Epithelial-mesenchymale Transition
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. November 2021Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Die epithelial-mesenchymale Transition, auch EMT genannt, bezeichnet die Umwandlung von Epithelzellen in mesenchymale Zellen. Diese Transformation besitzt eine große Bedeutung für die embryonale Entwicklung. Allerdings spielt dieser Prozess auch eine Schlüsselrolle bei der Entstehung von Metastasen bei Karzinomen.
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Was ist die epithelial-mesenchymale Transition
Bei einer epithelial-mesenchymalen Transition handelt es sich um eine Umwandlung von bereits differenzierten Epithelzellen in undifferenzierte mesenchymale Stammzellen. Besondere Bedeutung besitzt dieser Prozess während der Embryonalentwicklung.
Im Rahmen dieser Umwandlung lösen sich die Epithelzellen aus ihrer Bindung und können im Körper migrieren. Dabei passieren sie die Basalmembran. Die Basalmembran trennt die Epithelien, die Gliazellen und das Endothel vom bindegewebsartigen Zellzwischenraum ab. Als undifferenzierte multipotente Stammzellen gelangen die migrierten Zellen so in alle Bereiche des sich entwickelnden Organismus und können wieder in jegliche Zelltypen differenziert werden.
Die Epithelzellen bilden das sogenannte Epithel, welches eine Sammelbezeichnung für das Drüsen- und Deckgewebe darstellt. Das Mesenchym umfasst das gallertige und embryonale Bindegewebe, aus dem sich Knochen, Knorpel, die glatte Muskulatur, die Herzmuskulatur, die Nieren, die Nebennierenrinde, das blutbildende System mit Blut- und Lymphgefäßen sowie retikuläres, straffes und lockeres Bindegewebe entwickeln.
Funktion & Aufgabe
Das intensivste Wachstum findet in den ersten acht Wochen der Schwangerschaft statt. Der eigentliche Prozess der Embryogenese beginnt ca. am sechsten Tag der Schwangerschaft nach dem sogenannten Keimstadium (Zellentwicklung) und dauert bis zum Ende der achten Schwangerschaftswoche. In dieser Phase gewinnt die epithelial-mesenchymale Transition eine große Bedeutung, da jetzt alle Organe angelegt werden. Viele Epithelzellen verlieren hier wieder ihre Differenzierung und Bindung. Sie migrieren durch die Basalmembran und verteilen sich im gesamten Körper. Dort verhalten sie sich wieder wie normale multipotente Stammzellen und unterliegen einer erneuten Differenzierung in verschiedene Zelltypen.
Selbstverständlich können sie sich auch wieder zu Epithelzellen differenzieren. Dazu müssen zunächst die Zellkontakte reduziert und die Polarität der Epithelzellen aufgehoben werden. Unter Zellkontakt wird der Zusammenhalt der Zellen durch sogenannte Adhäsionsmoleküle verstanden. Ein wichtiges Adhäsionsmolekül ist unter anderem E-Cadherin. E-Cadherin ist ein transmembranes Glykoprotein, welches von Kalziumionen abhängig ist. Es verbindet Epithelzellen miteinander und sorgt für die Zellpolarität und die Signalweiterleitung. Während der Embryogenese wird die Aktivität von E-Cadherin reduziert. Dadurch kommt es zur Lösung des Zellverbandes. Gleichzeitig verschwindet auch die Polarität der Zellen.
Die Epithelzellen besitzen sowohl eine sogenannte apikale (äußere) als auch eine basale, dem darunterliegenden Gewebe zugewandte Seite. Die äußere Seite befindet sich auf der Oberfläche von Haut und Schleimhäuten, während die basale Seite mit dem unter einer Basallamina gelegenen Bindegewebe verbunden ist. Beide Seiten weisen unterschiedliche funktionelle und strukturelle Unterschiede auf und sorgen so für die Morphologie der Organe. Die Embryogenese erfordert jedoch rasche Änderungen und Flexibilität der Zellen, um sich schnell an die Wachstumsprozesse anpassen zu können.
Nach dem Ende der Embryogenese verliert die epithelial-mesenchymale Transition ihre Bedeutung für den Organismus.
Krankheiten & Beschwerden
Wenn es dann trotzdem zu einer Aktivierung der epithelial-mesenchymalen Transition nach Beendigung der Embryogenese kommt, geschieht das in der Regel im Zusammenhang mit malignen Tumorerkrankungen. So ist die EMT verantwortlich für die Entstehung von Metastasen im Rahmen von Krebserkrankungen. Der Prozess läuft ähnlich ab wie bei der Embryogenese. Insgesamt ist es ein vielschichtiger Prozess, der auf genetischen Regelmechanismen beruht, die noch nicht vollständig verstanden sind. So sind viele verantwortliche Gene nur während der Embryonalentwicklung aktiv. Danach werden sie stillgelegt. Eine mögliche Ursache für die neuerliche Aktivierung dieser Gene könnte die Hochregulierung des Transkriptionsfaktors Sox4 sein. Entsprechende Forschungsergebnisse wurden an der Universität Basel vorgelegt. Sox4 aktiviert wiederum eine Reihe von anderen Genen, die an der epithelial-mesenchymalen Transition beteiligt sind.
Die Inaktivität der entsprechenden Gene soll auf ihrer Unlesbarkeit durch die Umhüllung mit bestimmten Eiweißen (Histonen) beruhen. Das Sox4-Gen sorgt jedoch für die Bildung eines Enzyms mit dem Namen Ezh2. Es handelt es sich um eine Methyltransferase, welche die Methylierung der entsprechenden Histone veranlasst. Dabei werden die anderen beteiligten Gene wieder lesbar und aktivieren somit die epithelial-mesenchymale Transition.
Die Veränderung des Erbmaterials findet innerhalb eines Krebsgeschwulstes statt und liefert damit die Ursache für die völlige Entdifferenzierung der Krebszellen. Ohne eine epithelial-mesenchymale Transition würde der Krebs nur am Ort seiner Entstehung wachsen und nicht streuen. Die Metastasenbildung macht einen Tumor jedoch besonders bösartig und aggressiv. Daher wird an der Entwicklung von Medikamenten gearbeitet, welche die Bildung der Methyltransferase Ezh2 hemmen. Es wurden bereits entsprechende Medikamente entwickelt, die allerdings noch in der Erprobung sind. Die Eindämmung der Metastasenbildung würde einerseits die Aggressivität des Krebswachstums mildern und andererseits die Chance eröffnen, auch bisher hoffnungslose Fälle kurativ zu therapieren.
Quellen
- Alberts, B., u. a.: Molekularbiologie der Zelle. 4. Auflage. Wiley-VCH., Weinheim 2003
- Lodish et al.: Molekulare Zellbiologie. 4. Auflage, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, 2001
- Pschyrembel: Klinisches Wörterbuch. 266. Auflage. De Gruyter, Berlin 2015