Galaktosämie
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Jede Form der Galaktosämie entspricht einer Stoffwechselerkrankung und ist durch Enzymmangel gekennzeichnet. Der Erkrankung liegt eine genetische Mutation zugrunde, die Störungen bei der Spaltung von Galaktose in Glucose zur Folge hat. Da keine kausale Behandlungsmöglichkeit für die Betroffenen zur Verfügung steht, ist die Prognose für die Patienten in vielen Fällen denkbar ungünstig.
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Was ist eine Galaktosämie?
Bei Galaktose handelt es sich um ein natürliches, süßes Monosaccharid der Summenformel C6H12O6. Die Substanz stellt ein wichtiges Metabolit innerhalb des menschlichen Organismus dar. Der Darm resorbiert mit der Nahrung aufgenommene Galaktose, um sie der Leber zuzuführen und über enzymatische Prozesse in den Kohlenhydratstoffwechsel einzubringen.
Die Vorgänge des Galaktose-Stoffwechsels können durch unterschiedliche Zustände gestört werden. Eine angeborene Störung des Stoffwechselwegs liegt bei Patienten mit Galaktosämie vor. Die Betroffenen können das Monosaccharid nicht zureichend verstoffwechseln. In einer Konsequenz steigt ihr Galaktose-Blutspiegel.
Durch Störungen des Galaktose-Stoffwechsels kann der Kohlenhydratstoffwechsel vollends zum Erliegen kommen. Unterschiedliche Enzyme spielen für den Stoffwechselweg eine Rolle. Jeder Mangel an diesen Enzymen ist ein pathologischer Zustand. Von der Galaktosämie existieren unterschiedliche Unterformen, die durch verschiedene Schweregrade gekennzeichnet sind und als GALT-, GALK- und GALE-Galaktosämie bezeichnet werden.
Ursachen
Jeder Form der Galaktosämie liegt ein Mangel an Galaktose-Stoffwechselenzymen zugrunde. Der als GALT-Galktosämie bekannte Galaktose-1-Phosphat-Uridyltransferase-Mangel ist die häufigste Galaktosämie. Die Prävalenz wird mit einem Fall auf 40.000 Neugeborene angegeben. Seltener liegt der Galaktosämie ein Galactokinase- oder UDP-Galaktose-4-Epimerase-Mangel zugrunde.
Beide Enzyme verursachen keine Symptome, solange der Mangelzustand unvollständig bleibt. Nur wenn eines der Enzyme vollständig abwesend ist, treten Symptome auf. Die primäre Ursache für jede Form der Galaktosämie liegt in einer genetischen Mutation. Bei der GALT-Galaktosämie handelt es sich um eine Mutation im GALT-Gen auf Chromosom 9.
Wie die beiden anderen Formen kann die GALT-Galaktosämie vererbt werden. Die Vererbung erfolgt autosomal-rezessiv. Die Folge der GALT-Mutation ist eine Störung bei der Umwandlung von Galaktose in Glucose. So kommt es zu einer übermäßigen Ansammlung von Galaktose-1-Phosphat in Organen wie der Leber, dem Gehirns, der Nieren und den Erythrozyten. Die einzelnen Systeme werden toxisch geschädigt.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Die ersten Symptome der Galaktosämie manifestieren sich im Neugeborenenalter. Neben Trinkschwäche tritt Erbrechen ein. Außerdem zeigen die Patienten häufig Gelbsucht. Septische Zustände können vorkommen. Die Leberfunktionsstörung der Betroffenen nimmt immer weiter zu, je länger die Milchernährung fortgeführt wird.
Gerinnungsstörungen von Quick-Werten unter zehn Prozent treten in Vergesellschaftung mit einem Transaminasenanstieg auf. Aus den Einstichkanälen bluten die betroffenen Kinder mit deutlicher Verlängerung. Die Augenlinsen trüben Stück für Stück ein (Grauer Star). Je weiter die Erkrankung fortschreitet, umso apathischer werden die Kinder.
Im Spätstadium verlieren sie das Bewusstsein. Das Leberkoma tritt ein. Nur wenige Kinder überleben die kritische Phase. Überlebende leiden im späteren Leben häufig an geistigen Beeinträchtigungen, hormonmangelbedingten Fehlfunktionen der Eierstöcke oder Erblindung.
Diagnose
In der Vergangenheit wurde die Diagnose auf eine Galaktosämie bis zum Stadium des Leberkomas nicht gestellt. Durch den medizinischen Fortschritt der vergangenen Dekaden lässt sich die Diagnose mittlerweile durch einen einfachen Nachweis der toxisch geschädigten Erythrozyten stellen. Außerdem kann die Aktivität der betroffenen Enzyme mit dem Beutler-Test bestimmt werden.
Testverfahren existieren außerdem für Galactose-1-Phosphat und Galaktose. Seit der jüngsten Vergangenheit haben sich bundesweite Neugeborenen-Screenings auf die Erkrankung eingebürgert. Die Prognose ist für Patienten mit Galaktosämie eher ungünstig. In vielen Fällen fallen sie kurz nach der Geburt ins Leberkoma.
Komplikationen
Durch die Galaktosämie kommt es zu Beschwerden des Stoffwechsels. In den meisten Fällen leidet der Patient schon in einem sehr jungen Alter an einer Trinkschwäche und an starkem Erbrechen. Da durch das Erbrechen ebenso Flüssigkeit verloren geht, kommt es zu einer Dehydrierung, die einen sehr ungesunden Zustand für den Patienten darstellt. Weiterhin kann es auch zur Gelbsucht kommen.
Durch die Galaktosämie treten ebenfalls Beschwerden und Komplikationen an den Augen auf, sodass sich ein Grauer Star ausbildet. Dieser kann im schlimmsten Falle zum kompletten Verlust der Sehkraft des Patienten führen und damit die Lebensqualität drastisch verringern. Im weiteren Verlauf tritt auch das sogenannte Leberkoma auf und viele Betroffene verlieren das Bewusstsein.
In der Regel kann die Galaktosämie nicht kausal behandelt werden, sodass der Betroffene sein gesamtes Leben lang auf eine strenge Diät angewiesen ist. Dabei muss auch die Babynahrung entsprechend angepasst werden. Allerdings ist auch Gemüse ungeeignet für den Patienten, sodass es zu starken Einschränkungen in der Nahrungszufuhr kommt.
Durch diese Einschränkungen kommt es nicht selten zu Störungen der Entwicklung und zu einer Retardierung. Mitunter sind die Eltern psychisch durch die Galaktosämie belastet und leiden an Depressionen.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Wenn Eltern bei ihrem Kind eine Trinkschwäche sowie Erbrechen bemerken, liegt womöglich eine Galaktosämie vor. Ein Arzt sollte konsultiert werden, wenn die Beschwerden nach spätestens ein bis zwei Tagen nicht abgeklungen sein sollten. Falls Anzeichen einer Gelbsucht hinzukommen, ist ein sofortiger Arztbesuch angezeigt.
Auch Symptome eines Grauen Stars sowie apathisches Verhalten sind deutliche Warnzeichen, die abgeklärt werden müssen. Wird die Galaktosämie nicht behandelt, besteht die Gefahr eines Leberkomas, das in jedem Fall intensivmedizinisch zu versorgen ist.
Die Stoffwechselerkrankung betrifft vor allem Kinder, bei denen ein Mangel an bestimmten Galaktose-Stoffwechselenzymen vorliegt. Wurde ein solcher Mangel diagnostiziert, sollten genannte Symptome umgehend abgeklärt werden. Nach der initialen Behandlung sind meist weitere ärztliche Untersuchungen vonnöten. Bei Anzeichen einer geistigen Beeinträchtigung, Sehstörungen oder Fehlfunktionen der Eierstöcke sollte das Kind zum zuständigen Arzt gebracht werden.
Begleitend ist meist auch eine therapeutische Behandlung sinnvoll. Vor allem Kinder, die infolge der Erkrankung an bleibenden Schäden leiden, bedürfen zusätzlicher Unterstützung durch einen Psychologen und/oder Psychotherapeuten.
Behandlung & Therapie
Eine ursächliche Therapie steht für Patienten mit Galaktosämie bisher nicht zur Verfügung. Höchstens mit der Gentherapie wären für genetische Erkrankungen kausale Lösungsansätze denkbar. Bislang befindet sich die Gentherapie allerdings nicht in der klinischen Phase. Galaktosämie-Patienten werden daher ausschließlich supportiv behandelt.
Nicht einmal eine erfolgsversprechend symptomatische Behandlung steht für sie zur Verfügung. Ein supportiver Therapieschritt ist die lebenslang lactosefreie und galaktosearme Diät. Sämtliche Lebensmittel mit einem hohen Galaktose-Anteil sind Tabu. Dazu zählen vor allem Nahrungsmittel wie Milch und Milchprodukte.
Auch die lactosefreie Milch aus dem Handel eignet sich nicht für Patienten mit Galaktosämie. Die Lactose wird bei der Herstellung der Produkte in Galaktose und Glucose aufgespalten. Damit sind lactosefreie Milchprodukte zwar lactosefrei, aber trotzdem galactosehaltig. Für Neugeborene gestaltet sich die supportive Diätmaßnahme besonders schwierig.
Sie müssen auch auf Muttermilch und konventionelle Babynahrung verzichten. Als Alternativen bieten sich Produkte wie Säuglingsnahrung auf der Basis von Soja an. Vom Speiseplan aller Galaktosämie-Patienten werden außerdem Hülsenfrüchte wie Erdnüsse und Erbsen gestrichen. Diese Produkte enthalten Substanzen, die vom Darm zu Glalaktose aufgespalten werden.
In Gemüse liegt wiederum freie Galaktose vor, sodass auch Gemüseprodukte für die Betroffenen ungeeignet sind. Sogar im Bereich der Köperpflege gilt es, auf die Inhaltsstoffe einzelner Produkte zu achten. Cremes, Zahnpasten oder Seifen sind zum Beispiel oft mit Lactose belastet.
Sogar wenn alle genannten Schritte eingehalten werden, können sich noch immer Entwicklungsstörungen einstellen. Der menschliche Körper stellt selbst in gewissem Maß Galaktose her. Diese endogene Galaktose kann Entwicklungsverzögerungen zur Folge haben. Gegen Intelligenzminderung kann unter Umständen mit Frühförderung vorgegangen werden.
Aussicht & Prognose
Die Prognose der Galaktosämie ist bei vielen Patienten ungünstig. Eine vollständige Genesung oder Beschwerdefreiheit wurde bislang nicht dokumentiert. Die genetische Erkrankung kann aufgrund rechtlicher sowie medizinischer Möglichkeiten nach dem derzeitigen Stand nicht geheilt werden. Vielmehr kommt es unmittelbar nach der Geburt bei einer Vielzahl der Neugeborenen zu einer dramatischen Entwicklung. Viele Säuglinge fallen innerhalb der ersten Minuten ihres Lebens in einen komatösen Zustand.
Das Risiko ein Leberkoma zu erleiden, ist bei Erkrankten der Galaktosämie deutlich erhöht. Damit ist die Lebenserwartung herabgesetzt. Zudem besteht die Gefahr, verschiedene Komplikationen sowie lebenslange Einschränkungen zu erleiden. Eine ausreichende Behandlungsmöglichkeit, die sich auf die vollständige Linderung der Symptomatik ausrichtet, gibt es bei der Galaktosämie ebenfalls nicht.
Die Therapie ist auf die Förderung des Wohlbefindens ausgerichtet. Je nach den Beschwerden werden individuelle Gegenmaßnahmen eingeleitet. Unterstützend zur Behandlung findet eine spezielle Diät Anwendung. Der Verzicht von Milch- oder Gemüseprodukten sowie bestimmten Kosmetika verbessert das allgemeine Wohlbefinden des Patienten erheblich.
Liegt eine Minderung der geistigen Leistungsfähigkeit vor, kann mit Frühförderprogrammen eine Verbesserung der kognitiven Möglichkeiten erreicht werden. Bei allgemeinen Störungen der Entwicklung des Kindes werden ebenfalls verschiedene Maßnahmen der Unterstützung angeboten. Sie tragen zu einer Verbesserung der allgemeinen Lebensqualität bei.
Vorbeugung
Der Galaktosämie lässt sich ausschließlich über genetische Beratung in der Phase der Familienplanung vorbeugen. Paare mit einem erhöhten Vererbungsrisiko können sich gegen eigene Kinder entscheiden und stattdessen eine Adoption in Erwägung ziehen.
Nachsorge
In den meisten Fällen sind bei einer Galaktosämie keine besonderen Möglichkeiten zur Nachsorge möglich. Der Betroffene ist in erster Linie auf eine direkte und medizinische Behandlung durch einen Arzt angewiesen, um die Beschwerden dauerhaft zu lindern. In der Regel ist eine lebenslange Behandlung notwendig, da die Galaktosämie nicht kausal behandelt werden kann.
Da es sich bei der Erkrankung auch um eine erblich bedingte Krankheit handelt, kann bei einem Kinderwunsch eine genetische Beratung erfolgen, um das Vererben der Krankheit an die Kinder zu verhindern. Bei der Galaktosämie ist der Betroffene auf eine spezielle Diät angewiesen. Dabei sollten Milchprodukte vermieden werden.
Bei der Einnahme von Milchprodukten können auch Medikamente eingenommen werden, damit der Körper diese verdauen kann. In der Regel kann hierbei auch ein Arzt konsultiert werden, welcher einen Ernährungsplan für den Patienten erstellen kann. In vielen Fällen wirkt sich dabei auch der Kontakt zu anderen Betroffenen der Galaktosämie positiv auf den Verlauf der Erkrankung aus, da es dabei zu einem Austausch an Informationen kommen kann. Besondere Komplikationen treten bei dieser Krankheit meist nicht auf und es kommt auch nicht zu einer verringerten Lebenserwartung des Betroffenen.
Das können Sie selbst tun
Die Galaktosämie bedarf in jedem Fall einer ärztlichen Behandlung. Betroffene Eltern können die Therapie unterstützen, indem sie das Kind gut beobachten und bei ungewöhnlichen Symptomen sofort einen Arzt konsultieren.
Eine Trinkschwäche kann, begleitend zur medikamentösen Behandlung, durch bewusste Reize an Lippen, Mundboden und Zungenspitze gelindert werden. Die meisten Kinder reagieren auf diese Reize positiv und in vielen Fällen geht auch das Nuckeln am Finger in einen natürlichen Trinkreflex über.
Milch sollte aus einer Trinkflasche gegeben werden, denn dadurch lässt sich die eingenommene Menge besser kontrollieren. Es empfiehlt sich, die aufgenommene Flüssigkeit zu notieren und bei starken Abweichungen von der geforderten Menge mit dem zuständigen Kinderarzt zu sprechen.
Gegen Übelkeit und Erbrechen helfen sanfte Bauchmassagen, aber auch bestimmte Naturheilmittel, zum Beispiel Kamillentee oder Anwendungen mit Baldrian. Bei Sehstörungen ist ebenfalls fachlicher Rat gefragt. Die Eltern sollten in erster Linie darauf achten, dass das Kind infolge der verminderten Sehkraft nicht stürzt oder sich verletzt. Sollten die Beschwerden trotz aller Maßnahmen nicht zurückgehen, ist ein weiterer Arztbesuch angezeigt. Womöglich liegt eine ernste Erkrankung vor, die abgeklärt und behandelt werden muss.
Quellen
- Arasteh, K., et. al.: Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
- Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
- Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013