Progressive Muskelrelaxation

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 28. Oktober 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die Progressive Muskelrelaxation ist eine Entspannungstechnik, die von dem amerikanischen Arzt und Physiologen Edmund Jacobson entwickelt wurde. Sie wird auch als "Progressive Muskelentspannung nach Jacobson" bezeichnet.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Progressive Muskelrelaxation?

Bei der Progressiven Muskelrelaxation wird der Körper durch systematisches Muskelentspannungstraining in einen Entspannungszustand versetzt werden.

Die Progressive Muskelrelaxation ist seit über zwanzig Jahren Bestandteil der psychosomatischen Grundversorgung in deutschen Krankenkassen. Durch systematisches Muskelentspannungstraining soll der Körper in einen Entspannungszustand versetzt werden.

Die Progressive Muskelrelaxation sieht vor, dass der Anwender sich der Reihe nach auf jede Muskelpartie seines Körpers konzentriert. Eine bestimmte Muskelgruppe wird zunächst angespannt und die Spannung 5-10 Sekunden gehalten. Die Anspannung soll deutlich spürbar, aber nicht unangenehm oder verkrampft sein. Zum Beispiel aktiviert man Hand und Unterarm, indem man eine Faust ballt.

Anschließend wird die Muskelgruppe gelockert und für 20-30 Sekunden entspannt. Je nach Technik werden die Muskeln des Körpers in bis zu 17 Schritten nacheinander angesprochen. Verschiedene Kurzformen der Progressiven Muskelrelaxation fassen mehrere Muskelgruppen zusammen und lassen sich dadurch mit weniger Schritten und in kürzerer Zeit absolvieren. Die ursprüngliche Technik nach Jacobson war zeitaufwendig und kompliziert, da Jacobson auch sehr kleine Muskelgruppen in das Verfahren integrierte.

In den letzten Jahren wurde die Progressive Muskelrelaxation weiterentwickelt und vereinfacht. Inzwischen gilt sie als leicht zu erlernen und kann mit einiger Übung sowohl im Liegen, als auch im Sitzen und Stehen angewandt werden. Der Zeitaufwand beträgt anfangs etwa eine halbe Stunde und kann sich mit zunehmender Übung weiter verkürzen. All das macht die Progressive Muskelrelaxation zu einer alltagstauglichen Entspannungstechnik.

Geschichte & Entwicklung

Die Progressive Muskelrelaxation (PMR) wurde in den frühen 1920er-Jahren von dem amerikanischen Arzt und Physiologen Edmund Jacobson entwickelt. Jacobson erforschte den Zusammenhang zwischen körperlicher Anspannung und psychischem Stress und stellte fest, dass mentale Spannungen oft mit muskulären Verspannungen einhergehen. Durch Experimente fand er heraus, dass das bewusste Anspannen und anschließende Entspannen verschiedener Muskelgruppen zu einem tiefen Zustand der körperlichen und geistigen Entspannung führen kann.

1929 veröffentlichte Jacobson seine Erkenntnisse in dem Buch "Progressive Relaxation", in dem er detailliert beschrieb, wie durch schrittweises Arbeiten an einzelnen Muskelgruppen ein Zustand tiefer Ruhe erreicht werden kann. Die Methode basiert auf der Idee, dass durch das Kontrastieren von Anspannung und Entspannung die Wahrnehmung für muskuläre Spannungen geschärft wird und so unbewusste Verspannungen abgebaut werden können.

In den folgenden Jahrzehnten wurde die Progressive Muskelrelaxation weiterentwickelt und vereinfacht, um sie einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Besondere Bedeutung erlangte sie in den 1960er- und 1970er-Jahren im Rahmen der Verhaltenstherapie und Stressforschung. PMR wurde zunehmend als effektive Technik zur Bewältigung von Stress, Angstzuständen und psychosomatischen Beschwerden anerkannt. Heute ist die Progressive Muskelrelaxation eine weltweit anerkannte Entspannungsmethode, die in Kliniken, Therapien und Selbsthilfeprogrammen eingesetzt wird und aufgrund ihrer Einfachheit und Wirksamkeit geschätzt wird.

Einsatz & Indikation

Die Progressive Muskelrelaxation (PMR) wird angewendet, um körperliche und seelische Anspannung zu reduzieren und einen Zustand tiefer Entspannung herbeizuführen. Sie wird durchgeführt, wenn Menschen unter Stress, Angstzuständen oder Schlafstörungen leiden. Besonders bei psychosomatischen Beschwerden wie Spannungskopfschmerzen, Migräne oder Bluthochdruck ist PMR hilfreich, da sie die Muskelspannung senkt und das Nervensystem beruhigt.

Die Notwendigkeit für PMR entsteht oft, wenn Stress und Anspannung zu körperlichen Symptomen führen oder bestehende gesundheitliche Probleme verstärken. Personen, die Schwierigkeiten haben, sich zu entspannen oder ständig unter innerer Unruhe stehen, profitieren von dieser Methode. Auch bei chronischen Schmerzen oder psychosomatischen Erkrankungen wird PMR eingesetzt, um das Schmerzempfinden zu lindern und das allgemeine Wohlbefinden zu verbessern.

PMR kann sowohl präventiv als auch therapeutisch genutzt werden. In der Prävention hilft sie, Stress besser zu bewältigen und Burnout vorzubeugen. In therapeutischen Settings wird sie oft begleitend zu anderen Behandlungsformen eingesetzt, beispielsweise in der Psychotherapie oder Physiotherapie. Die Technik ist leicht erlernbar und kann eigenständig zu Hause praktiziert werden, was sie zu einer flexiblen und zugänglichen Methode macht, um die eigene Entspannungsfähigkeit zu steigern und gesundheitliche Ressourcen zu stärken.

Vorteile & Nutzen

Die Progressive Muskelrelaxation (PMR) bietet gegenüber anderen Behandlungsmethoden mehrere Vorteile, die sie zu einer attraktiven Option für Menschen mit Stress und Anspannung machen. Einer der Hauptvorteile ist ihre einfache Erlernbarkeit und Anwendung. PMR erfordert keine spezielle Ausrüstung oder langwierige Ausbildung; nach einer initialen Anleitung können die Übungen selbstständig zu Hause durchgeführt werden. Dies fördert die Selbstwirksamkeit des Einzelnen, da er aktiv an seiner Genesung beteiligt ist und Kontrolle über seine körperliche und mentale Entspannung erlangt.

Ein weiterer Vorteil ist, dass PMR eine nicht-pharmakologische Methode ist. Sie kommt ohne Medikamente aus und vermeidet somit mögliche Nebenwirkungen, die mit pharmakologischen Behandlungen einhergehen können. Dies ist besonders wichtig für Personen, die empfindlich auf Medikamente reagieren oder bereits eine Vielzahl von Medikamenten einnehmen müssen.

PMR ist zudem breit anwendbar und kann bei einer Vielzahl von Beschwerden eingesetzt werden, darunter Stress, Angstzustände, Schlafstörungen und psychosomatische Erkrankungen. Ihre flexible Einsetzbarkeit ermöglicht es, die Methode individuell an die Bedürfnisse des Patienten anzupassen. Darüber hinaus kann PMR begleitend zu anderen Therapien eingesetzt werden, ohne mit diesen in Konflikt zu geraten, was sie zu einer effektiven Ergänzung in multidisziplinären Behandlungsansätzen macht.

Die Methode bietet auch sofortige physische und psychische Vorteile. Durch das bewusste An- und Entspannen der Muskeln wird eine tiefe körperliche Entspannung erreicht, die zur Reduktion von Muskelverspannungen und Senkung des Blutdrucks führt. Gleichzeitig fördert PMR die Körperwahrnehmung und hilft, unbewusste Spannungen zu erkennen und zu lösen. Dies kann langfristig zu einer verbesserten Stressbewältigung und einer erhöhten Lebensqualität beitragen.

Schließlich ist PMR kosteneffektiv, da nach der initialen Lernphase keine weiteren finanziellen Aufwendungen notwendig sind. Dies macht sie zugänglich für Menschen mit unterschiedlichen finanziellen Hintergründen und trägt zur Nachhaltigkeit der Behandlung bei. Insgesamt zeichnet sich die Progressive Muskelrelaxation durch ihre Einfachheit, Wirksamkeit und Vielseitigkeit aus, was sie gegenüber anderen Behandlungsmethoden hervorhebt.

Funktion, Wirkung & Ziele

Mithilfe der Progressiven Muskelrelaxation wird die Skelettmuskulatur gelockert. Durch das gezielte Anspannen und Lockern der Muskeln senkt sich der Muskeltonus dauerhaft. Verspannungen im Körper werden gelöst und dadurch auch die Psyche in einen angenehmen Entspannungszustand versetzt.

Regelmäßige Anwendung der Progressiven Muskelrelaxation fördert das Körperbewusstsein und verbessert das Gefühl für Spannung und Entspannung. Der Spannungszustand der Muskeln wird deutlicher wahrgenommen. Dadurch lässt sich eine drohende Verspannung frühzeitig erkennen und vermeiden, indem sie durch aktive Entspannung gelöst wird. Die Progressive Muskelrelaxation kann dabei helfen, Stress und Ängste besser zu bewältigen. In belastenden Lebenssituationen mit emotionalem Stress, bei Lampenfieber, Konzentrationsstörungen und Schlafstörungen ist das Verfahren hilfreich.

Mitunter unterstützt die Progressive Muskelrelaxation sogar die Behandlung von Angststörungen. Darüber hinaus erzielt das Verfahren gute Erfolge bei Beschwerden, die durch Stress oder Muskelverspannungen ausgelöst werden oder damit in Verbindung stehen. Dazu gehören Rückenschmerzen, Spannungskopfschmerz, Migräne, Bluthochdruck, Tinnitus, Reizblase und stressbedingte Magenprobleme.

Wenn die Progressive Muskelrelaxation regelmäßig geübt wird, lernt der Körper, auf einen Spannungszustand automatisch mit Entspannung zu reagieren. Auch können fortgeschrittene Anwender die Phase des aktiven Anspannens überspringen. Bei dem sogenannten Vergegenwärtigungsverfahren wird eine Entspannung direkt herbeigeführt, indem der Übende sich auf eine Muskelpartie konzentriert und an das Entspannungsgefühl an dieser Stelle erinnert.

Heute wird Progressive Muskelrelaxation meist als eine schnell wirksame Entspannungstechnik angesehen. Jacobsons ursprüngliche Intention war es allerdings, durch dieses Verfahren zu einem neuen, gelasseneren "Lebensstil" zu finden. In diesem Sinne wird die Progressive Muskelrelaxation auch als Achtsamkeitsübung verstanden.


Durchführung & Ablauf

Die Progressive Muskelrelaxation (PMR) ist eine Technik, bei der nacheinander verschiedene Muskelgruppen des Körpers systematisch angespannt und wieder entspannt werden. Der Ablauf beginnt meist in einer ruhigen Umgebung, in der der Teilnehmer bequem sitzt oder liegt, um Ablenkungen zu minimieren und die Konzentration auf den eigenen Körper zu fördern.

Die Übung startet typischerweise mit den Muskeln der Hände und Arme. Der Teilnehmer ballt beispielsweise eine Faust und spannt die Muskeln für etwa 5 bis 10 Sekunden kräftig an, ohne dabei Schmerzen zu verursachen. Anschließend lässt er die Spannung abrupt los und konzentriert sich etwa 20 bis 30 Sekunden lang auf das Gefühl der Entspannung und die Unterschiede zur vorherigen Anspannung.

Dieser Prozess wird schrittweise mit allen großen Muskelgruppen des Körpers wiederholt: Gesicht (Stirn runzeln, Augen zusammenkneifen), Nacken und Schultern (Schultern zu den Ohren ziehen), Brust und Rücken (tief einatmen und Brustkorb weiten), Bauch (Bauch einziehen), Gesäß, Oberschenkel, Unterschenkel und Füße (Zehen anziehen). Bei jeder Muskelgruppe erfolgt das gleiche Muster aus Anspannen, Halten und Entspannen.

Während der gesamten Übung liegt der Fokus auf der bewussten Wahrnehmung der körperlichen Empfindungen. Das kontrastierende Gefühl zwischen Spannung und Entspannung hilft, ein tieferes Körperbewusstsein zu entwickeln und unbewusste Verspannungen zu erkennen. Die Atemtechnik spielt dabei eine unterstützende Rolle; langsames, tiefes Atmen fördert zusätzlich die Entspannung.

Die gesamte Sitzung dauert in der Regel zwischen 15 und 30 Minuten. Am Ende der Übung verbleibt der Teilnehmer noch einige Minuten in Ruhe, um die tiefe Entspannung nachwirken zu lassen, bevor er langsam zur normalen Aktivität zurückkehrt. Die Progressive Muskelrelaxation kann sowohl unter Anleitung eines Therapeuten als auch selbstständig zu Hause durchgeführt werden. Mit regelmäßiger Praxis wird es leichter, muskuläre Anspannungen im Alltag zu bemerken und gezielt zu lösen.

Risiken & Nebenwirkungen

Durch die Anwendung von Progressiver Muskelrelaxation kann es in Einzelfällen auch zu einer Verschlimmerung von Angstzuständen und einer Verstärkung unangenehmer Körperempfindungen kommen.

Dies gilt generell für Entspannungstechniken, bei denen es darum geht, "in sich hineinzuhorchen". Die Progressive Muskelrelaxation wird häufig als zuverlässiger und nebenwirkungsärmer als beispielsweise das Autogene Training bezeichnet, dennoch ist die Progressive Muskelrelaxation nicht für jeden Patienten geeignet. Menschen mit Herzinsuffizienzen oder Muskelrheuma sollten das Verfahren nicht anwenden.

Bei Asthma und während einer akuten Migräneattacke ist die Progressive Muskelrelaxation nicht empfehlenswert, da sich die Symptome durch die Entspannungstechnik verstärken könnten. Wenn das Verfahren vorbeugend eingesetzt wird, kann die Methode jedoch helfen, eine drohende Migräne zu verhindern. Patienten, die an Psychosen oder dissoziativen Störungen leiden, empfinden die Progressive Muskelrelaxation eventuell als unangenehm. Sie sollten die Methode - wenn überhaupt - nur unter Aufsicht erlernen und durchführen.

Bei gesunden Menschen treten in der Regel keine unerwünschten Nebenwirkungen durch Progressive Muskelrelaxation auf.

Alternativen

Falls die Progressive Muskelrelaxation (PMR) für einen Patienten nicht geeignet oder möglich ist, gibt es verschiedene alternative Verfahren zur Förderung von Entspannung und Stressreduktion. Eine bewährte Methode ist das autogene Training, bei dem durch selbsthypnotische Formeln ein Zustand tiefer Entspannung erreicht wird. Der Patient konzentriert sich dabei auf innere Empfindungen wie Wärme und Schwere, um körperliche und geistige Ruhe zu erlangen.

Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion (MBSR) ist eine weitere Alternative, die auf Meditation und Achtsamkeitsübungen basiert. Durch das bewusste Wahrnehmen des gegenwärtigen Moments ohne Bewertung lernen Patienten, Stress und negative Gedankenmuster zu reduzieren. Diese Technik eignet sich besonders für Menschen, die Schwierigkeiten haben, sich auf körperliche Übungen zu konzentrieren.

Yoga und Tai Chi verbinden sanfte Bewegungen mit Atemtechniken und Meditation. Diese Praktiken fördern nicht nur die körperliche Flexibilität und Balance, sondern auch die mentale Entspannung. Sie sind besonders hilfreich für Personen, die körperliche Aktivität mit geistiger Ruhe kombinieren möchten.

Atemübungen wie die tiefe Bauchatmung oder die 4-7-8-Methode können ebenfalls effektiv sein. Sie sind leicht erlernbar und helfen, das Nervensystem zu beruhigen und den Herzschlag zu verlangsamen. Diese Techniken können nahezu überall angewendet werden und erfordern keine spezielle Ausrüstung.

Geführte Imagination oder Visualisierungstechniken nutzen die Kraft der Vorstellung, um Entspannung herbeizuführen. Dabei werden mentale Bilder von friedlichen Szenarien erzeugt, die helfen, Stress abzubauen und positive Gefühle zu fördern.

Für Patienten mit spezifischen Angststörungen oder psychosomatischen Beschwerden kann kognitive Verhaltenstherapie (KVT) eine geeignete Option sein. KVT hilft dabei, negative Denkmuster zu erkennen und zu verändern, was zu einer Reduktion von Stress und körperlicher Anspannung führen kann.

Biofeedback ist ein weiteres Verfahren, bei dem physiologische Parameter wie Herzfrequenz, Atemmuster oder Hautleitfähigkeit gemessen und dem Patienten in Echtzeit rückgemeldet werden. Dies ermöglicht es, unbewusste körperliche Prozesse bewusst zu steuern und Entspannung zu fördern.

Schließlich können Musiktherapie und Kunsttherapie als kreative Ansätze zur Stressbewältigung dienen. Sie bieten alternative Ausdrucksformen und können helfen, emotionale Spannungen abzubauen, ohne dass körperliche Übungen erforderlich sind.

Diese alternativen Methoden bieten vielfältige Wege zur Entspannung und können individuell an die Bedürfnisse des Patienten angepasst werden, insbesondere wenn PMR nicht möglich oder nicht effektiv ist.

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Quellen

  • Federspiel, F., Herbst, V. : Die andere Medizin. Stiftung Warentest, Berlin 2005
  • Hainbuch, F.: Progressive Muskelentspannung. Gräfe&Unzer, München 2015
  • Jänicke, C., Grünwald, D. J.: Alternativ heilen. Gräfe und Unzer, München 2006

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