Diazoxid

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 25. April 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Diazoxid ist eines der bedeutendsten Derivate des Benzothiadiazins. Der Arzneistoff findet als Kaliumkanalöffner zur Behandlung von Hypoglykämien Anwendung und wird oral in Form von Kapseln eingenommen. Die Wirkung von Diazoxid ist u. a. auf eine Hemmung der Freisetzung von Insulin zurückzuführen.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Diazoxid?

Diazoxid hat eine starke hyperglykämische Wirkung. Das bedeutet, dass die Substanz zu einen erhöhten Blutzucker führt, also eine Unterzuckerung vermeidet.
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Bei Diazoxid handelt es sich um einen wichtigen Vertreter der Gruppe der sogenannten Antihypoglykämika. Hierunter werden in der humanmedizinischen Fachliteratur diverse Präparate bzw. Wirkstoffe zusammengefasst, die zur Behandlung einer pathogen abgesunkenen Konzentration von Glukose im Blut (sogenannte Hypoglykämie) verschrieben werden.

Chemisch betrachtet stellt Diazoxid ein Derivat des Benzothiadiazins dar. Als solches verfügt Diazoxid, das auch als Diazoxidum bezeichnet wird, über keine diuretischen Wirkungen. Der liphphile Stoff wird in der Pharmakologie und Chemie durch die Summenformel C 8 – H 7 - C – I – N 2 – O 2 – S beschrieben. Das entspricht in etwa einer moralen Masse von 230,67 g/mol.

Bei Zimmertemperatur liegt Diazoxid als weißes, kristallines Pulver vor. In Präparaten kommt der medizinische Wirkstoff in der Regel in Kapseln zum Einsatz, die vom Patienten eigenständig oral eingenommen werden. Diazoxidhaltige Präparate unterliegen in der Europäischen Union der Apotheken- und Verschreibungspflicht, sodass ein Erwerb auf eigene Faust nicht gestattet ist.

Pharmakologische Wirkung auf Körper & Organe

Diazoxid hat eine starke hyperglykämische Wirkung. Das bedeutet, dass die Substanz zu einen erhöhten Blutzucker führt, also eine Unterzuckerung vermeidet. Damit kann die Wirkung von Diazoxid als das Gegenstück einer hypoglykämischen, d. h. blutzuckerabfallenden Wirkung bezeichnet werden.

Durch langjährige Forschung wurde erwiesen, dass die hyperglykämischen Effekte von Diazoxid auf einer Hemmung der Insulinfreisetzung beruhen. Der Arzneistoff kann damit auch als Insulininhibitor bezeichnet werden. Auch gilt Diazoxid als Kaliumkanalöffner.

Zudem wird vermutet, dass ein Anstieg des Blutzuckerspiegels im Allgemeinen eine Verbindung mit dem Insulingehalt aufweist. Dies könnte auf eine Erhöhung der Katecholamine zurückzuführen sein.

Medizinische Anwendung & Verwendung zur Behandlung & Vorbeugung

Diazoxid ist zur Behandlung einer Hypoglykämie indiziert. Daneben kommt der Arzneistoff auch in Präparaten zur Therapie der Glykogenspeicherkrankheit, angeborenen Leucin-Hypersensibilitäten, bei maligner Hypertonien sowie Niereninsuffizienzen zum Einsatz.

Diazoxid wird oral in Form von Kapseln verabreicht und vom Patienten eigenständig nach vorheriger ärztlicher Verordnung eingenommen. In der Europäischen Union unterliegt Diazoxid der Apotheken- und Arzneipflicht, sodass stets ein ärztliches Rezept erforderlich ist.

Zu den bekanntesten Präparaten, die Diazoxid enthalten, zählen Proglicem® (Vertrieb in Deutschland und Schweiz) sowie Proglycem® (Vertrieb in den USA).


Verabreichung & Dosierung

Diazoxid ist ein Vasodilatator, der hauptsächlich zur Behandlung von Hypoglykämie bei Patienten mit Insulinomen oder anderen hyperinsulinämischen Zuständen verwendet wird. Die korrekte Verabreichung und Dosierung von Diazoxid sind entscheidend für seine Wirksamkeit und Sicherheit. Hier einige wichtige Punkte:

Dosierung: Die initiale Dosierung von Diazoxid ist individuell anzupassen, typischerweise beginnt man bei Erwachsenen mit einer Dosis von 3 mg/kg Körpergewicht pro Tag, verteilt auf zwei bis drei Dosen. Die Dosis kann je nach Blutzuckerreaktion und Verträglichkeit schrittweise erhöht werden. Die Erhaltungsdosis liegt häufig zwischen 3 und 8 mg/kg/Tag.

Verabreichungsweise: Diazoxid wird oral eingenommen. Die Kapseln sollten ganz geschluckt und nicht zerkaut oder geöffnet werden, da Diazoxid einen sehr bitteren Geschmack hat.

Überwachung: Die Blutzuckerspiegel sollten regelmäßig überwacht werden, um sicherzustellen, dass sie innerhalb des gewünschten Bereichs liegen und Hypoglykämie vermieden wird. Ebenso ist es wichtig, den Blutdruck zu überwachen, da Diazoxid blutdrucksenkende Eigenschaften hat.

Nebenwirkungen: Zu den häufigen Nebenwirkungen gehören Natrium- und Wasserretention, was zu Schwellungen und Gewichtszunahme führen kann. Hypotonie und Hyperglykämie sind ebenfalls mögliche Nebenwirkungen, besonders bei höheren Dosierungen.

Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten: Diazoxid kann mit anderen blutdrucksenkenden Medikamenten interagieren und deren Wirkung verstärken. Daher ist Vorsicht geboten, wenn es zusammen mit anderen Antihypertensiva oder Diuretika verwendet wird.

Da Diazoxid eine signifikante Wirkung auf verschiedene Körpersysteme hat, sollte die Anwendung sorgfältig abgewogen und unter medizinischer Aufsicht erfolgen, um optimale Therapieergebnisse zu erzielen und Nebenwirkungen zu minimieren.

Risiken & Nebenwirkungen

Die Einnahme von Diazoxid bleibt nicht frei von Risiken. Die Wahrscheinlichkeit, mit der Nebenwirkungen auftreten können, hängt von der individuellen Disposition des Patienten sowie dem jeweils eingenommenen Präparat ab.

Die Anwendung von Diazoxid hat gänzlich zu unterbleiben, wenn eine Kontraindikation besteht. Das ist während der Schwangerschaft und Stillzeit der Fall sowie bei Herzinsuffizienzen und nach einem Herzinfarkt. Auch bei einer bekannten Überempfindlichkeit gegenüber Diazoxid darf der Arzneistoff nicht verabreicht werden, da die Risiken unkontrollierbar werden.

Zu den in Betracht zu ziehenden unerwünschten Nebenwirkungen von Diazoxid gehören Reaktionen der Haut (z. B. Hautausschlag, Quaddeln, Rötungen oder Juckreize), ein erhöhter Cholesteringehalt im Blut sowie die Entstehung einer Abhängigkeit.

Zu den weiteren unerwünschten Nebenwirkungen, die nach der Einnahme von Diazoxid auftreten können, gehören Fieber, ein allgemeines Schwächebefinden oder Unwohlsein, Schwindelgefühle, Unruhe, Schlafstörungen, starke Ermüdung, Kopf- sowie Gliederschmerzen.

Darüber hinaus sind auch eine Pankreatitis sowie Herzrhythmusstörungen möglich. Zudem können Störungen des Gastrointestinaltrakts auftreten. Diese machen sich nach der Einnahme von Diazoxid vor allem durch Durchfall (Diarrhoe), Verstopfung (Obstipation), Übelkeit und Erbrechen, Appetitlosigkeit sowie Bauchschmerzen bemerkbar.

Kontraindikationen

Trotz seiner Wirksamkeit gibt es spezifische Kontraindikationen, bei denen der Einsatz von Diazoxid vermieden werden sollte:

Herzerkrankungen: Da Diazoxid eine vasodilatierende Wirkung hat, kann es bei Patienten mit bestimmten Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinsuffizienz kontraproduktiv sein. Es kann die Symptome verschlimmern, indem es die Herzbelastung durch die Erhöhung des Blutvolumens und des Herzzeitvolumens steigert.

Schwere Niereninsuffizienz: Diazoxid wird hauptsächlich über die Nieren ausgeschieden. Bei Patienten mit schwerer Niereninsuffizienz kann die Anwendung von Diazoxid zu einer Akkumulation des Medikaments führen, was das Risiko von toxischen Effekten erhöht.

Hypertonie: Obwohl Diazoxid zur Behandlung von Bluthochdruck verwendet werden kann, ist es bei Patienten mit unkontrollierter oder maligner Hypertonie kontraindiziert, da es zu einer plötzlichen und unvorhersehbaren Senkung des Blutdrucks führen kann.

Allergien: Patienten, die eine bekannte Überempfindlichkeit gegen Diazoxid oder einen der sonstigen Bestandteile des Medikaments haben, sollten dieses Medikament nicht verwenden.

'Schwangerschaft: Diazoxid ist in der Schwangerschaft kontraindiziert, insbesondere im ersten Trimester, da es den Fötus schädigen kann. Die Verwendung sollte während der gesamten Schwangerschaft vermieden werden, es sei denn, der potenzielle Nutzen rechtfertigt das Risiko für den Fötus.

Diese Kontraindikationen unterstreichen die Notwendigkeit einer sorgfältigen medizinischen Überwachung und Bewertung vor und während der Behandlung mit Diazoxid, um sicherzustellen, dass es sicher und angemessen für den jeweiligen Patienten ist.

Interaktionen mit anderen Medikamenten

Diazoxid, ein Vasodilatator, der hauptsächlich zur Behandlung von Hypoglykämie bei Insulinomen verwendet wird, kann signifikante Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten aufweisen. Diese Interaktionen sind wichtig zu berücksichtigen, um potenzielle Risiken zu vermeiden und die Wirksamkeit der Behandlung sicherzustellen:

Antihypertensive Medikamente: Die gleichzeitige Anwendung von Diazoxid mit anderen blutdrucksenkenden Medikamenten wie Beta-Blockern, ACE-Hemmern oder Diuretika kann die blutdrucksenkende Wirkung verstärken und zu einer Hypotonie führen. Dies erfordert eine sorgfältige Überwachung des Blutdrucks und gegebenenfalls eine Anpassung der Dosierungen.

NSAIDs (nichtsteroidale entzündungshemmende Medikamente): NSAIDs können die blutdrucksenkende Wirkung von Diazoxid abschwächen, da sie die Prostaglandinsynthese hemmen, welche eine Rolle in der blutdruckregulierenden Wirkung von Diazoxid spielt.

Orale Antidiabetika und Insulin:' Diazoxid kann den Blutzuckerspiegel erhöhen, was bei gleichzeitiger Anwendung mit oralen Antidiabetika oder Insulin zu einer gegenseitigen Beeinflussung der Wirkungen führen kann. Patienten können eine Anpassung der Dosierung ihrer Diabetes-Medikamente benötigen.

Diuretika: Da Diazoxid zu Natrium- und Wasserretention führen kann, kann die gleichzeitige Anwendung mit Diuretika, insbesondere Schleifendiuretika wie Furosemid, zu verstärkten Elektrolytstörungen führen.

Herzglykoside (z.B. Digoxin): Die verstärkende Wirkung von Diazoxid auf das Herzzeitvolumen kann die Effekte von Herzglykosiden beeinflussen. Dies kann besonders kritisch sein bei Patienten mit Herzinsuffizienz, bei denen eine genaue Abstimmung der Medikation notwendig ist.

Diese Interaktionen erfordern eine sorgfältige Abwägung und möglicherweise Anpassungen der Medikation durch den behandelnden Arzt, um eine sichere und effektive Therapie zu gewährleisten.

Alternative Behandlungsmethoden

Wenn Diazoxid wegen Unverträglichkeiten oder Kontraindikationen nicht geeignet ist, insbesondere bei der Behandlung von Hypoglykämie aufgrund von Insulinomen, gibt es alternative Behandlungsoptionen, die in Betracht gezogen werden können:

Octreotid: Octreotid, ein Somatostatin-Analogon, kann die Sekretion von Insulin wirksam unterdrücken. Es wird häufig als erste alternative Behandlung zu Diazoxid bei Patienten mit Insulinomen verwendet, die nicht operiert werden können oder bei denen eine medikamentöse Therapie bevorzugt wird. Octreotid kann subkutan oder als Langzeitdepot intramuskulär verabreicht werden.

Streptozotocin: Dies ist ein chemotherapeutisches Mittel, das speziell zur Behandlung von pankreatischen Inselzelltumoren eingesetzt wird. Streptozotocin wird typischerweise in Kombination mit anderen Chemotherapeutika verwendet, um die Tumorzellen zu zerstören und die Insulinproduktion zu reduzieren.

Lanreotid: Ähnlich wie Octreotid ist Lanreotid ein weiteres Somatostatin-Analogon, das zur Behandlung von neuroendokrinen Tumoren eingesetzt wird und die Insulinfreisetzung effektiv verringern kann. Es wird meistens als Depot-Injektion verabreicht, die eine verlängerte Wirkung hat.

Everolimus: Ein mTOR-Inhibitor, der in der Behandlung von fortgeschrittenen neuroendokrinen Tumoren eingesetzt wird. Everolimus kann das Tumorwachstum verlangsamen und die Insulinproduktion verringern.

Chirurgische Intervention: Wenn medikamentöse Therapien nicht wirksam sind oder nicht vertragen werden, kann eine chirurgische Entfernung des Insulinoms in Betracht gezogen werden. Dies ist oft eine bevorzugte Methode, wenn der Tumor lokalisiert und operabel ist.

Diese Alternativen bieten verschiedene Ansätze zur Behandlung von Hypoglykämie bei Patienten mit Insulinomen und sollten je nach individueller Patientensituation und in Absprache mit einem spezialisierten Arzt erwogen werden.

Quellen

  • "Goodman & Gilman's The Pharmacological Basis of Therapeutics" von Laurence Brunton, Randa Hilal-Dandan, und Bjorn Knollmann
  • "Rang & Dale's Pharmacology" von Humphrey P. Rang, Maureen M. Dale, James M. Ritter, und Rod J. Flower
  • "Basic and Clinical Pharmacology" von Bertram Katzung, Anthony Trevor

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