Nesidioblastose

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 8. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Bei der Nesidioblastose vergrößert sich die Bauchspeicheldrüse in Form einer Inselzell-Hyperplasie und ruft im Patienten eine starke Unterzuckerung mit neurologischen Symptomen hervor. Die Erkrankung ist erblich und geht auf eine Mutation im Gen-Locus p15.1 auf Chromosoms 11 zurück. Die Therapie erfolgt konservativ oder durch Resektion.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine Nesidioblastose?

Die Patienten der Nesidioblastose zeigen als Leitsymptom eine vergrößerte Bauchspeicheldrüse. Begleitsymptomatisch tritt mit der Vermehrung der Zellen eine Unterzuckerung auf.
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Die Hyperplasien sind eine Gruppe von Erkrankungen, die mit einer Vergrößerung bestimmter Gewebe oder Organe einhergehen. Die Ursache für die Größenzunahme ist eine Vermehrung der Zellzahl. Im Pankreas befinden sich die sogenannten Langerhans-Inseln, die endokrinen Zellansammlungen zum Kohlenhydratstoffwechsel entsprechen.

Eine erbliche Hyperplasie der Inselzellen ist die sogenannte Nesidioblastose. Die Krankheit wird auch persistierend hyperinsulinämische Hypoglykämie genannt und manifestiert sich im Kleinkindalter. Die Inselzell-Hyperplasie ruft vor allem neuroglukopenische Symptome hervor und gilt als eine verbreitete Hypoglykämie-Ursache. Zu den wichtigsten neurologischen Begleitsymptomen der Erkrankung zählen Sehstörungen, Sprachstörungen und Verwirrung, die der Inselzell-Hyperplasie ein klinisch ähnliches Bild wie einem Schlaganfall geben.

Die familiäre Form der Erkrankung lässt schon an Neugeborenen oftmals eine schwere Hypoglykämie entstehen, die bis ins Erwachsenenalter persistieren kann. Besonders im Erwachsenenalter denkt der Arzt bei den geschilderten Symptomen meist nicht zuerst an die Nesidioblastose.

Ursachen

Die erbliche Form der Nesidioblastose wird durch eine genetische Mutation verursacht. Als Lokus der Mutation wurde mittlerweile der Gen-Locus p15.1 auf Chromosoms 11 identifiziert. Durch den Gendefekts kommt es zu einer fokalen oder diffusen Vermehrung von Inselzellgewebe in der Bauchspeicheldrüse. Die fokale Form ruft eine fokal adenomatöse Hyperplasie hervor. Bei der diffusen Form hypertrophieren alle Beta-Zellen in den Langerhans-Inseln.

Die Begleitsymptome der Unterzuckerung sind eine natürliche Konsequenz aus der Hypertrophie und entsprechen damit einer indirekten Folge der genetischen Mutation. Für die Nesidioblastose wurde familiäre Häufung beobachtet. Die Erkrankung ist also erblich und tritt offenbar nicht sporadisch auf.

Wegen dem Leitsymptom der Unterzuckerung ist die Diagnose auf eine familiäre Nesidioblastose oftmals erschwert. Eine genetische Mutation wird bei Unterzuckerung in den seltensten Fällen angenommen. Dennoch ist die Inselzell-Hyperplasie gerade bei Kleinkindern die häufigste Ursache für die Symptome einer schweren Hypoglykämie.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die Patienten der Nesidioblastose zeigen als Leitsymptom eine vergrößerte Bauchspeicheldrüse. Begleitsymptomatisch tritt mit der Vermehrung der Zellen eine Unterzuckerung auf. Damit leiden die Betroffenen an den typischen Symptomen einer Hypoglykämie. Neben Zittern und Schwitzen kann zum Beispiel Herzklopfen oder Herzrasen durch eine Unterzuckerung entstehen. Auch Heißhunger und Blässe sind typische Symptome.

Bei einer schweren Hyperglykämie können diese Symptome mit neurologischen Symptomen vergesellschaftet sein. Benommenheit, Verwirrung oder Sprachstörungen können auftreten. Dasselbe gilt für Sehstörungen, Gefühlsstörungen, Psychosen und atypische Verhaltensweisen. Auch Schwindel und Kopfschmerzen können die Unterzuckerung begleiten.

Falls der Zuckerspiegel weiter fällt und extreme Werte erreicht, kann Bewusstlosigkeit oder sogar Koma eintreten. In den meisten Fällen der Nesidoblastose liegt keine milde, sondern eine äußerst schwere Unterzuckerung vor, die klinisch mit allen der genannten Symptome imponiert.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Die Diagnostik der Nesidioblastose stellt den Arzt vor eine Herausforderung. Die neurologischen Symptome lassen ihn bei Erwachsenen beispielsweise leicht an eine neurologische Erkrankung oder einen Schlaganfall denken. Wenn der Zusammenhang mit der Hypoglykämie hergestellt wurde, bedeutet das noch immer nicht automatisch, dass der Patient die Diagnose einer Nesidioblastose erhält.

Die Darstellung der vergrößerten Bauchspeicheldrüse kann zumindest eine Verdachtsdiagnose auf Nesidioblastose zur Folge haben. Eine Biopsie gibt meist endgültigen Aufschluss und sichert die Diagnose. Einfacher gestaltet sich die Diagnose, wenn die Erberkrankung in der Familie bereits bekannt ist. So kann der Arzt schon nach der Anamnese auf das Krankheitsbild verfallen.

Komplikationen

Bei der Nesidioblastose handelt es sich um eine schwerwiegende Erkrankung. Diese kann im schlimmsten Fall auch zum Tod des Betroffenen führen, sodass der Patient auf jeden Fall auf eine Behandlung angewiesen ist. In erster Linie leiden die Patienten dabei an einer deutlich vergrößerten Bauchspeicheldrüse. Weiterhin kommt es zu Herzrasen und oft auch zu Heißhunger. Die Betroffenen leiden an Schwitzen und Zittern und damit an einer deutlich verringerten Lebensqualität.

Es kommt auch zu einer Benommenheit und zu Störungen der Konzentration und der Koordination. Auch Lähmungen und andere Störungen der Sensibilität können aufgrund der Nesidioblastose auftreten und den Alltag des Patienten erschweren. Weiterhin führt die Nesidioblastose zu einem Koma oder zu einem Bewusstseinsverlust des Patienten. Wird die Erkrankung nicht behandelt, führt sie in der Regel zum Tode des Betroffenen.

Die Behandlung dieser Krankheit erfolgt mit Hilfe von Medikamenten. Dabei treten keine Komplikationen auf. Allerdings kann ein garantierter positiver Krankheitsverlauf nicht immer vorausgesagt werden. In der Regel muss die Bauchspeicheldrüse des Betroffenen entfernt werden. Auch die Lebenserwartung des Patienten wird aufgrund der Erkrankung in den meisten Fällen verringert.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Wurde in der Familie die Nesidioblastose bereits diagnostiziert, sollte der Nachwuchs grundsätzlich genetisch untersucht werden. So kann bereits im Vorfeld auf die mögliche Erkrankung reagiert und ein Behandlungsplan erstellt werden.

Bei Beschwerden wie Schwindel, Gangunsicherheiten, Kopfschmerzen oder einem allgemeinen Krankheitsgefühl sollte ein Arzt konsultiert werden. Starkes Schwitzen, ein Zittern der Gliedmaßen oder eine ungeplante Gewichtsveränderung sind Anzeichen einer gesundheitlichen Beeinträchtigung, die untersucht und behandelt werden sollte. Kommt es zu Schwellungen am Oberkörper, einem Engegefühl im Körperinneren oder einem allgemeinen Unwohlsein, ist ein Arzt aufzusuchen. Stellen sich verschiedene Funktionsstörungen ein, wird eine Störung der Verdauung wahrgenommen oder leidet der Betroffene unter Heißhungerattacken, sollte ein Arztbesuch erfolgen. Unregelmäßigkeiten des Herzrhythmus, Herzrasen oder Angstgefühle sind Anzeichen des Organismus für eine bestehende Erkrankung. Halten die Beschwerden über eine längere Zeit an oder nehmen sie an Intensität zu, wird ein Arzt benötigt.

Orientierungslosigkeit, Benommenheit oder Verwirrung sind ärztlich abklären zu lassen. Sie weisen auf Störungen der Gedächtnistätigkeit hin, bei denen Handlungsbedarf besteht. Unterbrechungen des Sprachflusses gelten ebenfalls als besorgniserregend und müssen untersucht werden. Bei einem akuten gesundheitsbedrohlichem Zustand ist ein Notarzt zu alarmieren und Erste-Hilfe-Maßnahmen sollten durchgeführt werden.

Behandlung & Therapie

Eine kausale Therapie steht für Patienten der Nesidioblastose bislang nicht zur Verfügung. Die Erkrankung ist eine genetische Erkrankung, die auf einer Mutation basiert. Aus diesem Grund könnte sie höchstens durch gentherapeutische Ansätze geheilt werden. Diese Ansätze werden derzeit zwar erforscht, aber haben bislang die klinische Phase nicht erreicht. Daher wird die Nesidioblastose zum gegenwärtigen Zeitpunkt ausschließlich symptomatisch behandelt.

Die symptomatische Behandlung entspricht vor allem einer Verminderung der Hypoglykämie. Zur Erhöhung des Blutzuckers stehen verschiedene Optionen zur Wahl, die sich alle als konservative Therapieschritte bezeichnen lassen. Meist besteht die Behandlung aus einer Kombination von diätischen Maßnahmen und medikamentösen Schritten.

Zur medikamentösen Therapie kann neben der Gabe von Somatostatinanaloga oder Nifedipin zum Beispiel auch die Gabe von Diazoxid infrage kommen. Ergänzt wird dieser Therapieschritt durch eine leucinreduzierte Diät. Viele der Patienten sprechen weder auf die genannten Medikamente, noch auf die diätischen Maßnahmen in ausreichendem Maße an.

Für diese Patienten entspricht die wichtigste Therapiemaßnahme einer subtotalen Pankreasresektion. Dieser operative Eingriff scheint in vielen Fällen zunächst kurativ zu sein. Bei einer unzureichend operativen Resektion der Bauchspeicheldrüse treten annähernd immer Rezidive ein. Um die Ursache der Erkrankung zu beseitigen, muss die Bauchspeicheldrüse entweder ersetzt oder zumindest bis zu 90 Prozent entfernt werden.

Mit einem Resektionsanteil um die 90 Prozent entsteht für die Patienten allerdings ein hohes Risiko, nach der Resektion an Diabetes mellitus zu erkranken. Aus diesem Grund muss nach einer Resektion in dazu ausgerichteten Zentren immer ein Monitoring des Blutzuckers erfolgen.


Aussicht & Prognose

Da es sich bei der Nesidioblastose um eine genetische Krankheit handelt, muss der Betroffene damit leben lernen und diverse Maßnahmen in seinen Alltag integrieren. Die dauerhafte medikamentöse Behandlung wirkt einer Unterzuckerung entgegen. Somit ist die tägliche Einnahme der Arzneimittel lebenswichtig für den Patienten.

Zusätzlich gilt es die vom Arzt verordneten diätischen Maßnahmen strikt einzuhalten. Dies erfordert eine ausreichende Aufklärung und eine komplette Ernährungsumstellung für den an Nesidioblastose Erkrankten. Viele Patienten sprechen auf die genannten medikamentösen und diätetischen Maßnahmen gut an und haben somit eine gute Prognose die Krankheit in den Griff zu bekommen und damit leben zu lernen. Wurde die Nesidioblastose operativ behandelt, und hat sich dadurch eine Zuckerkrankheit entwickelt (Diabetes Mellitus) muss sich der Betroffene auch ein Leben lang an strikte Diäten halten.

Die Nesidioblastose schränkt den Alltag der Erkrankten massiv ein. Selbst mit den genannten Behandlungsmethoden gilt für die Patienten ein Leben lang Stress und körperliche Anstrengungen zu vermeiden und Diät zu halten. Es ist außerdem erforderlich, den Blutzucker des Betroffenen stets im Auge zu behalten. Ebenso sind engmaschige ärztliche Kontrollen dauerhaft einzuplanen. Die Aussicht auf eine vollständige Genesung ist leider nicht gegeben. Ein Lebenlernen mit der Krankheit und die Integration derer in den Alltag sind für weitgehende Beschwerdefreiheit erforderlich.

Vorbeugung

Der Nesidioblastose lässt sich nicht erfolgsversprechend vorbeugen, da es sich bei der Erkrankung um eine genetisch bedingte und familiäre Krankheit handelt. Die genetische Beratung kann im weitesten Sinne als eine Vorbeugemaßnahme bezeichnet werden.

Nachsorge

Die ärztliche Nachsorge bezweckt unter anderem, das Wiederauftreten einer Erkrankung zu hemmen. Da für die Nesidioblastose allerdings genetische Ursachen verantwortlich sind, ist eine kausale Heilung ausgeschlossen. Lediglich die Beschwerden können durch eine Dauerbehandlung behoben werden. Damit kommen der Nachsorge der Nesidioblastose andere Ziele zu als etwa bei Tumorerkrankungen. Bei diesen besteht wenigstens die Chance, dass sie kurzzeitig oder dauerhaft verschwinden.

Die Behandlung erfolgt zumeist mit Medikamenten. Auch eine Diät wird angeregt. Ärzte versprechen sich durch eine konsequente Durchführung das Fernbleiben der Symptome. Arzt und Patient sprechen einen Rhythmus zu Verlaufskontrollen ab. Dabei soll die Wirksamkeit der Medikamente genauso überprüft wie eine Vermeidung von Komplikationen gewahrt werden.

Bildgebende Verfahren und eine Blutanalyse verschaffen Klarheit über den Fortgang der Erkrankung. Die Nachsorge häuft sich, wenn die gewählte Therapie nicht die gewünschte Wirkung entfaltet. Dann stellt sich die Frage eines chirurgischen Eingriffs.

Auch an dessen Ende ist eine Nachsorge ratsam, weil sich nicht selten Rezidive bilden. Auch besteht eine erhöhte Wahrscheinlichkeit an Diabetes mellitus zu erkrankten, was weitere Behandlungen nach sich zieht. Grundsätzlich erfordert die Nesidioblastose eine Umstellung der Ernährungsgewohnheiten, die in einer Beratung thematisiert werden.

Das können Sie selbst tun

Die Nesidioblastose ist eine schwerwiegende Erkrankung, die in jedem Fall ärztlich behandelt werden muss. Erkrankte können die Therapie unterstützen, indem sie eine ausgewogene Diät pflegen. Wichtig ist der Verzicht auf fettreiche Lebensmittel und der Verzehr vieler vitaminreicher Lebensmittel. Speisen mit Aminosäuren sollten in reduzierten Mengen verzehrt werden. Zudem sollte auf Alkohol, Koffein und sonstige Genussmittel verzichtet werden.

Um der Unterzuckerung entgegenzuwirken, darf Zucker nur in moderaten Mengen verzehrt werden. Der Arzt wird außerdem Ruhe und Entspannung verordnen. Stress und körperliche Anstrengung können die typischen Beschwerden verstärken und sind deshalb zu vermeiden. Da es sich bei der Nesidioblastose um eine Erkrankung handelt, die eine Hypoglykämie und weitere Krankheiten nach sich ziehen kann, ist eine engmaschige ärztliche Überwachung notwendig. Betroffene Personen sollten zudem ein Beschwerdetagebuch anlegen und darin etwaige Symptome und Beschwerden notieren. Wenn die genannten Maßnahmen keine Wirkung zeigen, muss der Arzt informiert werden.

Eltern von betroffenen Kindern können aufgrund der großen psychischen Belastung, die mit der Erkrankung einhergeht, therapeutische Unterstützung hinzuziehen. Körperliche Beschwerden wie Atemnot und Nervosität lassen sich durch Krankengymnastik und Sport lindern.

Quellen

  • Arasteh, K., et. al.: Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Murken, J., Grimm, T., Holinski-Feder, E., Zerres, K. (Hrsg.): Taschenlehrbuch Humangenetik. Thieme, Stuttgart 2011
  • Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013

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