Prosencephalon

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 15. April 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Das Prosencephalons ist Teil des zentralen Nervensystems und besteht aus Großhirn (Telencephalon) und Zwischenhirn (Diencephalon). Im Drei-Bläschen-Stadium der frühen embryonalen Entwicklung repräsentiert das Prosencephalon eines der drei primären Hirnbläschen.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Prosencephalon?

Das Diencephalon spielt eine wichtige Rolle bei der Verarbeitung sensorischer Informationen, da in ihm funktionelle Zentren liegen, die entsprechende Reize zusammenführen.
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Zum Prosencephalon (Vorderhirn) gehören zwei große anatomische Untereinheiten: das Großhirn (Telencephalon) sowie das Zwischenhirn (Diencephalon). Gemeinsam repräsentieren sie einen maßgeblichen Teil der Hirnmasse.

Besonders geläufig ist die Verwendung des Begriffs „Prosencephalon“ im Zusammenhang mit der embryonalen Entwicklung, wenn die einzelnen Gehirnbereiche noch nicht ausdifferenziert sind. Zu Beginn der Entwicklung besteht der Vorläufer des Gehirns aus dem vorderen Neuralrohr, das sich bis zur vierten Schwangerschaftswoche in Prosencephalon, Mesencephalon und Rhombencephalon teilt. Diesen Zustand bezeichnet die Medizin auch als Drei-Bläschen-Stadium, wobei die drei genannten Strukturen die primären Hirnbläschen darstellen.

Das Prosencephalon teilt sich anschließend in Telencephalon und Diencephalon, während das Mesencephalon als solches bestehen bleibt, später jedoch zusätzliche Strukturen wie Tectum und Tegmentum ausbildet. Das Rhombencephalon differenziert sich weiter in Hinterhirn (Metencephalon) und Nachhirn (Myelencephalon). Nur selten setzt die Neurophysiologie die Begriffe „Prosencephalon“ und „Telencephalon“ gleich, ohne das Diencephalon mit einzuschließen.

Anatomie & Aufbau

Telencephalon und Diencephalon bilden gemeinsam das Prosencephalon. Das Diencephalon gehört außerdem zum Stammhirn und setzt sich aus Thalamus, Epithalamus, Hypothalamus, Metathalamus und Subthalamus zusammen.

Das Telencephalon besteht in seiner groben Struktur aus vier Bereiche oder Lappen, bei denen es sich um den vorderen Frontallappen, den mittleren Parietallappen, den seitlichen Temporallappen und hinteren Okzipitallappen handelt. Darüber hinaus lassen sich die graue und weiße Substanz unterscheiden: Letztere besteht aus markhaltigen Nervenfasern, während in der grauen Substanz vor allem die Zellkörper der Neurone liegen. Die Großhirnrinde (Cortex cerebri) umfasst zahlreiche Areale, die höheren kognitiven Funktionen dienen. In das Gewebe sind abgegrenzte Kerngebiete eingebettet: die Basalganglien.

Den phylogenetisch jüngsten Bereich der Großhirnrinde verkörpert der Neocortex, der aus sechs Schichten von Nervenzellen besteht, die jeweils verschiedene Funktionen ausüben. Archicortex und Paleocortex sind aus evolutionärer Perspektive älter als der Neocortex. Alternativ lässt sich die Großhirnrinde auch in Isocortex und Allocortex gliedern, wobei der Isocortex dem Neocortex entspricht. Noch feiner ist die Unterteilung der Großhirnrinde in ihre einzelnen Windungen (Gyri) und Furchen (Sulci). Insbesondere im Rahmen detaillierter funktioneller Untersuchungen ist diese höchst differenzierte Unterscheidung sinnvoll.

Funktion & Aufgaben

Das Diencephalon spielt eine wichtige Rolle bei der Verarbeitung sensorischer Informationen, da in ihm funktionelle Zentren liegen, die entsprechende Reize zusammenführen. Hören, Riechen und Sehen sind auf das Diencephalon angewiesen; es ist außerdem für die Entstehung von Emotionen von Bedeutung. Darüber hinaus umfasst das Zwischenhirn sensible Verarbeitungszentren, die sich sowohl der Oberflächensensibilität als auch der Tiefensensibilität widmen.

Im Neocortex des Telencephalons liegt der motorische Cortex, der für die Steuerung von willkürlichen Bewegungen zuständig ist. Pyramidale und einige nicht-pyramidale Zellen befinden sich in verschiedenen Schichten des Neocortex. Wie das Diencephalon beinhaltet auch der Neocortex sensorische Areale, die für die Verarbeitung von Sinnesreizen verantwortlich sind. Das Assoziationszentrum verknüpft Emotionen und Verhalten mit der Wahrnehmung (zum Beispiel Umgebungsreizen), wobei die Verarbeitung mit hoher Wahrscheinlichkeit erfahrungsgeleitet erfolgt.

Als Teil des limbischen Systems beschäftigt sich der Archicortex mit Emotionen, Lernen, Gedächtnisprozessen, Antrieb sowie einigen Aufgaben des autonomen Nervensystems. Der Hippocampus, der innerhalb des Archicortex liegt, wirkt dabei vor allem an der Gedächtnisbildung mit, an anderen Prozessen sind auch die Fimbria hippocampi und der Gyrus dentatus beteiligt. Im Paleocortex verarbeitet das Gehirn Geruchsreize, weshalb die Neurologie es gelegentlich auch als Riechhirn bezeichnet. Entscheidende Verarbeitungszentren der olfaktorischen Wahrnehmung sind der Bulbus olfactorius, der Pedunculus olfactorius, der Tractus olfactorii lateralis et medialis sowie das Trigonum olfactorium.


Krankheiten

Da das Prosencephalon einen großen Teil des Gehirns ausmacht, bieten sich für Störungen unzählige Manifestationsmöglichkeiten. Neurodegenerative Erkrankungen basieren auf dem Schwund von Nervenzellen und lösen auf diese Weise einen Funktionsausfall des betroffenen Gebiets aus.

Zu diesen Krankheiten gehört die Alzheimer-Demenz, die symptomatisch in der Regel mit Problemen beginnt, welche das Kurzzeitgedächtnis betreffen. Die fortschreitende Krankheit kann darüber hinaus zu Agnosie, Apraxie, Sprach- und Sprechstörungen, Apathie und motorischen Störungen führen. Ihre genauen Ursachen sind noch unbekannt. Auch bei der multiplen Sklerose handelt es sich um eine neurodegenerative Krankheit. Sie ist durch mehrere Entzündungsherde im Gehirn gekennzeichnet und führt zur Demyelinisierung (Entmarkung) der Nervenzellen. Den Neuronen fehlt dadurch ihre elektrische Isolation, worunter die Informationsverarbeitung leidet.

Der ischämische Schlaganfall gehört einer anderen Kategorie von neuronalen Krankheiten an: Er geht auf eine Durchblutungsstörung zurück, die zur Unterversorgung des Gehirns führt. Je nachdem, welche Arterie in welchem Ausmaß betroffen ist, können unterschiedliche Hirnregionen unter den Auswirkungen leiden. Typische Symptome eines Schlaganfalls umfassen unter anderem Sehstörungen, Beeinträchtigungen der Koordination oder des Gleichgewichts, Orientierungs-/Verständnis-/Wortfindungs-/Sprechstörungen, allgemeine Verwirrung, Neglect, Schwindel, Übelkeit, Erbrechen, Schluckstörungen, Kopfschmerzen, Lähmungen und Taubheitsgefühle. Bei einem Schlaganfall ist rasches Handeln erforderlich, da das Gehirn zunehmend Schaden nimmt. Bleibende Läsionen unterschiedlichen Ausmaßes sind jedoch häufig.

Schon während der embryonalen Entwicklung kann das Prosencephalon Schaden nehmen: Beispielsweise steht der Konsum von Kokain während der Schwangerschaft im Zusammenhang mit Fehlbildungen des Prosencephalons, von denen vor allem die Medianebene des Vorderhirns betroffen ist. Neuralrohrdefekte in früheren Entwicklungsstadien können schwerwiegende Entwicklungsstörungen zur Folge haben, bei denen sich das Nervensystem zum Teil nur unvollständig entwickelt.

Quellen

  • Frotscher, M., et al.: Taschenatlas Anatomie, Band 3: Nervensystem und Sinnesorgane. Thieme, Stuttgart 2018
  • Masuhr K., Masuhr, F., Neumann, M.: Duale Reihe Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013
  • Renz-Polster, H., Krautzig, S. (Hrsg.): Basislehrbuch Innere Medizin. Urban & Fischer, München 2012

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