Pericyt
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. April 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Pericyten sind Zellen der extrazellulären Matrix und umschließen mit ihren kontraktilen Fortsätzen alle Kapillargefäße. In einer Hauptfunktion übernehmen sie die Weit- und Engstellung der Kapillaren, weil die Endothelien der Kapillare keine Muskelzellen aufweisen und auf die Steuerung ihres Lumens von außen angewiesen sind. Darüber hinaus übernehmen Pericyten wichtige Funktionen bei der Proliferation von Endothelzellen bei der Neubildung (Angiogenese) von Gefäßen.
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Was ist ein Pericyt?
Pericyten (Perizyten) sind Bestandteil der extrazellulären Matrix, also Teil des Bindegewebes. Charakteristisch für die Pericyten sind ihre kontraktilen sternförmigen Zellfortsätze, mit denen sie die Kapillaren umspannen, um sie je nach Bedarf weit- oder engstellen zu können.
Weil in den Wänden von Arterien und Venen auch glatte Muskelzellen integriert sind, können die (gesunden) Gefäße die Weit- und Engstellung selbst bewerkstelligen. Die Gefäßwände der Kapillaren enthalten keine glatten Muskelzellen, so dass sie auf die Unterstützung durch die Pericyten angewiesen sind. Die meisten Pericyten entstammen dem Mesenchym. Einige Autoren vertreten die Ansicht, dass sie sich auch durch Umwandlung von Endothelzellen entwickeln können.
Umgekehrt wird auch vermutet, dass sich aus Pericyten auch andere mesenchymale Zellen wie Fibroblasten, Osteoblasten, Chondrozyten und andere entwickeln können. Weil Pericyten direkt in die Basalmembran der Kapillaren integriert sind, werden sie auch den Gefäßwandzellen zugerechnet. Perizyten sind in allen Geweben vertreten, die von Blutgefäßen durchzogen sind. Auffällig ist, dass sie in besonderer Häufung im Zentralnervensystem zu finden sind und in Zusammenhang mit der Aufrechterhaltung der Blut-Hirn-Schranke gebracht werden.
Anatomie & Aufbau
In Gewebe, das sich regeneriert oder sich in der Wachstumsphase befindet, nehmen die Kerne eine kugelige Gestalt an und sind euchromatisch aufgelockert. In ausdifferenziertem Gewebe erscheinen die Kerne heterochromatisch und abgeflacht. Das Zytoplasma enthält Mitochondrien zur Energieversorgung, Myofilamente und Glykogenpartikel. Die Myofilamente sind fadenförmige Proteinstrukturen, die in einem komplexen Zusammenspiel zwischen Myosin und Aktin für die Kontraktilität der vielfachen Zellfortsätze der Pericyten sorgen. Die Verbindung zwischen den Fortsätzen und dem Endothel der Kapillaren erfolgt über sogenannte Tight Junctions, die auch die Kontraktionskräfte auf das Endothel der Kapillaren übertragen.
Das Zytoplasma enthält beherbergt außerdem multivesikuläre Einschlüsse und Plasmalemmvesikel, die ansonsten nur als vesikuläre Einschlüsse im Zytoplasma von Endothelzellen zu finden sind. Die vielfachen Zellfortsätze, die die Kapillaren umschließen, weisen an ihren Enden häufig keulenförmige Erweiterungen auf. Einige Autoren vertreten die Ansicht, dass diese Erweiterungen dazu dienen, bei Bedarf die Lücken im Endothel der Kapillaren zu schließen oder zu öffnen, um den Stoffaustausch, der über die Lücken (Löcher) erfolgt, zu steuern.
Diese Annahme ist kompatibel mit der Häufung der Pericyten im ZNS. Die Pericyten umschließen im ZNS die Kapillaren nahezu lückenlos, so dass sie den Stoffaustausch der Kapillaren mit dem umgebenden Nervengewebe bei Bedarf fast vollständig unterbinden können. Pericyten verfügen über alle notwendigen „Werkzeuge“, um Proteine synthetisieren zu können.
Funktion & Aufgaben
Die Pericyten übernehmen eine Reihe verschiedener bekannter Hauptaufgaben und Funktionen. Allerdings sind noch nicht alle Funktionen der Pericyten hinreichend bekannt, so dass weiterer Forschungsbedarf besteht. Eine der unbestrittenen Hauptaufgaben besteht in der Regulation des Gefäßtonus in den Kapillaren, die sie umschließen.
Die Pericytenfortsätze können kontrahieren oder dilatieren und über Tight Junctions die kontrahierende oder dilatierende Wirkung auf die Kapillaren übertragen. Auch bei der Aufrechterhaltung der Blut-Hirn-Schranke im ZNS übernehmen Pericyten wichtige Funktionen. Erweiterungen an ihren Fortsätzen machen es möglich, die fenestrierten (mit Lücken oder Löchern versehenen) Endothelien der Kapillaren, über die der Austausch mit Makromolekülen stattfindet, nahezu vollständig zu schließen. Es entsteht dadurch ein sehr selektiver Stoffaustausch zwischen ZNS und den Blutkapillaren. Hierdurch soll erreicht werden, dass toxische Stoffe, pathogene Keime oder bestimmte Hormone nicht in das Nervengewebe des ZNS eindringen können.
Eine weitere Aufgabe der Pericyten besteht darin, die Angiogenese, die Bildung neuer Blutgefäße in neuem oder wachsendem Gewebe zu unterstützen. Die Zellfortsätze der Pericyten geben den neuen Blutgefäßen physische Stabilität und synthetisieren Botenstoffe, die die Angiogenese anregt. Welche Rolle Pericyten bei durch Infektionen oder stumpfen (sterilen) Verletzungen verursachten Entzündungen spielen, ist noch nicht hinreichend erforscht.
Krankheiten
In beiden Fällen kommt es zu Störungen des kapillaren Blutdrucks und Stoffaustausches. Im frühen Stadium einer diabetischen Retinopathie kommt es zu einem zunehmenden Verlust von Pericyten im Bereich der Netzhaut, so dass die für die Kapillaren die Haltefunktion der Pericyten verloren geht und es häufig zu Mikroaneurismen an der Netzhaut mit entprechenden Sehbeeinträchtigungen kommt.
Der Verlust an Pericyten im ZNS älterer Menschen kann zu einer Funktionsbeeinträchtigung der Blut-Hirn-Schranke führen und zu einem nicht vorgesehenen Stoffaustausch kommen und neurodegenerative Entzündungen auslösen und zu vermehrtem Zelltod (Apoptose) der Nervenzellen führen. Nach Schlaganfällen wurde beobachtet, dass Kapillaren im Bereich des ZNS von Pericyten eingeengt wurden und dann abstarben, was die Blut-Gehirn-Schranke weiter beeinträchtigt und zu vermehrtem Absterben von Nervenzellen führt.
Quellen
- Benninghoff/Drenckhahn: Anatomie. Urban & Fischer, München 2008
- Drenckhahn, D.: Anatomie. Band 1: Makroskopische Anatomie, Histologie, Embryologie, Zellbiologie. Urban & Fischer, München 2008
- Gerok, W., Huber, C., Meinertz, T., Zeidler, H. (Hrsg.): Die innere Medizin – Referenzwerk für den Facharzt. Schattauer, Stuttgart 2007