Soziale Phobie (Sozialphobie)

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 9. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die soziale Phobie, oder auch Sozialphobie genannt, ist eine Angststörung. Dabei fürchten sich Betroffene davor, in Gesellschaft negativ aufzufallen und sich zu blamieren. Die Angst kreist darum, dass sich die allgemeine Aufmerksamkeit auf die eigene Person richten könnte. Etwa 11 bis 15 Prozent der Menschen erkranken im Laufe ihres Lebens an sozialer Phobie.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine soziale Phobie?

Typisches Symptom einer sozialen Phobie ist die Angst vor sozialen Kontakten. Interaktion mit anderen Menschen stellt für Betroffene eine belastende Situation dar.
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Die soziale Phobie wird im ICD 10 (Herausgeber: WHO) folgendermaßen definiert: Menschen, die an sozialer Phobie leiden, fürchten sich davor, in kleineren Gruppen aufzufallen und in den Fokus des Interesses zu geraten. Das Selbstwertgefühl ist gering und Kritik kann nur schwer ertragen werden.

Charakteristischerweise tritt diese Angst bei großen Menschenmassen nicht auf. Sie beschränkt sich auf bestimmte soziale Situationen. In manchen Fällen konzentriert sich die Furcht auf Anlässe wie öffentliches Essen oder Vorträge. Weitaus häufiger ist es aber, dass sich die Angst auf viele soziale Situationen erstreckt.

Symptome können zum Beispiel Herzrasen, Übelkeit, Zittern und Schwitzen sein. Da sich der Leidensdruck bis hin zu Panikattacken steigern kann, legen Betroffene Vermeidungsverhalten an den Tag, um den Begleiterscheinungen der sozialen Phobie zu entgehen.

Ursachen

Die soziale Phobie kann verschiedene Ursachen haben, meist handelt es sich um ein ganzes Ursachengeflecht. Zum einen hat man durch Studien herausgefunden, dass bei einer solchen Erkrankung auch eine genetische Disposition eine Rolle spielen kann. Dies zeigen zum Beispiel Zwillingsstudien.

Ein anderer Grund für eine soziale Phobie kann in der Persönlichkeit des Betroffenen verankert sein. So neigen Menschen, die solche Schwierigkeiten haben, vermehrt zu Verunsicherung und Selbstzweifel, während andere über vergleichbare Dinge mit Humor hinweggehen.

Das geringe Selbstbewusstsein kann wiederum verschiedene Ursachen haben: eine lieblose Erziehung, in der kein Urvertrauen ausgebildet werden konnte, Traumata oder soziale Defizite wie Ausgrenzung, Zurückweisung, etc. In einer Psychotherapie kann analysiert werden, welche Gründe für eine soziale Phobie vorliegen.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Typisches Symptom einer sozialen Phobie ist die Angst vor sozialen Kontakten. Interaktion mit anderen Menschen stellt für Betroffene eine belastende Situation dar. Ein Anzeichen für eine Sozialphobie ist deswegen das Vermeiden von Situationen, in denen man mit anderen Menschen in Kontakt treten oder Gespräche führen muss.

Aus diesem Vermeidungsverhalten ergeben sich entsprechende Beschwerden, die die Lebensqualität deutlich mindern können. Zum einen lassen sich soziale Kontakte in einem normalen Alltag kaum vermeiden. Berufsleben, familiäre Treffen oder Kontakte bei Alltagssituationen wie Arztbesuchen oder beim Einkaufen werden dann für die von Sozialphobie betroffenen Menschen zu Stresssituationen.

Die Beschwerden in solchen Situationen können auch oftmals psychosomatischer Natur sein. Herzrasen, Schweißausbrüche, das Gefühl, einer Ohnmacht nahe zu sein oder Tendenzen zum Stottern sind typische psychosomatische Symptome. Aus dem Versuch, solche Situationen zu vermeiden, ergeben sich neue Beschwerden. Betroffenen droht die soziale Isolation.

Der totale Rückzug aus dem Alltagsleben lindert dann zunächst die Angst, in sozialen Situationen bestehen zu müssen. Dennoch sind die meisten Menschen mit sozialer Phobie mit einem so eingeschränkten Leben nicht dauerhaft glücklich und wünschen sich, normal mit anderen interagieren zu können. Unbehandelt ist die Sozialphobie entsprechend oft mit Depressionen bis hin zur Suizidalität verbunden.

Diagnose & Verlauf

Um eine soziale Phobie zuverlässig diagnostizieren zu können, müssen die oben genannten Kriterien erfüllt sein. Doch wie entwickelt sich eine solche Erkrankung? Gibt es einen typischen Verlauf?

In der Regel kann man sozialen Phobien nicht einen einzigen ursächlichen Grund zuweisen. Sie sind eher schleichend und entwickeln sich langsam über Jahre hinweg. Wird die Erkrankung nicht angemessen therapiert, besteht die Gefahr der Chronifizierung. Häufig gesellen sich Suchterkrankungen und/oder Depressionen dazu, wobei Betroffene versuchen, sich mittels Alkohol, Medikamenten oder Drogen selbst zu helfen.

Man spricht dann von Komorbidität. Häufig ist festzustellen, dass sich Erkrankte immer weiter zurückziehen und vereinsamen. Wird dies Störung jedoch rechtzeitig behandelt, dann ist die Prognose für die Heilung einer sozialen Phobie günstig.

Komplikationen

Die Sozialphobie ist eine nicht zu unterschätzende Erkrankung. Betroffene meiden den Umgang mit anderen Menschen. Sie ziehen sich zurück, kapseln sich zunehmend von der sozialen „Außenwelt“ ab und entwickeln nicht selten eine Depression. Selbst der Gang zum Arzt ist für viele Patienten erst nach mehreren Anläufen möglich. Der Horror beginnt schon auf der Straße.

Dort können Phobiepatienten anderen Menschen zwar noch ausweichen, aber im Bus, in der Straßenbahn oder U-Bahn ist ein Entkommen unmöglich. Die Angst verfestigt sich. Betroffene versuchen den Zustand zu überspielen. Sie greifen zu Medikamenten wie Beruhigungsmittel (Benzodiazepine). Um den Gang zum Arzt zu überstehen, ist eine kurzzeitige Einnahme als Hilfsmittel durchaus vertretbar.

Von der Einnahme über einen längeren Zeitraum ist jedoch strikt abzuraten, da diese zur Abhängigkeit führt und weitere Probleme mit sich bringt. Manche Sozialphobiker entwickeln andere Strategien. Sie greifen zu alkoholischen Getränken. Daraus kann sich schnell eine Alkoholsucht entwickeln.

Das Vermeiden bestimmter Situationen führt im Alltag von Menschen mit sozialer Phobie zu weiteren Einschränkungen. Das kann zum Beispiel die Auswahl eines geeigneten Berufes erschweren. Ist dieser endlich gefunden, kann trotzdem noch ein Abbruch drohen. Schon der Aufenthalt im Klassenzimmer während des theoretischen Unterrichts kann einen bedrohlichen Zustand des Phobikers auslösen. Nicht selten endet dieser in Panikattacken.

Manche Betroffene schaffen den Schritt zum Facharbeiter, andere wiederum bleiben ein Leben lang ungelernt und können sich nur zeitweise mit Hilfsarbeiten über Wasser halten. Ohne ärztliche Behandlung kann sich eine Sozialphobie derart verstärken, dass Betroffene nicht mehr in der Lage sind, soziale Kontakte zu knüpfen. Mitunter kann dies suizidales Verhalten begünstigen.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Die Sozialphobie ist als krankhafte Angststörung immer ein Grund, um einen Arzt aufzusuchen. In einer solchen Situationen können Psychotherapeuten am ehesten weiterhelfen. Problematisch ist jedoch, dass der Übergang zwischen einem hohen Maß an Schüchternheit oder Unsicherheit und einer echten Angst nicht immer klar ist.

Menschen, die sich sehr schwer im sozialen Miteinander tun und von Enttäuschungs- und Versagensängsten geprägt sind, sind nicht zwingend von einer Sozialphobie betroffen. Als krankhaft gilt die soziale Phobie daher dann, wenn die Angst zu einem Vermeidungsverhalten führt. Dies bedeutet, dass der Betroffene durch die Angst wirklich Einschränkungen erlebt. Diese Einschränkungen sind dann der Grund, sich helfen zu lassen. Die Einschränkungen können etwa soziale Isolation sein oder auch die Angst vor Interaktion im Allgemeinen.

Wenn unklar ist, inwiefern persönliche oder psychische Umstände zu diesen Einschränkungen führen, sollte ein professioneller Gesprächspartner aufgesucht werden. Dies muss nicht zwingend ein Arzt sein. Auch ein Psychologe kann weiterhelfen, ebenso ein gut ausgebildeter Coach. Entscheidend ist, dass es bei einem als stark eingeschränkt erlebten Sozialleben die Bereitschaft gibt, dies zu untersuchen und zu verändern. Wenn die Sozialphobie hingegen so weit vorangeschritten ist, dass auch das nicht mehr möglich ist, ist das Umfeld in der Pflicht.

Behandlung & Therapie

Doch wie kann eine soziale Phobie erfolgreich behandelt werden? Mittlerweile wurde erkannt, dass eine Kombination aus Psychotherapie und medikamentöser Behandlung am aussichtsreichsten ist. Medikamentös stehen verschiedene Antidepressiva, wie das Sertralin oder das Mirtazapin zur Verfügung, die angstlösend wirken, weil sie auf bestimmte Hirnareale wirken, in denen die Angst entsteht.

Die richtige medikamentöse Einstellung ist die Voraussetzung dafür, dass eine Psychotherapie überhaupt greifen kann. Psychotherapeutisch wird meist die kognitive Verhaltenstherapie angewandt, damit Betroffene lernen, ein positives Selbstbild aufzubauen und besser mit Niederlagen umzugehen. In diesem Rahmen wird angestrebt, dass Patienten unabhängiger werden von den Meinungen anderer.

Zudem werden verschiedene Entspannungstechniken wie Progressive Muskelentspannung oder autogenes Training praktiziert, um Stress abzubauen. Bei guter Beherrschung dieser Entspannungstechniken können im Idealfall Krisen abgewendet werden. Kurzfristig kann eine soziale Phobie auch mit Benzodiazepinen behandelt werden. Hierfür kommen beispielsweise Diazepam oder Alprazolam in Frage.

Aufgrund des Suchtpotenzials dieser Beruhigungsmittel sollten diese allerdings so sparsam wie nötig und so kurz wie möglich zum Einsatz kommen. Es gibt demnach einige Ansätze, wie soziale Phobien behandelt werden können.


Vorbeugung

Da nicht genau bekannt ist, was soziale Phobien letztlich auslöst, ist es schwierig, vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen. Festgestellt wurde allerdings, dass eine abwertende und ablehnende Haltung der Eltern oder Gleichaltriger in der Kindheit das Risiko erhöht. Dies sollte man daher beim eigenen Erziehungsstil berücksichtigen. Außerdem gilt: Beim ersten Verdacht sollte man sich in Behandlung begeben, weil dann die Prognose für die Heilung einer sozialen Phobie am besten ist.

Eine Sozialphobie bedarf einer psychotherapeutischen Nachsorge, da sie den Betroffenen ein Leben lang begleitet. Wenn der Patient zuvor bei einem Klinikaufenthalt stationär behandelt wurde, bereitet die Nachsorge ihn auf die Rückkehr in seinen Alltag außerhalb der Psychiatrie vor.

Nachsorge

Der Umfang der nachsorgenden Betreuung richtet sich nach der individuellen Verfassung des Erkrankten. Ungeachtet dessen ist bei einer Phobie die Angst ein hauptsächliches Symptom. Angst bringt den Betroffenen aus dem Gleichgewicht. Deshalb kann auch bei einem erfolgreich Therapierten, der emotional stabilisiert werden konnte, eine mögliche Verschlechterung nie vollkommen ausgeschlossen werden.

Bei der verhaltenstherapeutischen Nachsorge vertieft der Patient sein Wissen darüber, wie er seine Phobie in die alltäglichen Abläufe besser integrieren kann. Gleichzeitig klärt ihn der Psychologe darüber auf, welches Verhalten in akuten Angstsituationen hilfreich ist. Der Betroffene sollte dazu ermutigt werden, gerade bei solchen Ereignissen den Therapeuten auch außerhalb der regulären Sprechzeiten aufzusuchen.

Die Adresse des Therapeuten hat hier die Funktion einer 'Schutzinsel'. Sollte der Patient aufgrund der Phobie seinem bisherigen Beruf nicht mehr nachgehen können, betreut der Psychologe ihn auch in diesem Fall. Die Gefahr, dass sich aus der Arbeitsunfähigkeit zusätzlich zur Phobie eine Depression entwickelt, ist sehr hoch. Diesem ungünstigen Krankheitsverlauf wird bei der Nachsorge entgegengewirkt.

Das können Sie selbst tun

Eine Konfrontation mit den angstauslösenden Situationen, wie sie in der Verhaltenstherapie zum Einsatz kommt, kann von Betroffenen auch selbst durchgeführt werden. Selbsthilfebücher und Trainingshefte können dabei eine Hilfe sein. Obwohl Selbsthilfebücher nicht für jeden Sozialphobiker ausreichen, um die sozialen Ängste vollständig zu besiegen, können sie bei einigen Menschen zu einer deutlichen Besserung beitragen.

Auch im Internet finden Menschen mit einer sozialen Phobie Unterstützung. Verschiedene Online-Gruppen in Form von Foren, Apps und Gruppen in sozialen Medien können den Betroffenen dabei helfen, sich mit ihren Ängsten nicht allein zu fühlen. Wenn die Online-Selbsthilfegruppe gemeinsam daran arbeitet, Vermeidungsverhalten zu reduzieren und andere Symptome abzubauen, kann sie zudem konkrete Fortschritte bewirken. Allerdings konzentrieren sich die meisten Foren und Onlinegruppen eher auf die gegenseitige Entlastung als auf ein (selbst-)therapeutisches Vorgehen.

Eine weitere Möglichkeit zur Selbsthilfe bieten Gruppen, die sich im realen Leben treffen. Allerdings stehen vielen Sozialphobikern dabei ihre Ängste im Wege, da sie sich nicht trauen, sich mit einer Gruppe von fremden Menschen in ungewohnter Umgebung zu treffen.

Achtsamkeit kann dabei helfen, Stresssymptome zu lindern und auch die speziellen Symptome der sozialen Phobie zu verbessern. Die Achtsamkeit stellt dabei vor allem eine Ergänzung zu anderen Methoden dar.

Quellen

  • Lieb, K., Frauenknecht, S., Brunnhuber, S.: Intensivkurs Psychiatrie und Psychotherapie. Urban & Fischer, München 2015
  • Morschitzky, H.: Angststörungen – Diagnostik, Konzepte, Therapie, Selbsthilfe. Springer, Wien 2009
  • Payk, T., Brüne, M.: Checkliste Psychiatrie und Psychotherapie. Thieme, Stuttgart 2013

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