Bizepssehnenreflex

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 6. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Der Bizepssehnenreflex ist ein angeborener und monosynaptischer Eigenreflex, der zu den Dehnungsreflexen gehört. Reflektorisch kontrahiert der Bizepsmuskel nach einem Schlag auf die Bizepssehne und beugt damit den Unterarm im Ellenbogengelenk. Bei peripheren und zentralen Nervenschädigungen kann der Bizepssehnenreflex verändert sein.

Inhaltsverzeichnis

Was ist der Bizepssehnenreflex?

Der Bizepssehnenreflex wird den angeborenen Reflexen zugeordnet und entspricht einem Dehnungsreflex zum Schutz der zugehörigen Strukturen.

Der Musculus biceps brachii ist ein zweiköpfiger Oberarmmuskel mit zwei Gelenken. Die zugehörige Sehne ist die Bizepssehne. Die reflektorische Kontraktion des Bizepsmuskels nach einem Schlag auf die Bizepssehne nennt sich Bizepssehnenreflex.

Motorische Reflexe des menschlichen Körpers sind entweder Fremd- oder Eigenreflexe. Der Bizepssehnenreflex ist ein Eingenreflex. Er hat seine afferenten und efferenten Bahnen somit im selben Organ. Er wird sozusagen direkt am Ort der Reflexantwort ausgelöst und ist monosynaptisch.

Durch die reflektorische Kontraktion des Musculus biceps brachii beugt sich der Unterarm im Ellenbogengelenk ab. Effektor und Rezeptor liegen bei diesem Reflex im Nervus musculocutaneus. Der Nerv vermittelt die Reflexantwort über die Motoneuronen in den Rückenmarksegmenten C5 und C6.

Der Bizepssehnenreflex wird den angeborenen Reflexen zugeordnet und entspricht einem Dehnungsreflex zum Schutz der zugehörigen Strukturen.

Funktion & Aufgabe

Der zweigliedrige Musculus biceps brachii verläuft über das Schultergelenk und das Gelenk des Ellenbogens. Der Muskel ist ein Beugemuskel und beugt über Kontraktion den Unterarm im Ellenbogen ab. Der Ursprung des langen Muskelteils ist das Tuberculum supraglenoidale an der Scapula. Der kurze Muskelkopf entspringt am Processus coracoideus. Der sehnige Ansatz ist der Tuberositas radii der Speiche und der Faszie am Unterarm. Die ursprüngliche Sehne des längeren Kopfs verläuft durch den humoralen Sulcus intertubercularis und die Gelenkkapsel im Schultergelenk zum Tuberculum supraglenoidale. Dort wird er von der Vagina synovialis intertubercularis umgeben. Der Nervus musculocutaneus entspringt dem Plexus brachialis der Rückenmarksegmente C5 bis C6 und C7.

Dieser Nerv innerviert den Bizepsmuskel und bindet ihn so ans Nervensystem an. Der Nervus musculocutaneus ist ein gemischter Nerv, der sein Versorgungsgebiet sowohl sensibel, als auch motorisch innerviert. Motorisch innerviert der Nerv die Oberarmmuskeln Musculus coracobrachialis, Musculus brachialis und Musculus biceps brachii. Sensibel innerviert er die Gelenkkapsel im Ellenbogengelenk und einige Hautabschnitte der Speichenseite am Unterarm. Durch diese Mischinnervation kann der Nerv im Rahmen des Bizepssehnenreflexes sowohl als Effektor, als auch Rezeptor dienen.

Die Dehnungsrezeptoren der sensiblen Abschnitte registrieren die Dehnung, die die Bizepssehne und das Muskelspindel mit einem Schlag durchmachen. Diese Dehnungsinformationen werden ans Rückenmark gemeldet, wo sie motorisch reflektorische Antworten erhalten. Die motorischen Abschnitte des Nervus musculocutaneus geben diese Informationen an den Bizepsmuskel weiter und leiten so die reflektorische Kontraktion ein. Die Verschaltung über das Rückenmark garantiert eine rasche Reflexantwort.

Die sensiblen Afferenzen des Bizepssehnenreflexes liegen an der kontraktilen Mitte der Bizepsmuskelspindelfasern. In diesen Fasern wird bei der Dehnung ein Aktionspotential erzeugt, das über eine einzige Synapse im Vorderhorn des Rückenmarks auf α-Motoneurone übertragen wird. Die Motoneuronen bewirken die Kontraktion der Skelettmuskelfasern im Bizeps. Durch negative Rückkopplung wird bei der Reflexbewegung ungeachtet jeglicher Störungen eine feste Muskellänge aufrechterhalten.

Da die Reflexantwort den Muskel schützen soll, ist eine hohe Leitgeschwindigkeit für den Erfolg der Reflexbewegung zwingend erforderlich. Die Leitungsgeschwindigkeit von α-Motoneuronen liegt bei etwa 80 bis 120 ms−1.


Krankheiten & Beschwerden

Der Arzt untersucht den Bizepssehnenreflex im Rahmen der Reflexuntersuchung oder der neurologischen Diagnostik. Der Reflex lässt sich sowohl im Sitzen, als auch im Liegen auslösen. Der leicht angewinkelte Unterarm des Patienten wird vom Arzt stabilisiert. Mit dem Reflexhammer schlägt er leicht auf die Bizepssehne in der Ellenbeuge. Dieses Verfahren führt er auf beiden Seiten durch und betrachtet die Reflexantwort im Seitenvergleich. Wenn sich der Bizepssehnenreflex auf einer oder beiden Seiten auffällig verhält, kommen verschiedene Nervenschädigungen als Ursache in Frage.

Der Reflex ist entweder vermindert oder übersteigert. Kontrahiert der Bizepsmuskel nach dem Schlag auf die Sehne zum Beispiel nicht oder zeigt er verminderte Antwort, so ist vermutlich eine periphere Nervenverletzung die Ursache. Nervenverletzungen im peripheren Nervensystem können durch unfallbedingte Traumen ausgelöst werden.

Auch Nervenerkrankungen können an dem verminderten Reflexverhalten des Oberarmmuskels Schuld haben. Eine denkbare Erkrankung wäre zum Beispiel die Polyneuropathie, die oft durch Mangelernährung, eine Vergiftungserscheinung oder eine Infektionskrankheit ausgelöst wird.

Wenn der Bizepssehnenreflex nicht ausbleibt, sondern pathologisch gesteigert ist, dann ist vermutlich eine Läsion der Pyramidenbahnen im Rückenmark für das veränderte Reflexverhalten verantwortlich. Die Pyramidenbahnen verbinden die zentralen Motoneurone miteinander und steuern die Willkür- und Reflexmotorik. Bei Schädigungen dieses Bereichs stellen sich sogenannte Pyramidenbahnzeichen ein. Um die Verdachtsdiagnose auf eine pyramidale Schädigung zu erhärten, prüft der Arzt den Patienten nicht nur auf den Bizepssehnenreflex, sondern außerdem auf pathologische Reflexbewegungen aus der Babinski-Gruppe. Falls solche vorliegen, geht er von einer Schädigung der zentralen Motoneuronen aus.

Eine solche Schädiging kann sich im Rahmen von Krankheiten wie Multiple Sklerose oder ALS einstellen. Bei MS ruft das eigene Immunsystem entzündliche Läsionen im zentralen Nervensystem hervor. ALS ist dagegen eine degenerative Erkrankung, die speziell das motorische Nervensystem abbaut.

Ein leicht gesteigerter Bizepssehnenreflex muss nicht zwingend pathologischen Krankheitswert haben, sondern kann auch mit einer physiologisch lebhaften Reflexantwort des Patienten zusammenhängen.

Quellen

  • Arasteh, K., et. al.: Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016

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