegeräten (Nieren) oder Beatmungsgeräten (im Falle einer versagenden Lunge). Besonders gefährlich ist das Auftreten einer Sepsis, die infolge von toten Organen und in den Körper entlassenen Zell- und Stoffwechselgiften auftreten kann. Die Vergiftung sorgt für weitere Entzündungen und den Verlust weiterer Organfunktionen.
Zudem kann infolge eines multiplen Organsversagens, oder auch eines eingeleiteten Komas in einem solchen Fall, eine Sauerstoffunterversorgung von Hirnarealen auftreten. Die ausgelösten Schädigungen sind nicht reversibel und beeinträchtigen den Betroffenen anschließend für immer.
Werden die Leber oder das Gehirn von einer Sepsis betroffen, die im Zuge von multiplem Organversagen auftritt, sind die medizinischen Maßnahmen erschöpft. Gleiches gilt bei völligem Leberversagen als Teil eines multiplen Organversagens. Ein Hirntod ist mit dem Tod gleichzusetzen. Die Mortalitätsrate erhöht sich mit der Menge der versagenden Organe und den Folgeerscheinungen.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Bei einem Multiorganversagen muss unverzüglich ein Notarzt gerufen oder direkt das Krankenhaus aufgesucht werden. Sollte keine schnelle ärztliche Behandlung eingeleitet werden, so führt das Multiorganversagen in der Regel zum Tode des Betroffenen. Je früher die Krankheit diagnostiziert und behandelt wird, desto höher sind die Chancen auf eine Genesung des Betroffenen. In den meisten Fällen befindet sich der Patient bei einem Multiorganversagen allerdings schon in einem Krankenhaus oder in einer anderweitigen ärztlichen Behandlung.
Die Patienten leiden dabei an starken Schmerzen, Fieber, Atemnot und an Störungen des Bewusstseins. Sie können häufig nicht mehr alleine gehen, essen oder trinken und benötigen in ihrem Alltag Hilfe von anderen Menschen. Sollten diese Beschwerden eintreten, so muss sofort ein Arzt eine Untersuchung durchführen. Weiterhin kann es dabei auch zu einem Herzversagen oder zu einem Nierenversagen kommen. Auch eine Zyanose oder andere Atembeschwerden können dabei auf das Multiorganversagen hinweisen und sollten untersucht werden.
Die Behandlung richtet sich dabei stark nach den betroffenen Organen und wird meistens in einem Krankenhaus durchgeführt. Ob es dabei zu einem positiven Krankheitsverlauf kommt, kann jedoch nicht im Allgemeinen vorhergesagt werden. Häufig wird die Lebenserwartung des Betroffenen durch das Multiorganversagen deutlich verringert.
Behandlung & Therapie
Die Behandlung eines Multiorganversagens hängt naturgemäß von den betroffenen Organen, aber auch von dem Auslöser der Komplikation ab. Ist beispielsweise eine Sepsis Ausgangspunkt für das Organversagen, muss der Entzündungsherd so schnell wie möglich ermittelt und beseitigt werden, außerdem wird der Patient mit Antibiotika behandelt. Bei schwereren äußeren Verletzungen, etwa durch einen Unfall, müssen die betroffenen Organe in ihrer Funktion unter Umständen maschinell unterstützt oder gar ersetzt werden.
Ein wichtiges Mittel bei der Behandlung des Multiorganversagens ist das künstliche Koma. Mediziner bevorzugen allerdings den Ausdruck "Künstlicher Tiefschlaf". Dabei wird der Patient mittels verschiedener Medikamente in einen Koma ähnlichen Zustand versetzt. Damit soll das Gehirn vor den Auswirkungen des mehrfachen Versagens der Organe geschützt werden. Wenn das Gehirn betroffen ist, gibt es für den Patienten normalerweise keine Rettung mehr.
Hirnregionen, die von einer MODS berührt sind, etwa durch Sauerstoffmangel, bleiben unwiderruflich geschädigt. Durch den künstlichen Tiefschlaf werden alle Körperfunktionen deutlich herunter gefahren. Auch die Körpertemperatur sinkt. Dadurch können sich bestimmte Körperregionen leichter regenerieren beziehungsweise betroffene Organe besser behandelt und wieder in Gang gesetzt werden.
Aussicht & Prognose
Tritt bei einem Patienten ein Multiorganversagen auf, ist die Chance zum Überleben sehr gering. Dies hängt mit den eingeschränkten oder ausgefallenen Organen sowie der Möglichkeit der Behandlung ab. Wird ein multiples Organversagen nicht umgehend behandelt, ist der Tod unabwendbar. Es gibt keinerlei Aussicht auf Spontanheilung oder ähnliches. Die Mortalitätsrate bei drei ausgefallenen Organen liegt auch bei medizinischer Behandlung noch bei circa 80 Prozent.
Betroffene können in einer Intensivstation teilweise stabilisiert und am Leben erhalten werden. Wie gut dies gelingt, hängt von den ausgefallenen Organen ab. Es ist beispielsweise leichter, Nieren und Lungen zu ersetzen, als etwa die Leber oder das Herz. Gerade der Ausfall des Herz-Kreislauf-Systems ist so gut wie immer tödlich. Eine künstliche Beatmung kann teilweise sehr lang aufrecht erhalten werden. Ebenso kann ein ausgefallener Magen-Darm-Trakt kompensiert werden. Da die Betroffenen in diesem Zustand meistens ins Koma fallen oder in eines versetzt werden, scheint zumindest das Leid eingeschränkt.
Es ist beim Ausfall mehrerer Organsysteme aber selbst beim Erwachsen aus dem Koma häufig nicht mehr damit zu rechnen, dass die Betroffenen sich gut erholen werden. Dies wäre allenfalls beim Ausfall weniger, im Idealfall nicht lebenswichtiger Organsysteme der Fall.
Vorbeugung
Gegen Unfälle lässt sich schlecht vorbeugen. Gegen Infektionen hingegen schon. 15 Prozent aller Patienten auf deutschen Intensivstationen erleiden eine sogenannte Nosokomiale Infektion. Dahinter steckt die gefürchtete „Krankenhaus-Infektion“. Diese kann zur zu einem Multiorganversagen führen, vor allem, wenn die Infektion durch resistente Erreger ausgelöst wurde.
Daher gehört zu den wichtigsten Vorbeugungsmaßnamen gegen das Mehrfachversagen der Organe eine sehr ausgeprägte und penible Krankenhaushygiene. Allergiker hingegen sollten jegliche Situation vermeiden, die zu einem allergischen Schock führen könnte. Deshalb ist es auch grundsätzlich wichtig, genau über das eigene mögliche Allergieverhalten Bescheid zu wissen.
Nachsorge
Multiorganversagen führt in den meisten Fällen zu einer verkürzten Lebenserwartung. Dann kann die Nachsorge nur einen palliativen Charakter annehmen. Ärzte versuchen dem Ausfall lebenswichtiger Organe zu begegnen. Eine intensivmedizinische Behandlung ist angezeigt. Da nur wenig Zeit verbleibt, kommt seelsorgerischen Gesprächen eine bedeutende Rolle zu.
Wird Multiorganversagen überlebt, bleiben in der Regel trotzdem Folgeschäden zurück. Diese bedürfen einer Dauerbehandlung. So sind viele Patienten für den Rest ihres Lebens auf die Dialyse angewiesen. Ein normaler Alltag ist kaum möglich. Die Einnahme von Medikamenten ist wichtig, um die Beschwerden abzustellen. Verlaufskontrollen in kurzen Abständen sind üblich.
Die Art der Nachsorgeuntersuchung hängt vom jeweiligen Krankheitsbild ab. Regelmäßig finden ein Gespräch und eine körperliche Untersuchung statt. Auch die Blutabnahme erfolgt häufig. Bildgebende Verfahren unterstützen regelmäßig die Diagnose und geben eindeutigen Rückschluss über den Krankheitsverlauf. Weitere ambulante Therapien können verschrieben werden.
Gehören Patienten zu der kleinen Gruppe an Menschen, bei denen keine Folgeerkrankungen zurückbleiben, ist angesichts der Beschwerdefreiheit keine Nachsorge notwendig. Allerdings haben erfahrungsgemäß viele Betroffene Probleme in ihren Alltag zurückzufinden. Oft verschreiben Ärzte deshalb Sitzungen bei einem Psychotherapeuten, um eine Stabilisierung zu erreichen.
Das können Sie selbst tun
Ein Multiorganversagen nimmt oft einen tödlichen Verlauf, selbst wenn es auf einer Intensivstation eintritt und die Ärzte mit dieser gefürchteten Komplikation gerechnet haben. Möglicherweise werden sie den Patienten in ein künstliches Koma legen oder betroffene Organe entnehmen, wie beispielsweise die Nieren.
Dies hat für den Überlebenden Konsequenzen, die sein künftiges Leben nicht unerheblich beeinträchtigen. Möglicherweise ist er den Rest seines Lebens auf eine Dialyse und/oder weitere Therapien angewiesen. Diese Therapien dürfen keinesfalls ausgelassen werden. Das gilt auch für Physiotherapien, die den Patienten wieder mobilisieren sollen.
So nah an der Schwelle des Todes gestanden zu haben, geht an keinem Patienten spurlos vorbei. Selbst wenn keine Folgeerkrankungen bleiben, wird der Betroffene Mühe haben, sein vorheriges Leben wieder aufzunehmen. Er sollte sich in jeden Fall in eine psychotherapeutische Behandlung begeben. Auch Gruppentherapien mit weiteren Patienten sind anzuraten. Adressen und Ansprechpartner stellen die behandelnden Kliniken zur Verfügung. Da ein Multiorganversagen häufig die Komplikation einer Sepsis ist, bietet auch die Internetseite www.sepsis-hilfe.org Informationen und Hilfestellungen. Hilfreich sind hier insbesondere die Berichte von Betroffenen, die ein Multiorganversagen überlebt haben. Es gibt keine Möglichkeit, ein Multiorganversagen nach einem Unfall oder im Alter zu verhindern. Einer Sepsis hingegen kann man vorbeugen, was gleichzeitig auch einem Multiorganversagen vorbeugt.
Quellen
- Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
- Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013
- Ziegenfuß, T.: Notfallmedizin. Springer, Heidelberg 2011