Phylogenese

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 13. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die Phylogenese entspricht der stammesgeschichtlichen Entwicklung einer Art von Lebewesen. Es geht also um die prozesshafte Entwicklungsgeschichte des Menschen und anderer Arten und um die Merkmale die diese Arten unterscheiden. Untersuchungen zur Phylogenese entsprechen einer Analyse von einzelnen oder mehreren Merkmalen und werden oft in Stammbäume gefasst. Auch zu einzelnen Krankheiten lassen sich phylogenetische Analysen erstellen.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Phylogenese?

Die Phylogenese entspricht der stammesgeschichtlichen Entwicklung einer Art von Lebewesen.

Mit dem Begriff der Phylogenese bezeichnet die Biologie die stammesgeschichtliche Entwicklung einer Gesamtheit an Lebewesen und deren Verwandtschaftsgruppen. Zuweilen umfasst der Begriff auch die fortschreitende Entwicklung von Einzelmerkmalen im entwicklungsgeschichtlichen Verlauf und beinhaltet in diesem Fall vor allem Zusammenhänge der Evolution.

Von der Phylogenese ist die Ontogenese zu unterscheiden, die sich auf die Entwicklung einzelner Individuen innerhalb einer bestimmten Art bezieht. Eine phylogenetische Rekonstruktion für eine bestimmte Gruppe findet immer durch Untersuchungen ihrer erblichen Eigenschaften statt. Diese Analyse von Merkmalen wird sowohl an der lebenden Art vorgenommen, als auch an ihren fossilen Vertretern.

Die Rekonstruktion einer Phylogenese hat die Klärung von Verwandtschaftsverhältnissen der einzelnen Arten zum Ziel und ermöglicht mit der Taxonomie außerdem die Rekonstruktion von phylogenetisch natürlichen Systemen. Oft werden phylogenetische Zusammenhänge mittels einer Darstellung im Stammbaum sichtbar gemacht.

Funktion & Aufgabe

Phylogenetische Untersuchungen existieren für eine Vielzahl von ganzheitlichen, aber auch einzelnen Merkmalen des Menschen. So gibt es mittlerweile beispielsweise phylogenetische Ausführungen zur Sprache, die sich speziell mit der Entstehung der Sprache im Verlauf beschäftigen und molekulargenetische Untersuchungen der Sprachgene enthalten. Die Morphologie der Sprech- und Sprachorgane wurde in diesen phylogenetischen Untersuchungen verglichen. Auf Basis dieses Vergleichs beschrieben die Forscher die Sprachentwicklung ausgehend vom Einzeller und abschließend mit dem rezenten Menschen. Die Sprachgene des Menschen wurden molekulargenetisch mit denen von anderen Tieren wie der Maus, dem Singvogel oder Mikroorganismen verglichen.

Ziel der phylogenetischen Studien war vorwiegend ein verbessertes Verständnis der menschlichen Sprache. Neben der Frage, wo Sprache benötigt wird und der nach den Grenzen von Sprachleistungen, stellten sich erkenntnistheoretische Fragen. Die Phylogenese gibt auf letztere die Antwort, dass eine Art lediglich so viel von der Wahrheit kennt, wie es mit dem Überleben der Art vereinbar ist.

Bei den phylogenetischen Vergleichen der Morphologie von Sprech- und Sprachorganen wurde die menschliche Sprache insbesondere mit der des Schimpansen verglichen. Da der Schimpanse neben einem weit vorgeschobenen Kiefer einen eher unregelmäßigen Zahnbestand und einen flachen Rachen besitzt, ist ihm die Artikulation in Richtung der menschlichen Sprache erschwert. Genetisch besitzen der Mensch und der Schimpanse aber nahezu gleiche Gene für die Sprechmotorik. Auch für die kognitiven Tendenzen der menschlichen Sprache ist der Schimpanse besser geeignet als alle anderen Arten.

Neben dieser und ähnlicher phylogenetischer Untersuchungen beinhaltet zum Beispiel auch die heutige Embryologie phylogenetische Fragestellungen. So stellt sich in diesem Bereich vor allem die Frage, ob die Entwicklung eines einzelnen Organismus als Abbild der Stammesgeschichte verstanden werden kann. In diesem Zusammenhang spielen vor allem Strukturen wie die Pharyngealbögen des menschlichen Embryos eine Rolle, die aus phylogenetischer Sicht wohl Relikten von Merkmalen der stammesgeschichtlichen Ahnen entsprechen und so beispielsweise mit den Kiemen der Fische vergleichbar wären.

Ursächliche Verknüpfungen zwischen Phylogenese und Ontogenese sind ein relevanter Forschungsbereich der Embryologie. Die Phylogenese geht in diesem Bereich der Forschung beispielsweise der Frage nach, ob genetische Kontroll- und Entwicklungsgene oder embryonale Bildungsprinzipien und Mechanismen als zentraler Angriffspunkt für Mechanismen der Evolution oder des Artenwandels verstanden werden können.


Krankheiten & Beschwerden

Grundsätzlich leiden Individuen bei einer Ontogenese mit starken Abweichungen von der Phylogenese meist an einer Krankheit. Phylogenetische Untersuchungen finden mitunter auch im Bezug auf bestimmte Erkrankungen selbst statt und versuchen in diesem Fall, die Geschichte einer bestimmten Krankheit in einer gegebenen Art und die eventuell daraus entstandenen Anpassungen der Art nachzuvollziehen. Ein Beispiel für eine Krankheit, zu der phylogenetische Untersuchungen existieren, ist der HIV-Virus. Die phylogenetische Analyse der Virus-Erkrankung legt nahe, dass der HIV-Virus drei Mal oder sogar mehr als dreimal gänzlich unabhängig voneinander von einem Tier, wie einem Affen, auf ein menschliches Individuum übergegangen ist. Anhand der molekularen Uhr 2 lässt sich dafür ein Zeitrahmen zwischen 1930 und 1940 bestimmen, wobei Afrika als ursprüngliches Land in Erscheinung tritt. Diese Schlussfolgerungen konnten mittels einer Rekonstruktion der Phylogenesen von verschiedenen Varianten des HIV-Virus getroffen werden.

Krankheiten, egal welcher Art, werden mittels einer phylogenetischen Analyse auf ihre Geschichte in der menschlichen Art untersucht. Wenn eine längere Geschichte bestimmter Krankheiten in einem gegebenen Stamm besteht, passen sich Wirt und Keim beispielsweise immer mehr aneinander an.

Nicht nur zu Krankheiten, sondern auch zu menschlichen Körperprozessen wie dem Husten sind phylogenetische Betrachtungen in den Mittelpunkt der Forschung getreten. So erweist die Phylogenese in diesem Fall, dass die lebenswichtigen Funktionen des Schluckens, Erbrechens und Atmens bei allen Wirbeltieren aufgrund des Kiemendarms durch Reflexe geschützt werden mussten, da sie sich durch die anatomischen Strukturen leicht vermengen können. Fische speien Störpartikel oder Ungenießbares aus dem Kiemenkorb mittels einer kräftigen Kontraktion am Pharynx-Muskel durchs Maul aus. Landwirbeltiere besitzen eine Trennung der Funktionen husten und speien. Die Lunge und der Rachenraum dieser Lebewesen wird durch Husten von Partikeln befreit. Die Speiseröhre und der Magen sind dagegen auf Speien angewiesen. Die Nase säubern Landlebewesen mittels Niesen.

Quellen

  • Buselmaier, W. et al.: Humangenetik für Biologen. Springer Verlag, Berlin Heidelberg 2005
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • I care Krankheitslehre. Thieme, Stuttgart 2015

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