Diazepam
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 23. Mai 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Bei Diazepam handelt es sich um ein Psychopharmakon aus der Gruppe der Tranquillantien. Es wird in erster Linie zur Behandlung von Angstzuständen und Epilepsie eingesetzt. Diazepam ist ein Benzodiazepin, das unter dem Handelsnamen Valium bekannt geworden ist.
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Was ist Diazepam?
Diazepam gehört als Psychopharmakon zu den Arzneimitteln, die die menschliche Psyche beeinflussen. Psychopharmaka lassen sich in verschiedene Substanzgruppen untergliedern. So unterscheidet man u. a. Neuroleptika, Antidepressiva, Psychostimulanzien und Tranquillantien.
Bei Tranquillantien (von lat. tranquillare = beruhigen, auch als Tranquilizer bezeichnet) handelt es sich um Substanzen, die - im Gegensatz zu Neuroleptika – beruhigend wirken, ohne eine antipsychotische Wirkung zu haben. Sie wirken angstlösend und sorgen für seelische Ausgeglichenheit ohne die geistige Leistungsfähigkeit zu sehr zu beeinflussen. Tranquilizer machen müde und entspannen die Muskeln.
Auch die Tranquillantien lassen sich weiter in Gruppen einteilen: Die größte und wichtigste dieser Gruppen sind die sogenannten Benzodiazepine. Benzodiazepine, zu denen auch Diazepam gehört, werden aber nicht nur als Tranquillantien, sondern auch als Antiepileptika, d. h. als Mittel gegen Epilepsie, eingesetzt.
Pharmakologische Wirkung
Diazepam entfaltet seine Wirkung im menschlichen Nervensystem. Der Teil des Gehirns, der für die Entstehung von Emotionen (wie z. B. Angst) und unser Triebverhalten verantwortlich ist, wird als limbisches System bezeichnet.
Jede Form von Reizen innerhalb des Nervensystems - und damit auch im Gehirn - wird durch Nervenimpulse weitergeleitet. Damit diese Reize von einer Nervenzelle zur nächsten übertragen werden können, sind Botenstoffe – sogenannte Neurotransmitter – erforderlich. Sie werden aus der erregten Nervenzelle ausgeschüttet, überwinden so die Zellgrenzen und übermitteln die Information zur nächsten Zelle.
Ein solcher Botenstoff ist die gamma-Aminobuttersäure (GABA). Benzodiazepine verringern die Zahl der weitergeleiteten Impulse im Bereich des limbischen Systems dadurch, dass sie hemmend auf die Ausschüttung von GABA wirken. Aus der Unterdrückung der Weiterleitung von Erregungszuständen resultiert die krampf- und angstlösende Wirkung von Diazepam und anderen Benzodiazepinen.
Medizinische Anwendung & Verwendung
Diazepam ist unter verschiedenen Handelsnamen erhältlich: Valium, Faustan, Lamra, Tranquase, Valiquid, Diazepam Stada, Diazepam-ratiopharm uvm.
Zur Behandlung mit Diazepam gibt es unterschiedliche Darreichungsformen: Das Arzneimittel kann intravenös oder rektal verabreicht werden. Bei intravenöser Verabreichung tritt die Wirkung rasch, d.h. innerhalb von ein bis zwei Minuten ein. Bei Applikation in den Mastdarm kann der Wirkungseintritt verzögert sein, in beiden Fällen sind spätestens nach zehn Minuten deutliche Effekte wahrnehmbar. Sowohl Dauer, als auch Intensität der Wirkung sind dosisabhängig.
In der klinischen Medizin wird Diazepam vorwiegend zeitlich beschränkt zur Behandlung von Spannungs- und Angstzuständen und bei Epilepsie eingesetzt. In der Notfallmedizin kommt Diazepam vor allem bei starken Erregungszuständen, Angst- und Panikattacken, Krampfanfällen, stark erhöhtem Muskeltonus und bei der Analgosedierung (gleichzeitiges Verabreichen von Beruhigungs- und Schmerzmitteln) von Beatmungspatienten zum Einsatz.
Die Verabreichung von Diazepam bei Krampfanfällen ist nicht unumstritten und wird nur noch selten praktiziert, da die Verletzungsgefahr für den Patienten beim Verabreichen der Medikamente sehr hoch ist.
Diazepam kann unter Umständen präventiv als Beruhigungsmittel vor Stresssituationen verabreicht werden. Da bei wiederholter Applikation die Gefahr einer Abhängigkeit rapide ansteigt und der Körper schnell eine Toleranz gegen den Wirkstoff entwickelt, sehen viele Mediziner die Gabe von Diazepam in solchen Fällen als kontraindiziert.
Verabreichung & Dosierung
Bei der Verabreichung und Dosierung von Diazepam, einem Benzodiazepin, das zur Behandlung von Angstzuständen, Muskelkrämpfen, Epilepsie und als Beruhigungsmittel vor medizinischen Eingriffen verwendet wird, sind mehrere wichtige Aspekte zu beachten.
Die Dosierung von Diazepam variiert je nach Indikation, Alter und Gesundheitszustand des Patienten. Bei Erwachsenen beträgt die übliche Anfangsdosis zur Behandlung von Angstzuständen 2-10 mg, zwei- bis viermal täglich. Bei akuten Angstzuständen oder Muskelkrämpfen kann eine höhere Anfangsdosis erforderlich sein. Zur Behandlung von Epilepsie beträgt die Dosis üblicherweise 5-10 mg, die alle 10-20 Minuten wiederholt werden kann, bis die Anfälle kontrolliert sind.
Bei älteren Patienten und solchen mit Leber- oder Nierenerkrankungen sollte die Dosierung angepasst werden, da diese Patienten empfindlicher auf Diazepam reagieren können. Die Anfangsdosis sollte bei älteren Patienten häufig 2-2,5 mg ein- bis zweimal täglich betragen, mit einer möglichen langsamen Steigerung.
Diazepam kann oral, intravenös, intramuskulär oder rektal verabreicht werden. Die Wahl der Verabreichungsform hängt von der klinischen Situation und der Dringlichkeit der Behandlung ab. Intravenöse Verabreichung erfordert besondere Vorsicht, da sie zu Atemdepression und Blutdruckabfall führen kann. Es sollte langsam und unter Überwachung erfolgen.
Patienten sollten über mögliche Nebenwirkungen informiert werden, einschließlich Schläfrigkeit, Schwindel, Verwirrtheit und Abhängigkeit bei langfristigem Gebrauch. Diazepam sollte nicht abrupt abgesetzt werden, da dies zu Entzugserscheinungen führen kann. Eine schrittweise Dosisreduktion ist erforderlich, um Entzugserscheinungen zu vermeiden.
Außerdem sollte Diazepam nicht zusammen mit Alkohol oder anderen zentral dämpfenden Substanzen eingenommen werden, da dies das Risiko von schweren Nebenwirkungen wie Atemdepression und Koma erhöht. Es ist wichtig, dass Patienten ihren Arzt über alle eingenommenen Medikamente informieren, um potenzielle Wechselwirkungen zu vermeiden.
Risiken & Nebenwirkungen
Diazepam hat vielfältige Nebenwirkungen: Neben Müdigkeit und Schwindel kann es durch die muskelentspannende Wirkung zu einer Verlangsamung der Atmung kommen.
Übelkeit bis zum Erbrechen kann ebenfalls auftreten. Gelegentlich ist ein leichter Abfall des Blutdruckes zu beobachten. Während einer Schwangerschaft, bei Nieren- und Leberschäden und nach bereits erfolgter Einnahme von Alkohol, Schmerz- und Schlafmitteln ist von einer Vergabe von Diazepam dringend abzusehen! Benzodiazepine können – wie alle anderen Tranquilizer auch – die Wirkung von Schmerzmitteln, Alkohol und anderen Psychostimulantien verstärken.
Gelegentlich wird – insbesondere bei älteren Patienten – eine sogenannte paradoxe Wirkungsweise festgestellt, d. h. die Symptome werden nicht abgeschwächt, sondern verstärkt. Im äußersten Fall kann die Wirkung von Diazepam durch Vergabe von Flumazenil antidotiert werden.
Kontraindikationen
Bei der Verwendung von Diazepam gibt es mehrere wichtige Kontraindikationen, die beachtet werden müssen, um das Risiko schwerwiegender Nebenwirkungen zu minimieren.
Schwere Ateminsuffizienz: Diazepam kann die Atemdepression verschlimmern, daher ist es kontraindiziert bei Patienten mit schwerer Ateminsuffizienz oder Schlafapnoe. Die beruhigende Wirkung von Diazepam kann die Atemfunktion weiter beeinträchtigen.
Schwere Leberinsuffizienz: Bei Patienten mit schwerer Leberfunktionsstörung ist Diazepam kontraindiziert, da es in der Leber metabolisiert wird und eine eingeschränkte Leberfunktion die Elimination des Medikaments beeinträchtigen kann, was zu einer erhöhten Konzentration im Blut und verstärkten Nebenwirkungen führt.
Myasthenia gravis: Patienten mit Myasthenia gravis sollten kein Diazepam einnehmen, da es die neuromuskuläre Übertragung weiter beeinträchtigen und die Muskelschwäche verschlimmern kann.
Akuter Alkohol-, Schlafmittel- oder Drogenmissbrauch: Diazepam ist bei Patienten mit akuten Intoxikationen mit Alkohol, Schlafmitteln oder anderen psychoaktiven Substanzen kontraindiziert, da es die sedierende Wirkung dieser Substanzen verstärken und zu schweren ZNS-Depressionen führen kann.
Engwinkelglaukom: Diazepam ist bei Patienten mit Engwinkelglaukom kontraindiziert, da es den Augeninnendruck erhöhen kann.
Bekannte Überempfindlichkeit: Patienten, die eine bekannte Überempfindlichkeit oder Allergie gegen Diazepam oder andere Benzodiazepine haben, sollten das Medikament nicht verwenden.
Schwangerschaft und Stillzeit: Diazepam sollte während der Schwangerschaft und Stillzeit mit Vorsicht angewendet werden, da es die Plazenta passieren und in die Muttermilch übergehen kann, was das Risiko für neonatalen Entzug und Atemdepression beim Neugeborenen erhöht.
Psychiatrische Störungen: Bei Patienten mit schwerer Depression oder Psychosen sollte Diazepam nicht als Monotherapie verwendet werden, da es diese Zustände verschlimmern oder suizidale Tendenzen verstärken kann.
Es ist wichtig, dass Ärzte eine gründliche Anamnese durchführen und alle potenziellen Kontraindikationen berücksichtigen, bevor sie Diazepam verschreiben, um die Sicherheit und Wirksamkeit der Behandlung zu gewährleisten.
Interaktionen mit anderen Medikamenten
Bei der Verwendung von Diazepam bestehen mehrere wichtige Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten, die berücksichtigt werden müssen, um unerwünschte Nebenwirkungen zu vermeiden und die Wirksamkeit der Therapie zu gewährleisten.
Zentral dämpfende Substanzen: Diazepam kann die sedierende Wirkung anderer zentral dämpfender Substanzen wie Alkohol, Barbiturate, Opioide, Antihistaminika und einige Antidepressiva (z. B. trizyklische Antidepressiva) verstärken. Diese Kombinationen können zu einer erheblichen Atemdepression, übermäßiger Sedierung, Koma und sogar zum Tod führen.
Enzyminhibitoren: Medikamente, die das Enzym CYP3A4 hemmen, wie Ketoconazol, Itraconazol, Fluconazol, Erythromycin, Clarithromycin, Ritonavir und andere Proteaseinhibitoren, können die Plasmakonzentrationen von Diazepam erhöhen. Dies erhöht das Risiko von Nebenwirkungen wie übermäßiger Sedierung und Atemdepression.
Enzyminduktoren: Medikamente, die das Enzym CYP3A4 induzieren, wie Rifampicin, Phenytoin, Carbamazepin und Johanniskraut, können die Plasmakonzentrationen von Diazepam verringern. Dies kann die Wirksamkeit von Diazepam vermindern.
Antazida: Antazida können die Absorption von Diazepam verzögern. Obwohl dies normalerweise nicht klinisch signifikant ist, sollte darauf geachtet werden, Diazepam und Antazida mit einem zeitlichen Abstand einzunehmen.
Levodopa: Die gleichzeitige Anwendung von Diazepam und Levodopa kann die antiparkinsonsche Wirkung von Levodopa verringern. Dies sollte bei Patienten mit Parkinson-Krankheit berücksichtigt werden.
Digoxin: Diazepam kann die Plasmaspiegel von Digoxin erhöhen, was zu einer erhöhten Toxizität führen kann. Eine Überwachung der Digoxinspiegel wird empfohlen.
Muskelrelaxantien: Diazepam kann die Wirkung von Muskelrelaxantien wie Baclofen und Tizanidin verstärken, was zu erhöhter Muskelschwäche und Sedierung führen kann.
Orale Kontrazeptiva: Orale Kontrazeptiva können den Metabolismus von Diazepam beeinflussen, was zu einer verlängerten Halbwertszeit und erhöhter Sedierung führen kann.
Es ist wichtig, dass Patienten ihren Arzt über alle eingenommenen Medikamente informieren, um potenzielle Wechselwirkungen zu identifizieren und die Therapie entsprechend anzupassen. Regelmäßige Überwachung und gegebenenfalls Dosisanpassungen sind notwendig, um die Sicherheit und Wirksamkeit der Behandlung mit Diazepam zu gewährleisten.
Alternative Behandlungsmethoden
Wenn Diazepam nicht vertragen wird, stehen mehrere alternative Behandlungsmethoden und Wirkstoffe zur Verfügung, die je nach zugrunde liegender Indikation und individuellen Bedürfnissen des Patienten eingesetzt werden können.
Benzodiazepin-Alternativen: Andere Benzodiazepine wie Lorazepam, Alprazolam oder Clonazepam könnten in Erwägung gezogen werden, da sie unterschiedliche pharmakokinetische Profile haben und besser vertragen werden könnten. Jedoch sollte auch hier das Risiko von Abhängigkeit und Sedierung berücksichtigt werden.
Nicht-Benzodiazepin-Anxiolytika: Buspiron ist ein Anxiolytikum, das keine sedierende Wirkung hat und nicht abhängig macht. Es wird zur Behandlung von generalisierten Angststörungen eingesetzt und hat ein günstiges Nebenwirkungsprofil.
Antidepressiva: Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRIs) wie Sertralin, Escitalopram und Paroxetin sind wirksame Alternativen zur Behandlung von Angststörungen und Panikstörungen. Sie wirken nicht sofort, haben aber ein geringeres Risiko für Abhängigkeit.
Antikonvulsiva: Für die Behandlung von Epilepsie können Antikonvulsiva wie Lamotrigin, Levetiracetam oder Valproat verwendet werden. Diese Medikamente sind effektiv bei der Kontrolle von Anfällen und haben unterschiedliche Nebenwirkungsprofile im Vergleich zu Benzodiazepinen.
Betablocker: Propranolol und andere Betablocker können zur Kontrolle der physischen Symptome von Angst, wie Herzklopfen und Zittern, eingesetzt werden. Sie sind besonders nützlich bei situationsbedingter Angst, z. B. bei Auftrittsangst.
Antipsychotika: Niedrig dosierte Antipsychotika wie Quetiapin oder Olanzapin können bei schweren Angstzuständen oder als adjuvante Therapie bei bipolaren Störungen eingesetzt werden.
Kognitive Verhaltenstherapie (CBT): CBT ist eine wirksame psychotherapeutische Methode zur Behandlung von Angststörungen, Panikstörungen und Schlafstörungen. Sie hilft Patienten, negative Denkmuster zu identifizieren und zu ändern.
Pflanzliche Präparate: Präparate wie Baldrian, Johanniskraut und Passionsblume werden häufig zur Behandlung von leichten bis mittelschweren Angstzuständen und Schlafstörungen verwendet. Ihre Wirksamkeit variiert, und sie haben in der Regel weniger Nebenwirkungen.
Es ist wichtig, dass Patienten und Ärzte zusammenarbeiten, um die beste alternative Behandlung zu finden, die den individuellen Bedürfnissen und Gesundheitszuständen entspricht.
Quellen
- "Goodman & Gilman's The Pharmacological Basis of Therapeutics" von Laurence Brunton, Randa Hilal-Dandan, und Bjorn Knollmann
- "Rang & Dale's Pharmacology" von Humphrey P. Rang, Maureen M. Dale, James M. Ritter, und Rod J. Flower
- "Basic and Clinical Pharmacology" von Bertram Katzung, Anthony Trevor