Dysraphie-Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 10. April 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Bei einem Dysraphie-Syndrom handelt es sich um einen Sammelbegriff, unter welchem diverse angeborene Fehlbildungen zusammengefasst werden. Qua Definition sind solche Dysmorphien unter den Begriff zu subsumieren, die angeboren sind und sich als Folge einer fehlerhaften Anlage des Rückenmarks oder einer Raphe-Bildung (Störung des Schließungsprozesses) darstellen.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Dysraphie-Syndrom?

Ursache einer Dysraphie ist üblicherweise ein mangelhafter Schluss des Neuralrohres im Areal des Schädels, des Rückenmarks oder der Wirbelsäule.
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Der medizinische Fachbegriff „Dysraphie“ entstammt dem Griechischen. Er setzt sich zusammen aus ραφή (ausgesprochen: „Raphe“) für Naht und dem Präfix Dys, das für Abweichungen von der Norm steht. Als Dysraphie gelten diverse Fehlbildungen (in der Fachwelt „Dysmorphien“), die sich auf eine fehlerhafte Anlage des Rückenmarks oder einer Raphe-Bildung zurückführen lassen.

Bei der sogenannten Raphe perinei, die bei einem Dysraphie-Syndrom häufig abweichend von der Norm gebildet wurde, handelt es sich um eine anteroposterior verlaufende Verbindung der Genitalfalten. Typisch für eine Dysraphie ist, dass es sich um eine angeborene Dysmorphie handelt. Dementsprechend werden mit dem Begriff verschiedene Erkrankungen bezeichnet, die durch eine sehr ähnliche Symptomatik verbunden werden.

Ursachen

Ursache einer Dysraphie ist üblicherweise ein mangelhafter Schluss des Neuralrohres im Areal des Schädels, des Rückenmarks oder der Wirbelsäule. Das Neuralrohr bildet die Grundlage des noch auszubildenden Zentralnervensystems (ZNS) bei einem Embryo.

Bei von einer Dysraphie betroffenen Menschen hat sich die Neuralplatte im embryonalen Entwicklungsstadium entgegen der Norm nicht zu einem Rohr verschlossen, sondern blieb häufig bis zum Abschluss der Geburt vollständig oder teilweise geöffnet. Dadurch kommt es zu verschiedenen Behinderungen der Versorgung der Nerven unterhalb der nicht oder nur mangelhaft verschlossenen Höhe.

In der Literatur wird berichtet, dass betroffene Neugeborene Hautveränderungen, Fehlbildungen der Extremitäten (insbesondere an Beinen und Armen) sowie Verkrümmungen der Wirbelsäulen aufweisen. Außerdem konnte festgestellt werden, dass die Wahrscheinlichkeit einer derartigen Fehlbildung bei einer Unterversorgung der schwangeren Mutter mit Folsäure wesentlich erhöht ist.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die genauen Symptome richten sich nach der jeweiligen Erscheinungsform des Dysraphie-Syndroms, weswegen niemals sämtliche der im Folgenden aufgezählten Beschwerden gleichzeitig vorliegen werden.

  • Typisch ist das Auftreten einer Spina bifida. Hierbei handelt es sich um eine Verschlussstörung der Wirbelsäule. Sie gilt als Neuralrohrdefekt und wird deshalb dem Dysraphie-Syndrom zugerechnet. Ein unvollständiger Verschluss der hinteren Wirbelbögen wird als Spina bifida occulta bezeichnet, wohingegen beim Spina bifida cystica zusätzlich ein Rückenmarksvorfall zu verzeichnen ist.
  • Mögliches Symptom einer Dysraphie sind auch diverse Deformitäten des Fußes. Hierbei wird je nach konkreter Ausbildung der Deformität zwischen Pes planus (Plattfuß), Pes equinovarus (in der Laiensprache auch als Klumpfuß bezeichnet), Pes valgus (Knickfuß) und Pes varus unterschieden.
  • Weitere Symptome sind Fehlbildungen der einzelnen Wirbel wie Keilwirbelmissbildungen oder deformierten Halbwirbeln. Diese gehen oft mit Skoliosen und Kyphosen einher.
  • Darüber hinaus ist auch das Auftreten einer Vierfingerfurche ein Anzeichen einer Dysraphie. Hier tritt eine außergewöhnliche Furche in der Hand auf.
  • Daneben zählt auch eine Trichterbrust, bei der eine trichterförmige Einziehung des Thorax verzeichnet wird, zu den typischen Beschwerden. In der humanmedizinischen Literatur wird dann von einem Pectus excavatum gesprochen.

Diagnose

Da sich Dysraphien bereits während der Entwicklung des menschlichen Embryos abzeichnen, kann die Diagnostik frühzeitig erfolgen. Dementsprechend können erste Therapieschritte oft schon kurz nach der Geburt eingeleitet werden. So lassen sich insbesondere Fehlstellungen des Fußes bereits bei Neugeborenen durch einfaches Redressment oder der Anbringung eines festen Gipsverbandes behandeln, sodass erst gar nicht die Notwendigkeit einer Operation entsteht.

Die Diagnose kann in der Mehrheit der Fälle bereits nach einer bloßen Inaugenscheinnahme der Betroffenen gestellt werden (Blickdiagnose). Dieser erste Befund wird allerdings in der Regel durch weitere Tests und Untersuchungsmethoden wie Röntgenbilder, MRT oder CT bestätigt.

Je nach Symptom können auch eine umfassende neurologische Untersuchung, Überprüfungen der Belastbarkeit und Funktion der Muskeln oder eine Sonographie angezeigt sein. Da es sich bei einem Dysraphie-Syndrom um eine angeborene Dysmorphie handelt, kommt es ohne therapeutische Maßnahmen zu keiner Besserung.

Komplikationen

Beim Dysraphie-Syndrom leidet der Patient an unterschiedlichen Fehlbildungen, die bereits angeboren sind. In den meisten Fällen ist dafür eine fehlerhafte Anlage am Rückenmark verantwortlich. Die Komplikationen sind dabei sehr unterschiedlich und hängen stark von der Ausprägung des Dysraphie-Syndroms ab.

Oft kommt es allerdings zu einer Verschlussstörung an der Wirbelsäule. Es kann ebenso zu Fehlbildungen an den Füßen kommen. Die Brust ist bei vielen Betroffenen ebenso in Form der sogenannten Trichterbrust geschädigt. Auch treten eine Blasenschwäche und Sensibilitätsstörungen auf. Die Fehlbildungen schränken den Alltag des Patienten und die Lebensqualität stark ein.

Oft kommt es aufgrund der Fehlbildungen zu psychischen Beschwerden, da der Betroffene mit seinem Aussehen nicht zufrieden ist. Die geistige Entwaldung ist in der Regel nicht betroffen, wobei es in vielen Fällen zu psychischen Störungen kommt. Hierbei kann auch ein aggressives Verhalten auftreten.

Die gezielte Behandlung des Syndroms ist nicht möglich, weswegen verschiedene Therapien eingesetzt werden, um die Symptome zu lindern. Bestimmte Fehlbildungen können auch operativ korrigiert werden. Hierbei treten in der Regel keine besonderen Komplikationen auf. Auch die Eltern leiden oft an psychischen Problemen.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Durch das Dysraphie-Syndrom können die Betroffenen an einer Reihe verschiedener Fehlbildungen und Missbildungen leiden. In den meisten Fällen werden diese schon direkt nach der Geburt festgestellt, sodass keine zusätzliche Diagnose notwendig ist. Einen Arzt sollte der Betroffene dann aufsuchen, wenn es durch die Fehlbildungen zu Schwierigkeiten und zu verschiedenen Beschwerden im Alltag kommt. Je früher die Symptome behandelt werden, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit einer vollständigen Heilung.

Der Arzt sollte auch dann besucht werden, wenn es zu Störungen der Sensibilität oder zu einer Blasenschwäche beim Patienten kommt. Durch die hohe Anzahl der Fehlbildungen sollten in der Regel auch regelmäßige Untersuchungen durchgeführt werden, um Komplikationen im höheren Alter zu vermeiden. Dadurch kann auch die Entwicklung des Kindes ohne Einschränkungen stattfinden.

Weiterhin kann das Dysraphie-Syndrom auch zu Mobbing oder zu Hänseleien führen, sodass bei diesen ein Psychologe aufgesucht werden sollte. Die Diagnose und Behandlung des Dysraphie-Syndroms erfolgt meistens durch einen Kinderarzt und durch verschiedene andere Fachärzte.

Behandlung & Therapie

Die Behandlung eins Dysraphie-Syndroms ist üblicherweise an der Bekämpfung oder Linderung der Symptome orientiert. Grundsätzlich kommen neben einer medikamentösen Schmerztherapie operative Eingriffe, Physiotherapien und Krankengymnastik in Betracht.

Kurz nach der Geburt ist der menschliche Körper üblicherweise noch einigermaßen formbar, sodass konservative Behandlungsmethoden wie die Anbringung von Schienen oder Gipsen bereits ausreichen können. Die Mehrheit der Dysraphien ist allerdings ausschließlich durch einen korrigierenden Eingriff zu behandeln. Diese können – je nach Art und Schwere des Eingriffs – unter lokaler Betäubung oder Vollnarkose erfolgen.

Aussicht & Prognose

Da es sich beim Dysraphie-Syndrom um eine Reihe breites angeborener Fehlbildungen handelt, können diese nicht mehr ursächlich behandelt werden. Den Betroffenen steht dabei lediglich eine symptomatische Behandlung zur Verfügung, die die Lebensqualität wieder erhöhen und die Beschwerden deutlich einschränken kann.

Sollte es nicht zu einer Behandlung kommen, so leiden die Patienten an erheblichen Einschränkungen im Alltag, da es zu Fehlbildungen am gesamten Körper kommt. Die Betroffenen weisen dabei einen Klumpfuß auf, wobei es auch zu einer Blasenschwäche und zu Gefühlsstörungen am ganzen Körper kommen kann.

Auch eine Gaumenspalte und eine Verringerung der Intelligenz kann beim Dysraphie-Syndrom eintreten und sich negativ auf die Lebensqualität auswirken. Dadurch wird auch die Entwicklung des Kindes dauerhaft gestört und verzögert, sodass die Patienten auch im Erwachsenenalter an Einschränkungen leiden.

Die Behandlung richtet sich immer nach den genauen Beschwerden und den Fehlbildungen. Dabei sind operative Eingriffe und verschiedene Maßnahmen der Physiotherapie notwendig, um die Beschwerden dauerhaft zu lindern. Eine vollständige Heilung wird jedoch nicht erreicht. In der Regel wirkt sich das Syndrom nicht negativ auf die Lebenserwartung des Patienten aus und verringert diese nicht.


Vorbeugung

Weil sich ein Dysraphie-Syndrom bereits beim Embryo ausbildet, kann es nicht spezifisch vorgebeugt werden. In der Literatur wird jedoch beschrieben, dass eine Unterversorgung der schwangeren Mutter mit dem Vitamin Folsäure die Wahrscheinlichkeit einer Dyraphie erhöht. Es ist also auf eine ausreichende Vitaminversorgung sowie einen gesunden Lebensstil zu achten.

Nachsorge

Der Betroffene ist beim Dysraphie-Syndrom in erster Linie auf eine schnelle und vor allem auf eine frühzeitige Diagnose angewiesen, damit weitere Komplikationen und eine weitere Verschlechterung der Beschwerden verhindert werden kann. Es kann dabei nicht zu einer selbstständigen Heilung kommen, sodass die Patienten dabei immer auf eine umfassende Behandlung angewiesen sind.

In der Regel sind die Maßnahmen einer Nachsorge stark eingeschränkt oder kaum möglich. Da es sich dabei auch um eigenen genetischen Defekt handelt, kann es zu einer Vererbung des Dysraphie-Syndroms kommen. Sollte es beim Betroffenen daher zu einem Kinderwunsch kommen, so kann auch eine genetische Beratung durchgeführt werden, um dieses Vererben möglicherweise zu verhindern.

In den meisten Fällen erfolgt dabei die Behandlung des Dysraphie-Syndroms mit Hilfe von Übungen aus der Krankengymnastik oder aus der Physiotherapie. Einige der Übungen kann der Betroffene dabei auch selbst im eigenen Zuhause durchführen, um die Heilung eventuell zu beschleunigen.

Bei Notwendigkeit können einige Fehlbildungen auch mit Hilfe von operativen Eingriffen gelindert werden. In einem solchen Fall sollte sich der Betroffene danach ausruhen und seinen Körper schonen. Auch der Kontakt zu anderen Betroffenen des Dysraphie-Syndroms kann dabei sinnvoll sein.

Das können Sie selbst tun

Personen, die unter einem Dysraphie-Syndrom leiden, sollten zunächst mit einem Arzt sprechen. Der Mediziner wird die notwendigen Maßnahmen einleiten und dem Patienten Tipps geben, wie er selbst gegen die einzelnen Symptome vorgehen kann.

Im Allgemeinen werden Behandlungsformen wie Physiotherapie oder Krankengymnastik empfohlen, unterstützt durch tägliche Bewegungsübungen, die sich an der Art der Fehlbildung orientieren. Begleitend dazu müssen orthopädische Hilfsmittel und Unterstützung im Alltag organisiert werden. Da das Dysraphie-Syndrom üblicherweise schon im Kindesalter festgestellt wird, sind die Eltern die wichtigste Stütze und sollten sich entsprechend über die Erkrankung informieren.

Fachärzte und Spezialkliniken sind die richtigen Ansprechpartner, um Wissen über die Fehlbildungen und deren Behandlungsmöglichkeiten zu sammeln. Dadurch und durch eine frühzeitige Abklärung durch den Arzt kann den betroffenen Kindern ein normales Leben ermöglicht werden.

Dennoch können sich aufgrund der äußerlichen Makel seelische Beschwerden entwickeln. Die Eltern sollten deshalb gut auf mögliche Warnsignale achten und bei Bedarf einen Therapeuten hinzuziehen. Auch der Besuch einer Selbsthilfegruppe kann helfen, die Erkrankung und deren mögliche Auswirkungen zu verstehen. Zudem können andere Betroffene oft weitere Strategien nennen, die den Alltag mit dem Dysraphie-Syndrom erleichtern.

Quellen

  • Murken, J., Grimm, T., Holinski-Feder, E., Zerres, K. (Hrsg.): Taschenlehrbuch Humangenetik. Thieme, Stuttgart 2011
  • Rath, W., Gembruch, U., Schmidt, S. (Hrsg.): Geburtshilfe und Perinatologie: Pränataldiagnostik - Erkrankungen - Entbindung. Thieme, Stuttgart 2010
  • Wassermann, K., Rohde, A.: Pränataldiagnostik und psychosoziale Beratung. Schattauer, Stuttgart 2009

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