Perichondrale Ossifikation

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 8. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die perichondrale Ossifikation entspricht dem Dickenwachstum der Knochen. Dieses Wachstum findet über den Zwischenschritt der Knorpelbildung statt. Perichondrale Knochenbildungsstörungen liegen zum Beispiel bei der Glasknochenkrankheit vor.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die perichondrale Ossifikation?

Die perichondrale Ossifikation entspricht dem Dickenwachstum der Knochen.

Die Ossifikation oder Osteogenese ist ein Prozess der Knochenbildung. Der Organismus betreibt sowohl zum Längen-, als auch Dickenwachstum Osteogenese. Relevant ist die Ossifikation außerdem nach Frakturen und anderweitigen Knochenverletzungen.

Bei der Ossifikation wird eine desmale von einer chondralen Form unterschieden. Desmale Ossifikation ist direkte Osteogenese. Das heißt, das Knochenmaterial wird ohne Zwischenschritte aus Bindegewebe gebildet. Die chondrale Ossifikation entspricht dagegen einer indirekten Osteogenese. Bei diesem Prozess bildet sich der Knochen über einen Zwischenschritt. Dieser Zwischenschritt entspricht der Knorpelbildung. Das Produkt der indirekten Ossifikation wird Ersatzknochen genannt.

Die chondrale Ossifikation lässt sich abhängig von ihrer Anbaurichtung weiter in perichondrale und enchondrale Ossifikation untergliedern. Bei der perichondralen Form finden der Wachstum in die Breite statt. Knochengewebe wird von außen an bestehendes Gewebe angebaut. Die enchondrale Ossifikation findet dagegen von innen statt. Als Dickenwachstum ist die perichondrale Ossifikation eine Form der appositionellen Osteogenese.

Funktion & Aufgabe

Knochen leben. Dass dem so ist, bemerkt der Mensch vorwiegend nach einem Knochenbruch, der durch Wachstumsprozesse wieder verheilen kann. Die Ossifikationsprozesse sind für dieses Phänomen genauso entscheidend, wie für die Wachstumsprozesse der frühen Lebensjahre.

Das wichtigste Material für Knochenbildung ist das Mesenchym. Dabei handelt es sich um Stützbindegewebe, das aus dem Mesoderm hervorgeht. Aus dem Mesenchym bildet der Körper bei der chondralen Ossifikation zunächst knorpelige Skelettelemente, die auch als Primordialskelett bezeichnet werden. Die indirekte Osteogenese setzt sich mit der Verknöcherung dieses Knorpelgewebes fort.

Die Verknöcherung von innen entspricht der enchondralen Ossifikation. In den Knorpel wachsen dabei Blutgefäße ein, die von Mesenchymzellen begleitet werden. Die eingewanderten Mesenchymzellen durchlaufen einen Differenzierungsprozess und werden entweder zu Chondroklasten oder Osteoblasten. Chondroklasten bauen Knorpel ab. Osteoblasten sind dagegen am Knochenaufbau beteiligt.

In den Epiphysenfugen finden so permanent Auf- und Abbauprozesse statt, die den Knochen in die Längen wachsen lassen. Dieses Wachstum heißt auch interstitielles Wachstum. Im Knocheninneren entsteht so ein Innenraum, der als primäres Mark bezeichnet wird. Nach dem Ersatz mit pluripotenten Mesenchymzellen wird dieses Primärmark zum eigentlichen Knochenmark.

Neben dem Längenwachstum findet auch Dickenwachstum statt. Dieser Prozess entspricht einer Verknöcherung von außen, also einer perichondralen Ossifikation. Osteoblasten sondern sich bei diesem Vorgang von der Haut des Knorpels (Perichondrium) ab. Sie lagern sich nach der Ablösung in Form eines Ringes um das Modell des Knorpels an. Dabei entsteht eine sogenannte Knochenmanschette. Perichondrale Ossifikation ereignet sich immer am Mittelschaft (Diaphyse) langer Röhrenknochen und entspricht deren appositionellem Wachstum.

Die Verknöcherungspunkte im Rahmen der Ossifikation werden auch Ossifikationszentren oder Knochenkerne genannt. Sowohl bei der perichondralen, als auch der enchondralen Ossifikation geben die beteiligten Osteoblasten Osteoid, ab. Osteoblastenfermente nehmen Einfluss und unterstützen die Ablagerung von Kalksalzen. Nach diesen Prozessen werden die Osteoblasten zu Osteozyten.

Bei der Heilung von Knochenbrüchen entstehen durch Ossifikationsprozesse Geflecht- und Faserknochen, die durch Knochenumgestaltungsprozesse immer belastbarer werden. Beim Knochenwachstum spielt sich das Längenwachstum im Abschnitt der Wachstumsplatte am Mittelstück ab, um deren Rand die perichondralen Knochenmanschetten liegen.

Die Chondrozyten vermehren sich schließlich in Richtung Epiphyse. In der Reservezone liegt ein Vorrat an undifferenzierten Chondrozyten vor. In der Proliferationszone sind aktive Chondrozyten enthalten, die sich auf mitotische Weise vermehren und so longitudinale Säulen bilden. In der hypertrophen Zone wachsen die säulenartig aufgestellten Chondrozyten hypertroph und mineralisieren die longitundinalen Septen.

Erst in der Öffnungszone werden Enzyme abgesondert, die die transversalen Septen bauen. Die longitudinalen Septen werden in der Öffnungszone von Osteoblasten ossifiziert. Am Ende der Wachstumsphase wachsen Dia- und Epiphyse knöchern zusammen.


Krankheiten & Beschwerden

Krankheiten mit Bezug zur Osteogenese sind auch als Knochenbildungsstörungen bekannt. In diese Gruppe fällt zum Beispiel die mutationsbedingte Achondroplasie, die als häufigste Ursache für genetisch bedingten Kleinwuchs bekannt ist. Eine Punktmutation im Wachstumsfaktor-Rezeptor-Gen FGFR-3 stört die Knorpelbildung. So verknöchert die Knochenwachstumszone verfrüht und schränkt damit das Längenwachstum der Arme und Beine ein. Diese Erkrankung ist eine enchondrale Ossifikationsstörung.

Auch die meisten anderen Knochenwachstumsstörungen betreffen vor allem die enchondrale und eher weniger die perichondrale Ossifikation. Ein zweites Beispiel aus derselben Krankheitsgruppe ist die Fibrodysplasia ossificans progressiva, bei der das Bindegewebe vorzeitig verknöchert. Ursächlich dafür ist ein fehlendes Abschaltsignal für das Gen, das das Skelettwachstum in der Entwicklung des Fötus kontrolliert.

Die Glasknochenkrankheit betrifft neben der enchondralen Ossifikation auch direkt die perichondrale Osteogenese. Kollagene des Typ I sind ein Hauptelement des Bindegewebes und für jeglichen Aufbau der Knochenmatrix entsprechend relevant. Bei der Glasknochenkrankheit verändert eine Punktmutation des Typ-I-Kollagen auf Chromosomen 7 und 17 die Struktur der Kollagene. Die wichtigsten Aminosäuren des Kollagens werden aus diesem Grund mit anderen Aminosäuren vertauscht. Die Kollagensynthese ist so vermindert und die Verdrillung der Tripelhelix wird behindert. Die Kollagene verlieren daher ihre Stabilität. Die Betroffenen Knochen sind daher von glasiger Struktur und brechen bei der kleinsten Belastung.

Quellen

  • Adler, C.-P.: Knochenkrankheiten. Springer, Heidelberg 2004
  • Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013
  • Wülker, N., Kluba, T., Roetman, B., Rudert, M.: Taschenlehrbuch Orthopädie und Unfallchirurgie. Thieme, Stuttgart 2015

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