Nagelhypoplasie
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 26. Februar 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Die Nagelhypoplasie ist eine Unterentwicklung von einem oder mehreren Finger- oder Zehennägeln und tritt vor allem im Rahmen von Syndromen und Embryopathien auf. Eine geringfügige Nagelhypoplasie muss keinen Krankheitswert haben und erfordert keine Therapie. Störende Nagelhypoplasien lassen sich durch Nagelbett-Transplantate ausgleichen.
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Was ist eine Nagelhypoplasie?
Hypoplasien sind Fehlbildungen, die alle Gewebe des Körpers betreffen können. Unter einer Hypoplasie versteht die Medizin eine Unterentwicklung des Gewebes. Die komplette Nichtanlage ist davon zu unterscheiden und wird als Aplasie bezeichnet. Hypoplasien können zum Beispiel die Nägel betreffen.
Nagelhypoplasien werden in die Gruppe der Fehlbildungen gefasst und sind damit Dysplasien. Die Unterentwicklung der Nägel tritt symptomatisch im Rahmen verschiedener Fehlbildungssyndrome auf und liegt dann von Geburt an vor. Die Nagelhypoplasie kann einen einzigen Finger- oder Fußnagel, aber auch alle Nägel des Patienten betreffen und manifestiert sich meist in einer abnormal kleinen Größe.
Als Synonyme zur Nagelhypoplasie werden die Begriffe Onychohypoplasie, Mikroonychie und Hypoonychie gebraucht. Nagelhypoplasien treten annähernd niemals in Form einer erworbenen Veränderung des Nagelapparats auf. Wenn der Nagel durch Abkauen geschädigt wird, ist nicht von einer Hypoplasie die Rede.
Ursachen
In den meisten Fällen ist die Ursache für eine Hypoplasie der Nägel in der Genetik zu suchen. Die Unterentwicklung ist häufig mit Fehlbildungssyndromen assoziiert und in diesem Fall mit weiteren Dysplasien vergesellschaftet. Am häufigsten tritt die Nagelhypoplasie im Rahmen des Huriez-Syndroms, der Osteoonychodysplasie, der Alkoholembryopathie, der Antiepileptika-Embryopathie und des Ellis-van-Creveld-Syndroms auf.
Auch das Coffin-Siris-Syndrom, das äußerst seltene DOOR-Syndrom, das Maroteaux-Lamy-Syndrom und das oto-onycho-peroneale Syndrom oder Zimmermann-Laband-Syndrom werden mit einer Unterentwicklung der Nägel in Zusammenhang gebracht. Die primäre Ursache der genannten Syndrome ist eine genetische Mutation, die zuweilen Erblichkeit unterliegt.
Bei der Alkoholembryopathie und der Antiepileptika-Embryopathie verhält es sich etwas anders. In diesen Fällen sind äußere Faktoren die Ursache für die Unterentwicklung. Das ungeborene Kind wird bei den Embryopathien durch Giftexposition der Mutter in der Schwangerschaft geschädigt. Eine erworbene Hypoplasie tritt allenfalls im Alter auf und wird vor allem durch Eisenmangel verursacht.
Krankheiten mit diesem Symptom
Diagnose & Verlauf
Die Nagelhypoplasie manifestiert sich in Form von kleinen, ungewöhnlich schmalen Nägeln. Bei einer starken Ausprägung sind von den Nägeln lediglich Überreste vorhanden. Die Hypoplasie kann an allen Nägeln, oder nur an einzelnen Nägeln vorliegen. Oftmals ist auch die Konsistenz der Nägel durch die Hypoplasie verändert.
Mit welchen weiteren Symptomen und Fehlbildungen eine Nagelhypoplasie vergesellschaftet ist, hängt von der primären Ursache der Unterentwicklung ab. Im Rahmen des Huries-Syndroms liegen begleitsymptomatisch zum Beispiel Beginn diffuse Skleratrophien im Bereich der Hände und Füße, Hyperkeratosen, Sklerodaktylie und trockene Haut oder Hypohidrose vor. Von der Osteoonychodysplasie sind neben den Nägeln die Organe und Knochen betroffen.
Das Ellis-van-Creveld-Syndrom betrifft vor allem die Rippen und das Herz. Zusätzlich ist es von Minderwuchs gekennzeichnet. Minderwuchs liegt auch beim Coffin-Siris-Syndrom vor, das zusätzlich mit Intelligenzminderung und allgemeinen Hypoplasien der Hände und Füße assoziiert ist. Dementsprechend variabel sind die Begleitsymptome einer Nagelhypoplasie.
Wenn Nagelhypoplasien alle Nägel einer Hand oder eines Fußes betreffen, nehmen sie typischerweise vom ersten Finger oder der ersten Zehe ausgehend ab. Eine Hypoplasie der Nägel erkennt der Arzt auf den ersten Blick. An den betroffenen Zehen oder Fingern ist der Nagelapparat deutlich unterentwickelt und bedeckt das Nagelbett teils nicht ausreichend. In den meisten Fällen wird die Diagnose unmittelbar nach der Geburt gestellt, da die Hypoplasie in fast allen Fällen angeboren ist.
Meist geht der Diagnose einer Nagelhypoplasie die Diagnose eines bestimmten Syndroms voraus oder beide Diagnosen überschneiden sich. Abhängig von dem allgemeinen Erscheinungsbild des Patienten wird der Arzt einen ersten Verdacht auf eines der genannten Syndrome entwickeln. Die Verdachtsdiagnose wird über bildgebende Verfahren und gegebenenfalls eine molekulargenetische Analyse der DNA abgesichert.
Die Prognose für Patienten mit einer isolierten Hypoplasie der Nägel ist hervorragend. Da die Unterentwicklung der Nägel aber nur in den seltensten Fällen isoliert auftritt, ist diese Aussage in Relation zu sehen. Im Rahmen eines Syndroms hängt die Prognose vor allem vom Vorliegen, der Schwere und der Behandelbarkeit etwaiger Organdysplasien ab. Äußerst gering ausgeprägte und symptomlose Hypoplasien der Nägel haben keinen Krankheitswert.
Komplikationen
Eine Nagelhypoplasie, also eine Unterentwicklung von Nägeln an Händen und Füßen, entsteht vor allem im Rahmen einer genetischen Erkrankung mit den entsprechenden Komplikationen. Ein Beispiel bildet hierbei das Huriez-Syndrom. Neben den verkümmerten Nägeln hat der Betroffene bei dieser seltenen Erkrankung eine verminderte Schweißsekretion (Hypohidrose). Damit hat der Patient eine sehr trockene Haut und überhitzt schnell.
Aufgrund der trockenen Haut wird diese stark beansprucht und es kommt zur übermäßigen Verhornung dieser (Hyperkeratose). Zudem ist das Risiko bei diesen Patienten erhöht, an einem Plattenepithelkarzinom zu erkranken. Ein Alkoholkonsum während der Schwangerschaft kann auch eine Nagelhypoplasie hervorrufen. Je nachdem, wann während der Schwangerschaft der Alkohol zu sich genommen wurde, entstehen typische Folgen für den Säugling.
Im ersten Trimester kommt es vor allem zu Fehlbildungen der inneren Organe, wie das Herz oder die Niere. Hinzu können noch ein verkleinerter Schädel (Mikrocephalie) und ein verkleinertes Gehirn (Mikroenzephalie) hinzukommen. Nicht selten kommt es auch zum Abort des Kindes. Das größte Risiko einer Fehlgeburt entsteht während des zweiten Trimesters. Auch hier sind Entwicklungsstörungen zu beobachten.
Das dritte und letzte Trimester ist vor allem durch körperliche und geistige Entwicklung charakterisiert, so dass es bei Alkoholkonsum zu schweren geistigen Entwicklungsstörungen, sowie Wachstumsstörungen beim Kind kommen kann.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Bei der Nagelhypoplasie ist nicht in jedem Falle eine Behandlung durch den Arzt erforderlich. In der Regel kann der Betroffene selbst darüber entscheiden, ob die Beschwerden der Nagelhypoplasie behandelt werden müssen oder nicht. In vielen Fällen kann es durch die ästhetischen Beschwerden zu Depressionen oder zu einem verringerten Selbstwertgefühl kommen. In solch einem Fall kann die Nagelhypoplasie behandelt werden. Gegebenenfalls ist auch die Beratung durch einen Psychologen notwendig, damit es nicht zu weiteren Minderwertigkeitskomplexen kommt.
Weiterhin ist eine Untersuchung durch den Arzt dann sinnvoll, wenn die Haut sehr trocken ist und es zu einer verringerten Schweißbildung kommt. Ebenso kann die Nagelhypoplasie mit anderen Komplikationen in Verbindung stehen, wie zum Beispiel Fehlbildungen am Herzen oder an den Nieren. Solche Beschwerden müssen in jedem Fall von einem Arzt untersucht und behandelt werden. Auch Wachstumsstörungen können bei Kindern auftreten, diese müssen ärztlich überwacht werden. Sollte sich die Nagelhypoplasie nur auf Beschwerden der Nägel und der Haut beziehen, so kann eine Transplantation diese Beschwerden relativ einfach lösen.
Behandlung & Therapie
Eine gering ausgeprägte, symptomlose Nagelhypoplasie bedarf keiner Therapie. Da die Nagelveränderungen in der Regel im Rahmen eines Syndroms auftreten, ist den weiteren Symptomen des Syndroms auch bei einer stark ausgeprägten Hypoplasie der Nägel Vorrang zu lassen. Das gilt vor allem für die Behandlung lebenswichtiger Organe. Wenn das Nagelbett komplett unbrauchbar ist, kann unter Umständen eine Korrektur der Dysplasie erfolgen.
In den meisten Fällen findet diese Korrektur in Form einer Nagelbett-Transplantation statt. Das deformierte Nagelbett wird bei dieser Operation exzidiert. In den meisten Fällen wird das so entstehende Loch mit einem Hauttransplantat abgedeckt. Wenn die Haut verwachsen ist, lassen sich Kunstnägel an die Stelle einsetzen.
Da der Fokus bei der Behandlung einer Nagelhypoplasie vor allem auf einer kosmetischen Verbesserung liegt, erzielt diese Art der Nagelbett-Transplantation ausreichende Erfolge. Andere Menschen werden die Fehlbildung so kaum mehr oder überhaupt nicht mehr ausmachen können. Die Lebensqualität der Betroffenen steigt und psychischen Problemen aufgrund des kosmetischen Mankos ist vorgebeugt.
Aussicht & Prognose
In den meisten Fällen kommt es durch die Nagelhypoplasie zu keinen bestimmten Komplikationen oder Beschwerden. Falls das Symptom nur geringfügig auftritt, ist auch keine direkte Behandlung notwendig. Die Patienten leiden durch das Symptom vor allem an sehr kleinen und schmalen Nägeln. Es kommt zu einer sehr trockenen Haut und rissigen Nägeln. Diese können mit Hilfe von kosmetischen Mitteln oder mit einer Nageltransplantation behandelt werden.
In vielen Fällen sind allerdings nicht nur die Nägel betroffen. Die meisten Patienten leiden auch an Fehlbildungen am Herzen oder an einer Intelligenzminderung, falls die Nagelhypoplasie durch das Ellis-van-Creveld-Syndrom ausgelöst wurde.
Wenn die Fehlbildungen an den Nägeln den Patienten nicht weiter stören, ist keine Behandlung notwendig. Es kommt zu keinen Schmerzen und Beschwerden. Allerdings sollte eine Untersuchung der anderen Organe stattfinden, damit ein schwerwiegendes Syndrom ausgeschlossen werden kann. Sollten die Nägel optisch nicht ansprechend sein, kann auch eine Nagelbett-Transplantation durchgeführt werden. Dabei kommt es ebenso zu keinen weiteren Beschwerden. Vor allem bei Frauen kann die Nagelhypoplasie zu psychischen Beschwerden und zu einem verringerten Selbstwertgefühl führen, da für sie durchschnittlich die optische Erscheinung bedeutender ist als bei Männern.
Zu Komplikationen oder zu einem schwerwiegenden Verlauf kommt es in der Regel nur dann, wenn die Nagelhypoplasie durch ein anderes Syndrom ausgelöst wird.
Vorbeugung
Eine werdende Mutter kann zumindest einer Nagelhypoplasie in Zusammenhang mit einer Alkoholembryopathie vorbeugen, indem sie für die Zeit der Schwangerschaft abstinent bleibt und das ungeborene Kind so vor dem schädlichen Einfluss des Alkohols schützt. Im Zusammenhang mit erworbenen Nagelhypoplasien gilt Eisenkonsum als präventiv.
Das können Sie selbst tun
Bei einer Nagelhypoplasie sind bisher keine Möglichkeiten zur Selbsthilfe bekannt. Es handelt sich hier lediglich um ein Symptom, welches manchmal bei bestimmten angeborenen Erkrankungen auftritt und durch Eigenmaßnahmen nicht verändert werden kann. Im Rahmen der zugrunde liegenden Erkrankungen stellt dieses Symptom allerdings in der Regel auch nicht das Hauptproblem dar.
Die Lebensqualität des Patienten wird hauptsächlich durch andere körperlichen und teilweise auch geistigen Behinderungen dieser Erkrankungen stark eingeschränkt. Bei schwacher Ausbildung der Nagelhypoplasie ist oft hinsichtlich dieses Symptoms ohnehin keine Behandlung notwendig. Auch eine auffällige Deformation ruft keine Komplikationen, Beschwerden oder Schmerzen hervor, sodass aus gesundheitlichen Gründen weder eine Behandlung noch eine Selbstmedikation notwendig wären. Allerdings kann es dennoch vorkommen, dass der Patient aufgrund der Nagelhypoplasie an Minderwertigkeitskomplexen leidet und dadurch psychologische Probleme auftreten. Das wird aber nur dann der Fall sein, wenn die Fehlbildungen der Finger- und Zehennägel als Hauptsymptom erscheinen.
Da keine Möglichkeiten zur eigenen Behandlung bestehen, kann in diesen Fällen jedoch eine Nagelbetttransplantation als kosmetische Operation durchgeführt werden. Durch eine intensive psychologische Betreuung ist es allerdings auch möglich, dass die Lebensqualität der Betroffenen sogar bereits ohne einen chirurgischen Eingriff verbessert werden kann. Aufgrund der vielen anderen möglichen Symptome bedürfen Patienten mit Nagelhypoplasie jedoch oft lebenslanger Betreuung und Förderung.
Quellen
- Moll, I.: Dermatologie. Thieme, Stuttgart 2016
- Raab, E.: Nagelerkrankungen in der dermatologischen Praxis. Springer, Berlin 2012
- Rassner, G.: Dermatologie. Urban & Fischer, München 2009