Beckenbodenschwäche
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 2. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Aufgrund von mehreren Geburten, schwerer Hebearbeit oder ungesunder Lebensführung, kann es zu einer Beckenbodenschwäche kommen, welcher beim Zurückhalten von Harn und Stuhl eine entscheidende Rolle spielt. Da der Beckenboden ein eingespieltes System aus Muskeln und anderen Geweben ist, hat eine Schwächung vielfältige, meist jedoch gut behandelbare, Konsequenzen.
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Was ist eine Beckenbodenschwäche?
Der Beckenboden ist eine etwa drei Zentimeter dicke Muskel- und Bindegewebsschicht, welche den Körper nach unten hin abschließt. Die Muskeln des Beckenbodens sind dafür verantwortlich, dass ein Mensch Gegenstände hochheben und tragen kann ohne Harn oder Stuhl zu verlieren, dass er also Urin und Stuhl zurückhalten und zum richtigen Zeitpunkt ausscheiden kann.
Bei einer Beckenbodenschwäche können die eigentlichen Aufgaben des Beckenbodens nur noch unzureichend erfüllt werden. Dies kann etwa zu einer Harn- oder Stuhlinkontinenz führen. Die Beckenbodenmuskulatur ist im gesunden Zustand nur beim Urinieren, beim Stuhlgang sowie bei einer Erektion des Mannes, bzw. wenn eine Frau vaginalen Geschlechtsverkehr hat, entspannt.
Besonders wichtig ist die Fähigkeit des Beckenbodens sich reflektorisch anzuspannen, sodass beim Husten, Niesen oder Hüpfen nicht ungewollt Urin austritt. Bei Frauen kann eine Schwäche der Beckenbodenmuskulatur zu einer Senkung der Gebärmutter bzw. der Vagina führen.
Ursachen
Besonders gefährdet eine Beckenbodenschwäche zu erleiden, sind Frauen, welche eine erblich bedingte Bindegewebsschwäche haben. Es ist normal, dass mit der Zeit die Beckenbodenmuskeln etwas an Stabilität verlieren, im Alter kann dies jedoch zu viel werden und zu einer Beckenbodenschwäche mit all ihren Konsequenzen führen.
Aber auch jüngere Frauen können unter Beckenbodenproblemen leiden. Besonders wenn eine Frau innerhalb relativ kurzer zeit mehrere Kinder zur Welt gebracht hat, kann es zu einer Schwächung des Beckenbodens aufgrund der Überdehnung der Muskeln kommen. Auch Komplikationen im Rahmen der Geburt, wie etwa ein Dammriss, können die Beckenbodenmuskulatur schwächen.
Eine weitere mögliche Ursache für eine Beckenbodenschwächung ist schwere körperliche Arbeit. Auch chronischer Husten kann die Muskeln im Beckenboden auf Dauer schwächen. Ebenso spielen Lebensstilfaktoren wie Rauchen oder Übergewicht eine nicht zu unterschätzende Rolle bei der Entstehung von Beckenbodenschwächen.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Von der Beckenbodenschwäche sind vorwiegend Frauen betroffen, sie gehört daher in den Bereich der Gynäkologie. Zu ihren typischen Symptomen gehört eine leichte bis mittelstarke Inkontinenz, die auf eine Schwächung des Gewebes und der Muskulatur zurückzuführen ist.
Betroffene Frauen bemerken die Beckenbodenschwäche meist zuerst dadurch, dass der Schließmuskel der Blase nicht mehr zuverlässig funktioniert und kleinere Mengen Harn unkontrolliert und unerwünscht abgehen können. Dies tritt sehr häufig bei Husten, beim Lachen oder auch beim Sport auf, wenn der Körper größeren Erschütterungen ausgesetzt ist.
Besonders häufig tritt die Beckenbodenschwäche in den Wochen nach der Geburt auf, sie kann aber auch bei Frauen in fortgeschrittenem Alter und nach mehreren Geburten eintreten. Schmerzhafte Symptome werden nicht beobachtet, jedoch berichten Betroffene häufig von einem Gefühl der körperlichen Unsicherheit.
Die Schwächung der Muskulatur wird spürbar wahrgenommen und nimmt mit der Zeit zu. Manche Patientinnen berichten auch von einem Gefühl, das sich am ehesten mit Durchblutungsstörungen vergleichen lässt. Die Region um den Beckenboden wird mit Blut unterversorgt und fühlt sich an wie "eingeschlafen".
Zirkuliert das Blut wieder besser, werden oft auch Gefühle von unangenehmer Wärme berichtet. Rein äußerliche Anzeichen für die Beckenbodenschwäche sind außer dem Harnverlust nicht zu beobachten. Psychische Probleme und Ängste vor den Nebeneffekten können ebenfalls in Folge der Beckenbodenschwäche auftreten.
Diagnose & Verlauf
Obwohl besonders bei leichteren Formen der Beckenbodenschwäche erfolgversprechende Behandlungsmöglichkeiten bestehen, warten Frauen nicht selten lange bis sie einen Arzt aufsuchen. Dies ist in den meisten Fällen damit zu erklären, dass Themen wie Inkontinenz immer noch gesellschaftliche Tabus darstellen und häufig totgeschwiegen werden.
Bei der Diagnosestellung wird zuerst eine Anamnese erstellt. Dann folgt eine gynäkologische Untersuchung. Eine Urinanalyse wird erstellt um etwaige Infektionen der Harnwege als Ursache für die Beschwerden auszuschließen. Darüber hinaus wird eine Ultraschalluntersuchung der Beckenorgane gemacht.
Wenn nötig, kann der Druck in der Blase und Harnröhre mit Hilfe eines Katheters bestimmt werden. Manchmal ist es auch hilfreich, wenn die Patientin ein Miktionstagebuch führt und dies dem Arzt zeigt. Darin wird notiert, wie oft es zu Inkontinenzeoisoden kommt, wie die Trinkgewohnheiten sind und so weiter.
Komplikationen
Frauen die unter einer Beckenbodenschwäche leiden, müssen in einigen Fällen mit unterschiedlichen Komplikationen rechnen. Eine besagte Beckenbodenschwäche ruft in vielen Fällen eine Inkontinenz hervor. Da dieses Symptom auch noch in der heutigen Zeit ein Tabuthema der Gesellschaft ist, wird der endgültige Gang zum Arzt oft auf die lange Bank geschoben.
Dadurch können weitere Komplikationen wie zum Beispiel Depressionen, entstehen. Weitere Komplikationen, die in Verbindung mit einer Beckenbodenschwäche auftreten können, sind außerdem auch starke Krämpfe und Unterleibsschmerzen. Betroffene können in diesem Zusammenhang Abhilfe durch Schmerztabletten erzielen. In seltenen Fällen kann zudem eine Stuhlinkontinenz auftreten, die ebenfalls mit entsprechenden Medikamenten behandelt werden kann.
Da eine Beckenbodenschwäche auch durch fehlende Bewegung entstehen kann, besitzen Betroffene in vielen Fällen ein deutliches Übergewicht. Aus diesem Grund kann es während einer Beckenbodenschwäche zu enormen Blutdruckprobleme kommen, sowie zu Einschränkungen in einzelnen Bewegungsabläufen. Fest steht: Die einzelnen Komplikationen die bei einer Beckenbodenschwäche hervorgerufen werden können, halten sich Allgemein betrachtet in Grenzen.
Allerdings ist dies von Patient zu Patient sehr verschiedene. Lebt ein Patient einen sehr ungesunden Lebensstil, so sind beispielsweise weitere Komplikationen zu erwarten. Dazu zählt eine Anfälligkeit für Infektionen, Fieber oder auch eine allgemeine Muskelschwäche.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Eine Beckenbodenschwäche ist eine nicht seltene Folge der Schwangerschaft und kann auch im Alter auftreten. Da der Patient mit diesem Zustand nicht mehr dazu in der Lage ist, Urin und Stuhl kontrolliert auszuscheiden, sollte er schnellstmöglich den Arzt aufsuchen.
Möglicherweise helfen einfache Übungen dabei, die Stabilität des Beckenbodens wieder zu verbessern. Diese müssen dem Patienten jedoch gezeigt werden und er muss wissen, wie sie sich anfühlen, wenn er sie richtig durchführt - also so, dass die Muskeln des Beckenbodens wirklich trainiert werden. Zudem kann der Arzt kontrollieren, ob Beckenbodenübungen den gewünschten Erfolg bringen.
Außerdem kann eine Beckenbodenschwäche dazu führen, dass der betroffene Mensch nicht mehr schwer heben kann. Wie schwer er noch gefahrlos heben darf, kann ihm ebenfalls nur der Arzt sagen. Bei einer stark ausgeprägten Beckenbodenschwäche kann es sogar ratsam sein, den Beckenboden chirurgisch zu stabilisieren. Dadurch kann dem Patienten möglicherweise mehr Lebensqualität geschenkt werden.
Häufig geht es bei der ärztlichen Untersuchung aber auch darum, einem betroffenen Menschen aufzuzeigen, wie er im Alltag mit den Folgen einer Beckenbodenschwäche umgehen kann. Vielen Menschen ist es verständlicherweise unangenehm, Blase und womöglich Darm nicht mehr richtig kontrollieren zu können. Der Arzt kann ihnen Hilfsmittel für den Alltag und den Umgang mit diesen zeigen, damit sie sich wieder wohler fühlen.
Behandlung & Therapie
Bei der Behandlung einer Beckenbodenschwäche wird zuerst einmal eine konservative Therapie gestartet. Der Inhalt dieser Therapie richtet sich ganz nach den Ursachen der Probleme.
Die erste Maßnahme bei einer Beckenbodenschwäche ist Beckenbodentraining mit professioneller Anleitung. Auch Biofeedbackgeräte können helfen die Muskeln des Beckenbodens gezielt anspannen zu lernen. Auch eine Gewichtsreduktion und der Verzicht auf Zigaretten können den gewünschten Erfolg mit sich bringen; dies kann etwa im Rahmen einer Verhaltenstherapie geschehen.
Tritt die Beckenbodenschwäche im Rahmen der Wechseljahre auf, kann dem Hormonmangel, der zur Ausdünnung des Gewebes führt, durch eine Hormontherapie, begegnet werden. Zeigen die konservativen Therapieansätze nicht die gewünschte Wirkung, ist eine Operation notwendig. Je nach Ausgangssituation werden dabei zum Beispiel Senkungen der Gebärmutter oder Blase behoben.
Aussicht & Prognose
Eine Beckenbodenschwäche entsteht durch eine Schwächung des Halteapparates. Für eine gute Prognose ist es daher wichtig, durch geeignete Maßnahmen den Beckenboden wieder zu stärken und Aktivitäten, die ihn schwächen, zu unterlassen. Regelmäßiger Sport ist günstig, besonders Ausdauersportarten wie Walken, Radfahren, Schwimmen oder Laufen. Das Heben von schweren Lasten sollte besser unterlassen werden, weil es eine Gebärmuttersenkung eher noch begünstigt.
Frauen mit starkem Übergewicht sollten daran arbeiten, das Körpergewicht zu reduzieren, um den Beckenboden zu entlasten. Besonders positiv wirkt sich regelmäßiges Beckenbodentraining aus, weil es den Beckenboden kräftigt und Begleitsymptome wie Inkontinenzprobleme bessert bzw. ihnen wirkungsvoll vorbeugt. Die Übungen müssen aber richtig ausgeführt werden, ggf. sollten sie unter fachkundiger Anleitung geübt werden.
Während der Wechseljahre kann die Schwächung des Beckenbodens auch durch den Hormonmangel verursacht sein, der das Bindegewebe allgemein schwächt. In diesem Fall kann eine geeignete Hormonbehandlung die Beschwerden verbessern. In den meisten Fällen reichen diese Maßnahmen aus, um die Aussichten langfristig zu verbessern, aber in schwereren Fällen kann es sinnvoll sein, den Beckenboden operativ zu stabilisieren.
Vorbeugung
Um es erst gar nicht zu einer Schwächung des Beckenbodens kommen zu lassen, gibt es verschiedene Maßnahmen, die effektiv die Muskulatur stärken. So kann Beckengymnastik auch prophylaktisch und nicht erst beim ersten Auftreten von Symptomen wirksam sein. Beckenbodengymnastik kann auch zuhause erfolgen. Meist ist das Training jedoch wirksamer, wenn es unter professioneller Anleitung durchgeführt wird.
Als Vorbeugung sollte auf Sportarten verzichtet werden, welche den Druck auf den Beckenboden erhöhen und diesen so schwächen können, dazu gehören Sportarten wie Tennis oder Joggen. Um eine Schwächung der Beckenbodenmuskulatur zu verhindern, ist es auch hilfreich beim Stuhlgang nicht unnötig zu pressen und Verstopfungen zu vermeiden.
Nachsorge
Die Beckenbodenschwäche kann auf verschiedene Weise therapiert werden. Die Nachsorge ist jedoch bei den meisten Behandlungsmethoden gleich. Denn abgesehen von der Operation, die auch Wundregeneration erfordert, geht es in der Nachsorge im Prinzip nach jeder Therapie um das Gleiche: Die Patientin ist für die Funktion des Beckenbodens zu sensibilisieren und lernt, im Alltag schädliche Verhaltensweisen abzulegen und positive Verhaltensmuster anzunehmen. Dies ist in Zusammenarbeit mit dem behandelnden Gynäkologen, aber auch dem Hausarzt oder einem Internisten möglich.
Der Beckenboden ist Muskulatur, die sich trainieren lässt. Daher gehört es zu einer konsequenten Nachsorge, diese Muskulatur durch spezielle Übungen zu kräftigen. Diese Übungen sind leicht zu erlernen und in den Alltag zu integrieren. Nach einer OP werden sie in der Regel von einem Krankengymnasten vermittelt und können dann zu Hause regelmäßig weitergeführt werden. Dies trägt zu einer nachhaltigen Kräftigung des Beckenbodens bei.
Ein starkes Pressen beim Stuhlgang wirkt sich negativ auf Stabilität und Haltefunktion des Beckens aus. Daher kann auch die Verdauungsregulierung zur konsequenten Nachsorge bei der Beckenbodenschwäche beitragen. Ein weicher und voluminöser Stuhl wird durch eine ausreichende Trinkmenge und Ballaststoffe erzielt. Hier gibt es Hausmittel, die dies unterstützen. Ein Mittel, das sich in diesem Zusammenhang gut bewährt hat, sind Flohsamenschalen, die in Wasser eingerührt zu sich genommen werden.
Das können Sie selbst tun
Zu den wirksamsten Sofortmaßnahmen gehören spezielle Einlagen, die der Handel in vielen unterschiedlichen Größen anbietet. Sie passen sich der Körperform an und sind selbst bei engen Hosen nicht zu erkennen. Bei starker Beckenbodenschwäche sollte stets eine Ersatzbinde mitgeführt werden.
Etwas mehr Geduld erfordern spezielle Übungen, die unter dem Begriff Beckenbodentraining zusammengefasst sind. Regelmäßig durchgeführt stabilisieren sie das Bindegewebe und stärken gleichzeitig die Sehnen und Bänder. Da auch Übergewicht zur Schwächung der Beckenbodenmuskulatur führen kann, sollten Betroffene eine Reduktion ihres Gewichts anstreben.
Neben speziellen Einlagen können Würfel- oder Ringpressare die Beckenbodenschwäche kompensieren. Auch Tampons aus Schaumstoff bieten den Betroffenen wirksame Hilfe. Diese müssen vom Arzt angepasst und können danach von den Patienten selbstständig gewechselt werden. Treten die Beschwerden während der Wechseljahre auf, kann ein Hormonmangel die Ursache sein. Dieser führt zum Ausdünnen des Gewebes um Scheide, Blase und Harnröhre. Diagnostiziert wird der Mangel durch einen Facharzt. Er kann danach eine Hormontherapie einleiten und die betroffenen Gewebe auf diese Weise stärken.
Die Beckenbodenschwäche betrifft nicht nur Frauen. Auch bei Männern führt der erschlaffte Beckenboden zu unerwünschtem Urinabgang. Schon bei den geringsten Anzeichen einer Schwächung dieser Körperregion gilt, dass Betroffene diese gezielt trainieren und stabilisieren.
Quellen
- Arasteh, K., et. al.: Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
- Classen, M., Diehl, V., Kochsiek, K. (Hrsg.): Innere Medizin. Urban & Fischer, München 2009
- Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013