Nervenleitgeschwindigkeit
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 28. Februar 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Die Nervenleitgeschwindigkeit gibt an, mit welcher Geschwindigkeit elektrische Reize entlang einer Nervenfaser übertragen werden. Durch die Messung der Nervenleitgeschwindigkeit können die Nervenfunktionen überprüft werden und das Nervensystem betreffende Krankheiten diagnostiziert werden. Die Geschwindigkeit der Übertragung von elektrischen Impulsen wird durch die Entfernung zweier Punkte und die benötigte Zeit berechnet.
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Was ist die Nervenleitgeschwindigkeit?
Die Nervenleitgeschwindigkeit (NLG) beschreibt die Geschwindigkeit, mit der elektrische Impulse entlang einer Nervenfaser an das Gehirn weitergeleitet werden. Die durchschnittliche Leitgeschwindigkeit der menschlichen Nerven liegt in dem Bereich von 1 bis 100 Metern pro Sekunde. Wie schnell die Nerven die elektrischen Impulse weiterleiten, hängt unter anderem von ihrer Beschaffenheit ab. Dicke und von einer Markscheide umgebene Axone leiten Reize schneller weiter als dünnere Fasern oder Axone ohne eine Markschicht.
Grundsätzlich ist jedoch jede Nervenfaser leitfähig. Dies ergibt sich bereits aus ihrer physischen Beschaffenheit: Innerhalb der Nervenfasermembran (Axolemm), einer isolierenden Hülle, befindet sich eine leitende Salzlösung (Elektrolyt). Durch dieses Elektrolyt werden elektrische Impulse entlang der Nervenfaser zwangsläufig weitergeleitet.
Die Membran der Nervenfaser isoliert jedoch nicht vollständig und die Salzlösung im Inneren weist einen hohen elektrischen Widerstand auf. Daher kommt es entlang einer Nervenfaser zu einem natürlichen Spannungsabfall bei der Übertragung von elektrischen Impulsen. Aus diesem Grund ist die Strecke für die Übertragung von Nervenimpulsen begrenzt und die Aktionspotentiale werden entlang eines Nervs zusätzlich passiv (durch eine Veränderung der Ionenpermeabilität) weitergeleitet.
Funktion & Aufgabe
Bei der Nervenleitgeschwindigkeit wird zwischen zwei verschiedenen Arten unterschieden: Die Geschwindigkeit in den sensiblen und in den motorischen Nerven. Neben diesen beiden Arten existieren auch noch vegetative Nerven. Die jeweilige Nervenleitgeschwindigkeit kann mit Hilfe einer Elektroneurographie (ENG) gemessen werden.
Motorische Nerven sind für die Steuerung von Bewegungen zuständig. Dazu leiten sie Reize aus dem Gehirn an die entsprechenden Muskeln weiter. Die Leitgeschwindigkeit der motorischen Nerven wird durch zwei Elektroden auf der Oberfläche der Haut gemessen, die direkt über dem entsprechenden Nerv platziert werden. Anschließend wird der Nerv mehrmals durch einen schwachen elektrischen Impuls stimuliert. Dies ist für den Patienten höchstens durch ein leichtes Kribbeln oder Ziehen wahrnehmbar. Aus der Entfernung der Elektroden voneinander sowie der Zeit, die der Impuls für das Zurücklegen dieser Strecke benötigt hat, kann die Geschwindigkeit der Reizübertragung errechnet werden.
Sensible Nerven hingegen leiten Reize, die von den menschlichen Sinnesorganen wahrgenommen werden (beispielsweise das Berühren eines Gegenstandes mit der Haut), an das Gehirn weiter. Um die Leitgeschwindigkeit der sensiblen Nerven zu messen, ist keine elektrische Stimulation notwendig. Ansonsten verläuft die Messung der sensiblen Nervenleitgeschwindigkeit nach dem gleichen Prinzip wie die der motorischen.
Das Prinzip der Nervenleitung gilt auch für das zentrale Nervensystem in Gehirn und Rückenmark. Die im Gehirn befindlichen Axone sind alle myelinisiert, also von einer Markscheide umgeben. Nur so können Gruppen von Nervenzellen auch über einen relativ großen Abstand synchronisiert werden, da myelinisierte Nerven eine höhere Leitfähigkeit haben. Im Umkehrschluss ist die Myelinisierung der Axone im Gehirn die Voraussetzung für höhere kognitive Prozesse und somit nur bei höher entwickelten Lebewesen vorhanden.
Krankheiten & Beschwerden
Auch bei der Verletzung eines einzelnen Nervs, beispielsweise durch Einklemmen, wird diese Methode angewendet. Selbst nach einer Phase des Alkoholmissbrauchs wird häufig eine Elektroneurografie angewandt, um den Zustand der Nerven und das Maß ihrer Schädigung zu untersuchen.
Besonders häufig wird die Messung der Nervenleitgeschwindigkeit bei dem Verdacht auf Polyneuropathie durchgeführt. Bei dieser Krankheit sind mehrere Nerven des peripheren Nervensystems betroffen, sowohl sensible als auch motorische sowie vegetative. Bei den betroffenen Nerven liegt in der Regel eine Störung der isolierenden Myelinscheide des Nerven selbst oder dessen Fortsatzes (Axons) vor. Im Zuge der Polyneuropathie kommt es zu Gefühlsstörungen oder Muskelschwäche. Die Ursachen für die Krankheit liegen meist tief und können von Mangel- oder Vergiftungserscheinungen des Körpers über Infektionskrankheiten bis zu Krebs reichen. Des Weiteren kommt es in Folge einer Erkrankung an Diabetes mellitus beim Patienten häufig zu einer Polyneuropathie.
Auch beim Karpaltunnel-Syndrom kann eine Messung der Nervenleitgeschwindigkeit Aufschluss geben. Bei diesem Syndrom ist der Nervus medianus im Handgelenk eingeklemmt, da der Karpalkanal zu wenig Platz bietet. In der Folge kommt es zu Taubheitsgefühlen oder Kribbeln in Teilen der Hand bis hin zu Schmerzen und Muskelabbau am Handballen. Auch beim Karpaltunnel-Syndrom kann eine ENG klären, ob ein operativer Eingriff notwendig ist.
Quellen
- Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
- Hacke, W.: Neurologie. Springer, Heidelberg 2010
- Masuhr K., Masuhr, F., Neumann, M.: Duale Reihe Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013