Weißer Germer
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. April 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Der Weiße Germer ist eine stark giftige Pflanze, die insbesondere in den Regionen der Hochgebirge häufig anzutreffen ist. Der berühmte griechische Arzt Hippokrates behandelte mit niedrig dosiertem Weiß-Germer aus der Wurzel der Pflanze die Begleiterscheinungen der Cholera (Durchfall, Erbrechen). Manche seiner Zeitgenossen und Nachfahren schätzten den Weißen Germer eher als wirksames Mittel zur Schädlingsbekämpfung.
Vorkommen & Anbau des Weißen Germer
Der Weiße Germer (Veratrum album) gehört zur Familie der Germer-Gewächse (Melanthiaceae) und wird auch Nieswurz und Lauskraut genannt. Er ist ein mehrjähriges krautiges Gewächs, das bis zu 1,50 Meter hoch werden kann und in allen seinen Teilen stark giftig ist. Die höchste Konzentration an Alkaloiden befindet sich jedoch in der innen weißen Wurzel. Der Alkaloid-Gehalt schwankt außerdem je nach Höhe des Standorts: Weiter oben im Hochgebirge wachsende Weiße Germer haben eine niedrigere Alkaloid Konzentration als im Tal angesiedelte Pflanzen.Die Laubblätter der Giftpflanzen sind wechselständig angeordnet und in sich gewunden, wobei die unteren ovalen Blätter eine Länge von 20 Zentimeter haben. Die weiter oben befindlichen sind lanzettähnlich geformt. Alle haben parallel verlaufende Blattnerven, sind tief gefurcht und umfassen den Stängel. Der Weiße Germer blüht erstmalig einige Jahre nach dem Austreiben aus der Wurzel. Von Juni bis August trägt er viele 50 Zentimeter lange Blüten-Rispen, an denen sich diverse etwa 1,5 Zentimeter große trichterförmige weiße Blüten mit grünen Nerven befinden.
Die Giftpflanze verströmt insbesondere bei Sonnenschein einen penetranten Geruch. Ihre Wurzel wird im Frühjahr und Herbst ausgegraben und anschließend getrocknet. Die Nieswurz kommt in den Alpen, dem Alpenvorland, Apennin und in Süd- und Ost-Europa vor. Sie bevorzugt Weiden, Feuchtwiesen, flache Moore und Hochstauden-Fluren bis 2.700 Meter Höhe. In Österreich ist sie besonders häufig zu finden. Vor allem Ziegen, Schafe und Kälber werden häufig Opfer der Giftpflanze.
Daher wird sie von den Landwirten oft ausgerissen beziehungsweise ausgegraben. Da sie außerhalb der Blütezeit dem Gelben Enzian ähnelt, kommt es mitunter zu Verwechslungen mit schlimmen Folgen. Ihre Wurzel kann außerdem mit der Galgant-Wurzel verwechselt werden.
Wirkung & Anwendung
Die Weiße Germer Wurzel wurde wegen ihrer schleimlösenden, Niesreiz verursachenden, schmerzstillenden, blutdrucksenkenden, nervenberuhigenden und allgemein kräftigenden Wirkung von den Heilkundigen der Volksmedizin geschätzt. Durch versehentliche Überdosierungen und die für Naturheilmittel typischen schwankenden Wirkstoff-Konzentrationen kam es bei der innerlichen Anwendung von Weißem Germer häufig zu schweren gesundheitlichen Schäden und Todesfällen.
Erste Symptome einer Vergiftung sind Niesreiz, Kribbeln im Mund, starker Speichel und Tränenfluss, Übelkeit, Erbrechen, Kältegefühl am ganzen Körper, starker Durchfall, Halluzinationen und Muskelkrämpfe. In schweren Fällen kommt es zu Atemnot, Kreislaufkollaps, Atemlähmung und Tod durch Herzversagen. Auch heute noch wird das Pulver aus der Wurzel vereinzelt (wenn auch in sehr geringer Dosis) verabreicht.
Bei einer Nieswurz-Vergiftung sollte der Patient schnellstmöglich ins Krankenhaus gebracht werden, da der Patient innerhalb von drei bis zwölf Stunden versterben kann. Dort erhält er mehrere Magenspülungen und künstliche Beatmung. Sein Kreislauf wird stabilisiert. Aktivkohle Verabreichungen stoppen seinen Durchfall. Außerdem wird ihm Wärme zugeführt. Schmerzmittel helfen gegen die Krämpfe. Weißer Germer wurde früher auch oft äußerlich angewandt.
Salben-Zubereitungen halfen gegen Ausschläge, Krätze und Schuppenflechte. Der Absud aus der getrockneten Wurzel wurde zum Tränken von Umschlägen oder als Waschung verwendet. Damit wurden Kopfhaut-Schuppen beseitigt und die Haarwurzeln gekräftigt. Heute wird der Weiße Germer wegen seiner hohen Toxizität nur noch in standardisierten Fertig-Arzneimitteln und homöopathischen Mitteln eingesetzt.
Bedeutung für die Gesundheit, Behandlung & Vorbeugung
Die Schulmedizin des letzten Jahrhunderts plante sogar, aus der Wurzel ein blutdruckregulierendes Medikament herzustellen. Das Vorhaben scheiterte jedoch an den vielen Nebenwirkungen der komplexen Alkaloide. Heutzutage wird die Wurzel nur noch homöopathisch verwendet. Aus ihr wird sofort nach der Ernte ein wässriger Auszug hergestellt, der später mehrfach potenziert wird. Die ehemals giftigen Wirk-Substanzen werden auf diese Weise zu einem hochwirksamen Arzneimittel.
Veratrum album wird als Essenz in Potenzen ab D4 verordnet. In den meisten Fällen kommen D4 bis D6 zum Einsatz. Es ist DAS Kreislaufmittel schlechthin und wird hauptsächlich bei einer Neigung zur Ohnmacht, bei Kreislaufkollaps, zu niedrigem und zu hohem Blutdruck, Erbrechen, Herzasthma, Ischias, Neuralgien, Epilepsie, nervösen Erschöpfungszuständen, Ödemen, Migräne, Depressionen, Husten, Bronchitis, Wadenkrämpfen, Durchfall, Tetanie, Verstopfung, Lebensmittelvergiftungen angewendet.
Auch bei Hauterkrankungen (Ausschläge, Schuppenflechte), Muskelerkrankungen, Cholera, Darmgrippe, Menstruationsbeschwerden, Zyklusstörungen, als Brechmittel und zur allgemeinen Stärkung in der Rekonvaleszenz wird die Weiße Germer verschrieben.