Calcineurin
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 14. November 2021Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
Sie sind hier: Startseite Laborwerte Calcineurin
Calcineurin (CaN) ist eine Proteinphosphatase, welche bei der Aktivierung der T-Zellen des Immunsystems eine wichtige Rolle einnimmt, aber auch bei anderen Calcium-vermittelten Signalwegen im gesamten Körper aktiv ist. Durch Dephosphorylierung des NF-AT-Proteins leitet dieses Enzym eine Reihe von Gentranskriptionen ein, die für die charakteristische Arbeit der T-Lymphozyten hauptverantwortlich sind. Dank dieser Schlüsselposition ist Calcineurin Ansatzpunkt mehrerer therapeutischer Verfahren zur Immunsuppression.
Inhaltsverzeichnis |
Was ist Calcineurin?
Aufgebaut ist das Enzym aus zwei Untereinheiten: Calcineurin A (ca. 60 kDa) sorgt für die katalytische Funktion und trägt eine Calmodulin-Bindungsstelle, während Calcineurin B (ca. 19 kDa) regulatorisch aktiv ist und über zwei Calciumionen-Bindungsstellen verfügt.
Im Grundzustand ist CaN inaktiv, weil ein Teil des Proteins das aktive Zentrum blockiert – man spricht von Autoinhibition. Zur vollständigen Aktivierung wird die Bindung von calciumaktiviertem Calmodulin und Calciumionen benötigt. Als Phosphatase wird Calcineurin der EC-Nummer 3.1.3.16 zugeordnet, welche diejenigen Enzyme umfasst, die die hydrolytische Dephosphorylierung von Serin- und Threoninresten anderer Proteine katalysieren.
Funktion, Wirkung & Aufgaben
Die Rolle von Calcineurin für die Immunantwort beginnt mit der Aufnahme eines Antigens – z.B. eines Virus, eines Bakteriums oder Bestandteile von degenerierten Zellen – durch eine Zelle des Immunsystems (Monozyten, Makrophagen, dendritische Zellen und B-Zellen). Anschließend wird dieser Stoff prozessiert und auf der Oberfläche der Zelle präsentiert.
Bei Kontakt von Antigenpräsentierenden Zellen mit dem T-Zell-Rezeptor der T-Zellen wird eine Signalkaskade in Gang gesetzt. Durch diese extrazellulären Reize steigt die Calciumkonzentration in der Zelle. Es erfolgt die Bindung von Calciumionen an CaN B, welche durch Strukturveränderung des Proteins die autoinhibitorische Domäne von CaN A löst und die Calmodulin-Bindung an CaN A vermitteln. Hierdurch wird Calcineurin vollständig katalytisch aktiv und dephosphoryliert die serinreiche Region (SRR) im Aminoterminus der NF-ATc. Dies resultiert in einer Konformationsänderung der NF-ATc, in deren Folge der Transkriptionsfaktor in den Zellkern transportiert wird. Dort löst er die Transkription mehrerer Gene aus, die unter anderem für die Produktion von Interleukinen wie IL-2 verantwortlich sind.
IL-2 sorgt auch für die Aktivierung von T-Helferzellen und die Synthese von Cytokinen und lenkt so die Arbeit cytotoxischer T-Zellen. Während die Helferzellen andere Lymphozyten bei der Immunantwort steuern – so z.B. durch Reifung von B-Zellen zu Plasmazellen oder Gedächtniszellen und Aktivierung von Fresszellen – sind cytotoxische T-Zellen für die Zerstörung infizierter oder degenerierter Körperzellen verantwortlich. Da dieser Weg ohne Calcineurin nicht beschritten werden kann, nimmt das Enzym eine Schlüsselrolle in der Immunantwort ein.
Weitere Zielproteine des Enzyms sind das cAMP response element binding protein (CREB) mit Einfluss z.B. auf das Nervensystem und die innere Uhr und myocyte enhancer factor 2 (MEF2) , welcher bei der Embryonalentwicklung für die Zelldifferentiation mitverantwortlich ist und in Erwachsenen in der Stressantwort einiger Gewebe eine Rolle spielt.
Bildung, Vorkommen, Eigenschaften & optimale Werte
Von den zwei Untereinheiten existieren verschiedene Isoformen (CaN A: 3 Isoformen, CaN B: 2 Isoformen), die zum Teil je nach Körperregion unterschiedlich stark exprimiert werden. Dabei sticht insbesondere CaN A γ hervor, welches ausschließlich in den Hoden vorkommt und dort an der Samenreifung beteiligt ist. Trotz der hervorzuhebenden Rolle für Immunsystem und Nerven kann man davon ausgehen, dass Calcineurin in fast allen Geweben anzutreffen ist. Die Regulation erfolgt weniger über eine Verstärkung oder Drosselung der Synthese sondern über den Calcineurin-Inhibitor CAIN. Dieser verhindert z.B. die Dephosphorylierung von NF-AT.
Die negative Feedback-Regulation durch RCAN1 sorgt dafür, dass keine übermäßig großen cytosolischen Konzentration an CaN entstehen. Dabei bindet aktiviertes (dephosphoryliertes) NF-AT im Zellkern an den Genpromotor von RCAN1 und löst dadurch die Transkription aus. Das so entstandene RCAN1 bindet an CaN und hemmt seine Aktivität.
Krankheiten & Störungen
Somit werden CaN-Inhibitoren auch zur Behandlung von Krankheiten aus dem rheumatoiden Formenkreis eingesetzt. Weitere Ansatzgebiete, die derzeit erforscht werden sind Bekämpfung der Tuberkuloseinfektion, Schizophrenie und Diabetes. Das exklusive Vorkommen von CaN A γ im Hoden impliziert eine mögliche Rolle bei der Entwicklung von Verhütungsmitteln. Bei Fällen von Herzhypertrophie, bei denen der CaN-NA-FT-Signalweg beteiligt ist, konnte eine Ausbildung der Hypertrophie durch Gabe von CaN-Inhibitoren verhindert werden.
Menschen mit Down-Syndrom verfügen statt der üblichen zwei über drei 21er-Chromosomen, die ein Calcineurin-hemmendes Protein codieren. Dieser Inhibitor verhindert, dass Calcineurin mit Zellen von Blutgefäßen wechselwirkt und in diesen Proliferationsprozesse auslösen. Besonders wichtig ist diese Tatsache bei Tumoren, da diese unter anderem Calcineurin-vermittelt ihre Blutversorgung sicherstellen. An dieser Stelle einzugreifen kann also das Voranschreiten von Krebserkrankungen effektiv unterbinden. So findet man z.B. bei Menschen mit Down-Syndrom eine wesentlich geringere Häufigkeit von Tumoren und hofft, durch gezielte Hemmung dieses Vorgangs in Zukunft Vorteile bei der Bekämpfung von Krebs zu erringen.
Zuletzt häufen sich auch Hinweise darauf, dass eine altersbedingte Fehlregulation von Calcineurin auch eine Rolle bei der Entstehung neuronaler Erkrankungen wie Alzheimer spielen könnte. Die Erforschung der Signalwege, an denen das Enzym beteiligt ist, offenbart immer weitere weiße Flecken auf der biochemischen Landkarte. Sie eröffnet gleichzeitig die Hoffnung, dass man mit Hilfe dieses Schlüsselproteins eine Vielzahl unterschiedlicher Erkrankungen in Zukunft besser verstehen und behandeln kann.
Quellen
- Bisswanger, H.: Enzyme. Struktur, Kinetik und Anwendungen. Wiley-VHC, Weinheim 2015
- Deschka, M.: Laborwerte A-Z. Kohlhammer, Stuttgart 2011
- Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013