Zivilisationskrankheiten

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 9. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Als Zivilisationskrankheiten gelten Erkrankungen und Symptome, deren Ursachen in einem bequemen und ressourcenreichen Gesellschaftsstandard liegen.

Mangelnde Bewegung, zu reichhaltige und häufige Nahrungsaufnahme sowie eine zunehmend anonymisierte Umgebung führen zu körperlichen und psychischen Beschwerden. In technisch weniger entwickelten Gesellschaften kommen Beschwerden dieser Art deutlich weniger oder gar nicht vor.

Inhaltsverzeichnis

Was ist sind Zivilisationskrankheiten?

Zivilisationskrankheiten stehen eng in Zusammenhang mit dem modernen, oft unersättlichen Lebenswandel der westlichen Welt. Wer nach erfolgter Therapie gesund bleiben oder den erreichten Zustand stabilisieren möchte, kann dies durch eine konsequente Verhaltensänderung im Rahmen der Nachsorge erzielen.
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Die Definition von Zivilisationskrankheiten bezieht sich auf die Trennung zwischen Industrienationen und Entwicklungs- bzw. Dritte-Welt-Ländern. Dabei wird meist nicht der technische Fortschritt, die "Zivilisation" selbst, für die Entstehung von sogenannten Zivilisationskrankheiten verantwortlich gemacht. Vielmehr entstehen aus den Möglichkeiten und Gegebenheiten, die die Entwicklungen mit sich bringen, häufiger und leichter bestimmte Krankheitsbilder.

Der Begriff ist wissenschaftlich nicht klar umrissen. Sowohl die Erkrankungen selbst als auch manche der vermuteten Einflüsse und Ursachen werden unterschiedlich bewertet. Jedoch herrscht bei der Einordnung einiger Einflüsse als Risikofaktoren weitestgehende Einigkeit.

Dazu zählen bei physischen Erkrankungen unter anderem ein zu hoher Zuckerkonsum, Mangel an Bewegung, Überernährung, Alkoholkonsum, übertriebene Hygiene usw. Für psychische Zivilisationskrankheiten gelten als fast unumstrittene Faktoren vor allem Stress, Lärm, Leistungsdruck, gewisse gesellschaftliche Normen und ähnliches.

Diese Faktoren herrschen in krankmachendem Maße überwiegend in Industrienationen vor. Dort ist Nahrung überreichlich vorhanden und der Tagesablauf nicht zwangsläufig von körperlicher Betätigung geprägt. Steigende Erwartungen an Arbeitnehmer, Großstädte mit sogenannter "Lärmverschmutzung" aufgrund hohen Verkehrsaufkommens, Baustellen usw. und Vereinsamung führen darüber hinaus zu psychischer Beeinträchtigung.

Ursachen

Die meisten Zivilisationskrankheiten resultieren aus ungesunden Entwicklungen in als fortschrittlich angesehenen Gesellschaften, die in dieser Form in weniger entwickelten Ländern nicht vorkommen. Fehl- und Überernährung sowie Zuckerkonsum stellen einen der großen Faktoren bei der Entstehung von vielen Zivilisationskrankheiten dar. Eine ungesunde Ernährung ist eine große Bedrohung, da sie Ursache für eine Vielzahl von möglichen Krankheiten sein kann, den Genusssinn des Menschen anspricht und aus Bequemlichkeit und praktischen Gründen schnell zur Gewohnheit werden kann, die meist schwierig wieder zu korrigieren ist.

Vielen Fertig- bzw. industriell hergestellten Produkten wird in hohem Maße Zucker beigegeben. Über Getränke wie Limonaden oder Säfte wird Zucker, fast ohne ein Sättigungsgefühl zu erzeugen, nebenbei mit aufgenommen.

Als Geschmacksträger wird Fett besonders in Fast-Food- und Fertigprodukten reichlich verwendet. So steigt neben dem Risiko für Karies und Diabetes auch die Wahrscheinlichkeit für Übergewicht durch einen Überschuss an Kalorien. Dieser ist schnell erreicht, gerade wenn sich die Person wenig bewegt.

Übergewicht wiederum kann eine Vielzahl von weiteren Erkrankungen mit sich bringen: Bluthochdruck, Leberverfettung, Herzprobleme, zu hohe Cholesterinwerte, Darmkrebs etc. Dieser Problematik spielt ein sedativer Lebensstil zu, der häufig durch Büroarbeit besteht. Ein Großteil der Bevölkerung in Industrienationen verbringt viel Zeit sitzend, was mit einer fett- und zuckerreichen Ernährung einhergehend schnell zu einem enormen Überschuss an Kalorien führt.

Davon abgesehen werden jedoch auch andere Krankheitsbilder von mangelnder Bewegung bzw. falscher Haltung begünstigt. Rückenprobleme zählen zu den am weitesten verbreiteten Zivilisationskrankheiten und können bis zur Arbeitsunfähigkeit gehen. Häufig können sie durch Ausgleichssport verbessert oder ganz beseitigt werden, jedoch stellt es sich für Arbeitnehmer, vor allem in Vollzeit, oft als schwierig dar, regelmäßige Bewegung in den Tagesablauf einzubauen.

Gewisse Krebsarten entstehen in industriellen Gesellschaften häufiger, so zum Beispiel Lungenkrebs, der durch das Rauchen oder eine hohe Smogbelastung verursacht wird. Auch Darmkrebs gehört dazu. Erneut zeichnet sich hierfür eine überreichliche und fettreiche Ernährung verantwortlich. Auch ein Mangel an Ballaststoffen, die vor allem in Gemüse, Getreide und Obst vorkommen, wird als mögliche Ursache diskutiert.

Die hohe Anzahl von Krebserkrankungen in Industriegesellschaften hat ihre Ursache zum Teil jedoch auch darin, dass die Menschen dieser Länder im Durchschnitt deutlich länger leben und somit durch die Alterung und die geringere Regenerierungsfähigkeit anfälliger für Krebs werden.

Durch übertriebene Hygiene, wie sie in Industrienationen oftmals vorherrscht, wird laut einigen Forschern der Entstehung von bestimmten Allergien Vorschub geleistet. Längere Stillzeiten sowie mehr Kontakt zu Natur oder Nutztieren während der Schwangerschaft kann Kinder vor der Entwicklung mancher Allergien schützen.

Andererseits soll auch die Feinstaubbelastung für ein erhöhtes Aufkommen an Allergien verantwortlich sein. Allergene Stoffe können sich an Feinstaubpartikel "anheften" und somit tiefer in die Lunge vordringen.


Symptome & Beschwerden

Angesichts der Vielzahl an Zivilisationserkrankungen ist die Liste möglicher Symptome ellenlang. Zu unterscheiden sind seelische und körperliche Symptome. Das eine kann Ausdruck oder Ergänzung des anderen sein.

Anhaltende körperliche Symptome oder Mangelerscheinungen können psychische Belastungen oder Depressionen nach sich ziehen. Eine ernährunsgedingte Krebserkrankung kann zu einer Seelenkrise führen. Zugleich können seelische Zivilisationserkrankungen auf der körperlichen Ebene einen Ausdruck finden.

Beispielsweise gehen Depressionen oft mit körperlichen Symptomen wie chronischen Rückenschmerzen, psychosomatischen Kopfschmerzen, Magenbeschwerden oder Schwächegefühlen einher. Das erschwerte es, manche Zivilisationserkrankungen anhand der Symptomlage als solche zu erkennen.

Zu den Zivilisationserkrankungen können auch innere Haltungen gehören, die zu suchtartigem Verhalten führen. Ein Beispiel sind unsere Schönheits- und Schlankheitsideale. Diese können zu operativen Veränderungen am Körper, zu Symptomen wie Essstörungen oder Ganzkörper-Tätowierungen führen. Das eigentliche Symptom - ein falsches Verständnis vom eigenen Körper - wird oft durch andere Symptome überlagert.

Die Symptomlage bei einer Magersucht ist komplex. Das eigentliche Symptom beziehungsweise. die Ursache der vorliegenden Erkrankung zu finden, kann schwierig sein. Gesellschaftliche Einflüsse spielen bei vielen Zivilisationserkrankungen eine Rolle. So kann es als Symptom einer bestimmten Gesellschaftsordnung verstanden werden, wenn Menschen in zivilisierten Nationen seelisch oder körperlich erkranken.

Solange Symptome von Zivilisationserkrankungen auf persönlichen Gegebenheiten zurückgeführt werden, wird dieser Kontext nicht beachtet. Adipositas oder Diabetes sind gesellschaftliche und persönliche Probleme. Beide wären unter anderen gesellschaftlichen Bedingungen vielleicht nie entstanden.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Leidet der Betroffene unter einem Verlust des Wohlbefindens, einer inneren Unruhe oder einer Beeinträchtigung seiner Lebensqualität, kann in vielen Fällen bei einer objektiven Betrachtung der Lebensgewohnheiten selbständig eine Optimierung durchgeführt werden. Gelingt aus eigener Kraft eine Verbesserung der Gesundheit, wird im Normalfall kein Arzt benötigt. Halten die Zustände des Unwohlseins an oder nehmen sie an Intensität zu, ist die Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe anzuraten.

Kommt es zu Störungen des Herzrhythmus, Übergewicht oder einer Abnahme der allgemeinen Leistungsfähigkeit, ist ein Kontrollbesuch bei einem Arzt zu empfehlen. Eine Veränderung der Persönlichkeit, eine gedrückte Stimmung über mehrere Wochen oder Monate sowie Verhaltensauffälligkeiten sollten mit einem Arzt besprochen werden. Kopfschmerzen, Rückenprobleme, eine innere Schwäche sowie Schwankungen des Gewichts gelten als Warnsignale des Organismus. Eine medizinische Untersuchung ist anzuraten, damit eine Klärung der Ursache stattfinden kann.

Bei Schwellungen, Antriebslosigkeit sowie Apathie besteht ebenfalls Handlungsbedarf. Charakteristisch für aktuelle Zivilisationskrankheiten ist ein schleichender Krankheitsverlauf. Störungen im Bereich des Magen-Darm-Traktes, der Verlust der Libido sowie ein allgemeines Krankheitsgefühl sollten von einem Arzt abgeklärt werden. Kommt es häufig zu Entzündungen oder einer Gereiztheit, ist ebenfalls ein Arztbesuch anzuraten.

Nachsorge

Zivilisationskrankheiten stehen eng in Zusammenhang mit dem modernen, oft unersättlichen Lebenswandel der westlichen Welt. Wer nach erfolgter Therapie gesund bleiben oder den erreichten Zustand stabilisieren möchte, kann dies durch eine konsequente Verhaltensänderung im Rahmen der Nachsorge erzielen. Diese kann mit einer Vielzahl von kompetenten Berufsgruppen abgesprochen werden.

Ansprechpartner ist in erster Linie der Hausarzt, aber auch Internisten und Kardiologen, Ernährungsberater und Diätassistenten, Sport- und Physiotherapeuten sowie Fitnesstrainer können Nachsorgeaktivitäten gezielt unterstützen. Eine gesunde Ernährung und ausreichende Bewegung sind wichtige Säulen bei der Nachsorge von Zivilisationskrankheiten, da diese auf das Herz-Kreislauf-System und den Stoffwechsel einen positiven Einfluss haben.

Ein Fettabbau ist auch für die Gelenke in vielen Fällen hilfreich. Mediterrane Kost mit Obst und Gemüse, der Ersatz pflanzlicher durch tierische Fette und eine deutliche Reduzierung des Konsums von Zucker und Alkohol sind bedeutende Bausteine in der Nachsorge. Die sportliche Aktivität ist am Leistungsstand der Betroffenen orientiert. Basis sind Ausdauertraining und Krafttraining.

Ausdauersport ist geeignet, um Fett abzubauen und das Herz-Kreislauf-System zu trainieren. Kraftsport fördert die Muskeln, die als Kraftwerk des Körpers Kalorien verbrennen. Zudem wird über Krafttraining das muskuläre Gleichgewicht gestärkt, das durch Büroarbeit oder einseitige Industriejobs ebenfalls beeinträchtigt sein kann. Geschwächte Muskulatur wird aufgebaut, während verkürzte Partien gedehnt werden sollten.

Das können Sie selbst tun

Jeder Einzelne hat die Möglichkeit, selbst etwas gegen Zivilisationskrankheiten und ihre Folgen zu tun. Dabei reichen bereits ganz alltägliche Maßnahmen wie eine gesündere Ernährungsweise aus. Dazu gehört zum Beispiel das Verringern eines zu hohen Salzkonsums, der das Einlagern von Wasser ins Gewebe fördert und damit das Entstehen von Bluthochdruck begünstigt. Nach Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sollten pro Tag nur maximal 6 Gramm Salz konsumiert werden.

Ebenfalls zu einer gesunden Ernährung zählt die Reduktion von Zucker. So werden durch einen zu hohen Zuckerkonsum typische Zivilisationskrankheiten wie Diabetes mellitus gefördert. Der Zucker verstopft die Arterien und begünstigt Bluthochdruck. Auch Augen oder Nieren kann er in Mitleidenschaft ziehen. Für erwachsene Menschen gilt ein Zuckerkonsum von 60 Gramm pro Tag als ausreichend. Vorsicht ist bei Lebensmitteln geboten, die versteckten Zucker enthalten, wie zum Beispiel Fertigsalate, Kartoffelchips oder Ketchup.

Wer unter Übergewicht leidet, sollte dieses abbauen. So fördert es Bluthochdruck und Diabetes. Als gesund gilt ein Body-Mass-Index von 20 bis 25. Um diesen zu erreichen, werden ein moderates Sporttraining sowie eine schrittweise Umstellung der Ernährung empfohlen. Auch ein überhöhter Konsum von Alkohol fördert Zivilisationskrankheiten. Daher sollten Männer pro Tag nicht mehr als 0,6 Liter Bier bzw. 0,3 Liter Wein trinken. Für Frauen gelten 0,3 Liter Bier sowie 0,15 Liter Wein als Höchstmaß.

Weitere wichtige Selbsthilfemaßnahmen sind regelmäßige Bewegung sowie das Einstellen des Tabakkonsums.

Quellen

  • Gesenhues, S., Zisché, R.H., Breetholt, A. (Hrsg.): Praxisleitfaden Allgemeinmedizin. Urban & Fischer, München 2013
  • I care Krankheitslehre. Thieme, Stuttgart 2015
  • Möller, H.-J., Laux, G., Deister, A.: Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie. Thieme, Stuttgart 2015

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