Körperschema

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 7. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Das Körperschema ist das Bewusstsein über den eigenen Körpers inklusive seiner körperoberflächlichen Abgrenzung zur Umwelt. Das Konzept ist von Geburt an vorhanden und damit vermutlich genetisch, bildet sich aber erst nach der Pubertät voll aus. Neben Wahrnehmungsreizen trägt die Sprachentwicklung zu seiner Ausbildung bei.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Körperschema?

Das Körperschema ist das Bewusstsein über den eigenen Körpers inklusive seiner körperoberflächlichen Abgrenzung zur Umwelt.

Das Körperschema ist ein neuropsychologisches Konzept, das die mentale Repräsentation des eigenen Körpers und die Orientierung daran beschreibt. Das Konzept besteht aus zwei Komponenten: der Vorstellung und der Wahrnehmung des Körpers. Diese beiden Komponenten sind zwar voneinander zu unterscheiden, korrelieren bei einem gesunden Menschen aber stark.

Das Bewusstsein für den Körper und seine Grenzen besteht seit der Geburt. Es wird durch die multisensorischen Informationen des Haut-, Bewegungs- und Gleichgewichtssinns permanent neu bestätigt und bildet sich erst durch die wiederholte Interaktion des Individuums mit der Umwelt voll aus. Das Körperschema ist die Basis zur Entwicklung von subjektiver Individualität und Selbstwert. Für sämtliche Aktionen und Reaktionen ist es eine wichtige Bezugsgröße, obgleich es eine eher unbewusste Größe ist.

Arnold Pick hat die Grundzüge 1908 erstmals beschrieben. Pierre Bonnier beschrieb eine Störung des Konzepts bereits drei Jahre früher unter dem Begriff 'Aschématie'.

Das Körperschema basiert auf sensiblen und sensorischen Reizen der Propriorezeption. Der Vorstellungscharakter des Körperschemas ist von sensiblen und sensorischen Reizen aber relativ unabhängig und so nicht von scharfem Gegenstandsbewusstsein geprägt. Damit zählt das Körperschema eher zu den Vorstellungen als zu den Wahrnehmungen. Neben der Propriozeption tragen soziale Informationen, wie die Benennung der Körperteile, zur Ausbildung bei.

Funktion & Aufgabe

Das Körperschema dient dem Menschen zur Orientierung im Raum. Da das Körperschema den eigenen Körper von der Umwelt abgrenzt, ist es außerdem der Ankerpunkt der subjektiven Individualität und der Ausgangspunkt für das Selbstwertgefühl. Die Wechselwirkung zwischen der äußeren Wahrnehmung und der eigenen Körperwelt ist ein Spannungsfeld des Menschen, das durch die Gegensätze der Exterozeption und Interozeption beschrieben wird.

Schon mit der Geburt liegt ein Körperschema vor. Dieser präverbale Erkennungsprozess erfolgt durch Aktionen in beiden Hirnhälften und wäre so durch Läsionen beider Hemisphären gestört. Das präverbale Körperschema entwickelt sich mit der Sprachentwicklung weiter. In der Kommunikation wird die sprachdominante Hemisphäre auch für das Körperschema dominant. Die sprachdominante Hemisphäre erkennt und kommuniziert Symbole in Eigenregie. Sie entwickelt fortan das Körperschema, das als feste Größe beispielsweise auch nach dem Verlust einer Extremität als Ganzes bestehen bleibt. Die zerebrale, also vom Gehirn vollzogene, Integrationsleistung wird als Grundvoraussetzung für ein unversehrtes Körperschema vermutet. Sie wird auch als autotopischer Homunculus bezeichnet und ist mehrfach an die höchsten Hirnrindenareale gebunden.

In die primär sensiblen Rindenfelder werden sensibel-motorische Reize aus dem peripheren Nervensystem projiziert und verarbeitet. Sie entsprechen daher einem verkleinerten Modell von peripheren Körperregionen.

Die Integration und die Koordination finden aber nicht ausschließlich in den Primärrinden statt, sondern in drei verschieden Stufen. Neben den Primärfeldern sind tertiäre Assoziationsfelder der dominanten Gehirnhälfte an dem Vorgang beteiligt. Anders als für die Integration besteht für das Körperschema vermutlich kein geglieders somatotopisches Substrat. Vielmehr scheint das Körperschema auf einem rein funktionellen Zusammenspiel verschiedener nicht-topisch gegliederter Hirnfelder zu beruhen. Aus diesem Grund ist das Körperschema beispielsweise schon bei Müdigkeit gestört. Wegen der Verbindungen zum somatotopisch segmental gegliederten Rindenfeld Gyrus postcentralis wird dem Körpergefühl jedoch zumindest eine teilweise somatotopische Gliederung zugeschrieben. Eine genetische Grundlage des Schemas wird vermutet.


Krankheiten & Beschwerden

Das Körperschema kann durch psychische Störungen mit Bewusstseinsstörungen verzerrt sein. Es spielt außerdem nach Amputationen eine teilweise schwierige Rolle. Wenn ein amputiertes Glied nicht zügig durch Prothesen ersetzt wird, bleibt für die Patienten oft das alte Körperschema erhalten. Sie nehmen die amputierten Körperteile so weiter wahr und bewegen diese Phantomglieder mental mit. Wenn Kindern von Geburt an Körperglieder fehlen, haben sie teilweise trotzdem die Vorstellung des Gesamtkörperschemas. Diese Beobachtung hat Wissenschaftler von einer genetischen Grundlage des Körperschemas überzeugt.

Die bekannten Phantomschmerzen nach Amputationen haben mit dem Körperschema nur entfernt zu tun. Sie entsprechen eher Spontanerregungen der Noziz-Nervenzellen, die ehemals dem Körperteil zugeordnet waren und ein sogenanntes Schmerzgedächtnis bilden. Die Übererregbarkeit dieser Nervenzellen stellt sich in Folge eines Operationstraumas ein.

Wie nach einer Amputation ist das Körperschema auch bei Erkrankungen in der dominanten Parietalregion gestört. Die Betroffenen beachten die linke Körperhälfte nicht mehr. Es besteht dann ein sogenannter Neglect. Der Patient nimmt dabei eine Lähmung der linksseitigen Extremitäten nicht wahr. Dieser Zusammenhang wird auch als Anosognosie bezeichnet. Auf ähnliche Weise kann wegen des Körperschemas ein Neglect für eine Blindheit bestehen, wie es beim Anton-Syndrom der Fall ist.

Neuropsychologische Störungen dieser Art liegen auch Ich-Störungen zu Grunde. Ein Beispiel für eine solche Ich-Störung ist die Depersonalisation. Auf eine neurologische Repräsentanz des psychologischen Ichs gibt es zwar lokalisatorisch neuronale Hinweise. Das Ich konnte bislang aber keinem speziellen Hirnzentrum zugeteilt werden. Vermutlich weil es zu umfassend und vom Menschen noch nicht richtig verstanden ist.

Quellen

  • Becker-Carus, C., Wendt, M.: Allgemeine Psychologie. Springer 2. Auflage, Berlin 2017
  • Mattle, H., Mumenthaler, M.: Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013
  • Vossel, G., Zimmer, H.: Psychophysiologie. Kohlhammer, Stuttgart 1998

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