Hyperammonämie

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 9. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die Hyperammonämie ist durch eine erhöhte Ammoniakkonzentration im Blut gekennzeichnet. Als Ursachen kommen sowohl angeborene Defekte des Harnstoffzyklus und bestimmter Enzyme als auch schwere Lebererkrankungen infrage. Unbehandelt kann die Störung zu schweren Hirnschäden oder gar zum Tod führen.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine Hyperammonämie?

Die Symptome einer Hyperammonämie unterscheiden sich je nach dem Erstmanifestationsalter. Bei Neugeborenen ist der Verlauf lebensbedrohend mit dem Auftreten von Trinkschwäche, Hypotonie und Lethargie.
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Hyperammonämie ist der wissenschaftliche Begriff für eine erhöhte Serumkonzentration von Ammoniak im Blut. Ammoniak entsteht im Rahmen des Aminosäureabbaus. Im sogenannten Harnstoffzyklus wird freies Ammoniak unter Bildung von Harnstoff gebunden.

Der ungiftige Harnstoff wird wiederum über den Urin ausgeschieden. Wenn jedoch im Rahmen des Harnstoffzyklus Störungen durch defekte Enzyme auftreten, kann das gebildete Ammoniak oft nicht in Harnstoff umgewandelt werden. Ammoniak sammelt sich dann im Blut an und ruft vor allem im Gehirn oft irreversible Schäden hervor.

Jede Form der Hyperammonämie kann die Symptome einer hepatischen Enzephalopathie erzeugen. Diese Erkrankung ist immer die Folge einer Hyperammonämie. Obwohl die hepatische Enzephalopathie stets im Rahmen von schweren Leberinsuffizienzen beschrieben wird, kann die eigentlich auslösende Hyperammonämie auch andere Ursachen haben.

Ursachen

Die Ursachen einer Hyperammonämie können vielfältig sein. Sie stellt lediglich ein Symptom einer zugrunde liegenden Erkrankung dar. Oft ist sie die Folge einer genetisch bedingten Störung des Harnstoffzyklus. Der Harnstoffzyklus wird durch mehrere Enzyme gesteuert, deren Defekt oder Ausfall die Synthese von ungiftigem Harnstoff aus Ammoniak hemmen kann.

Zu diesen Enzymen zählen unter anderem die Ornithin-Transcarbamylase, die Carbamoylphosphat-Synthetase I, die Argininosuccinat-Synthase, die Argininosuccinat-Lyase, die N-Acetylglutamat-Synthetase (NAGS) und die Arginase 1. Am häufigsten ist die Ornithin-Transcarbamylase betroffen. Die Ornithin-Transcarbamylase katalysiert die Umwandlung von Ornithin zu Citrullin.

Wird diese Reaktion unterbrochen, kommt es zur Ansammlung von Ammoniak im Blut. Auch die anderen vorgestellten Enzyme würden durch ihren Ausfall zu einer Störung des Abbaus von Ammoniak führen. Diese Defekte kommen allerdings etwas seltener vor. So katalysiert die Carbamoylphosphat-Synthetase I die Addition von Ammoniak, ATP und Kohlendioxid zu Carbamoylphosphat.

Argininosuccinat-Synthase ist verantwortlich für die Umsetzung von Citrullin und Aspartat zu Argininosuccinat. Argininosuccinat dient wiederum als Ausgangsstoff für die Synthese von Arginin, welches direkt die Harnstoffbildung aus Ammoniak steuert. Das Enzym Argininosuccinat-Lyase katalysiert die Spaltung von Argininosuccinat in Fumarat und Arginin.

Die Arginase 1 steuert den finalen Schritt des Harnstoffzyklus mit dem Abbau von Arginin zu Harnstoff und Ornithin. Während der Ornithin-Transcarbamylase-Defekt x-chromosomal vererbt wird, folgen alle anderen Enzymdefekte jeweils einem autosomal-rezessiven Erbgang. Es gibt auch Stoffwechselerkrankungen außerhalb des Harnstoffzyklus, die zu einer Hyperammonämie führen können.

Dazu zählen unter anderem organische Azidurien, die eine Ansammlung von organischen Säuren hervorrufen. Diese giftigen Stoffwechselzwischenprodukte stören wiederum den Harnstoffzyklus. Als sekundäre Ursachen für eine Hyperammonämie kommen des Weiteren schwere Lebererkrankungen infrage, da die Umsetzung von Ammoniak in Harnstoff in der Leber erfolgt.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die Symptome einer Hyperammonämie unterscheiden sich je nach dem Erstmanifestationsalter. Bei Neugeborenen ist der Verlauf lebensbedrohend mit dem Auftreten von Trinkschwäche, Hypotonie und Lethargie. Tritt die Erkrankung erst im Säuglingsalter auf, verläuft sie weniger akut mit Lethargie und Gedeihstörungen.

Bei Erstmanifestation im Kleinkindalter bis zur Pubertät stehen geistige Retardierung, Störungen der Bewegungskoordination, Lernprobleme, Kopfschmerzen und Erbrechen im Vordergrund. Insgesamt entspricht das Erscheinungsbild der Hyperammonämie den Symptomen einer hepatischen Enzephalopathie.

Die im Zusammenhang mit starker Leberinsuffizienz beschriebener hepatischer Enzephalopathie äußert sich in einem Spektrum von leichten klinischen Erscheinungen bis zum Koma. So treten unter anderem in einem ersten Stadium Konzentrationsstörungen, Stimmungsschwankungen, Schläfrigkeit und Störungen in der Feinmotorik auf.

Das Stadium II ist durch erhöhte Schläfrigkeit, Störung der Sprachmotorik, Apathie und Orientierungsstörungen gekennzeichnet. Im Stadium III schläft der Patient meist dauerhaft, kann aber noch geweckt werden. Zusammenhangslose Sprache beim Erwecken und eine erhöhte Muskelspannung gehören auch zu diesem Stadium. Das Stadium IV zeichnet sich durch ein Leberkoma (Coma hepaticum) aus.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Die Hyperammonämie kann über das Auftreten der Symptome der hepatischen Enzephalopathie diagnostiziert werden. Dabei kommt unter anderem eine Schädel-CT zur Differenzialdiagnose zum Schlaganfall oder eine Blutzuckeruntersuchung zum Ausschluss einer Hypoglykämie zum Einsatz. Des Weiteren wird Ammoniak im Blut bestimmt.

Komplikationen

Die Hyperammonämie kann ohne Behandlung ernsthafte Schäden beim Patienten herbeiführen, wobei es im schlimmsten Falle auch zum Tode kommen kann. Durch die Hyperammonämie kommt es in erster Linie zu einer Trinkschwäche. Daraus resultiert in der Regel eine Dehydrierung, die sich im Allgemeinen sehr negativ auf den Körper des Patienten auswirkt.

Weiterhin tritt auch eine geistige Retardierung auf, sodass der Betroffene möglicherweise auf die Hilfe anderer Menschen im Alltag angewiesen ist. Auch Denkprozesse werden durch die Krankheit eingeschränkt und stark erschwert. Es kommt zu Erbrechen, Übelkeit und zu Kopfschmerzen. Auch die Koordination und alle Bewegungen sind gestört und können nicht mehr ohne Weiteres durchgeführt werden.

Der Betroffene kann das Bewusstsein verlieren oder sogar in ein Koma fallen. Es kommt ebenso zu Sprachstörungen und zu Konzentrationsstörungen. Die Lebensqualität wird durch die Beschwerden extrem eingeschränkt. Sollte keine Behandlung der Hyperammonämie eintreten, so kommt es in der Regel zu einer Verringerung der Lebenserwartung und damit zu einem vorzeitigen Tod des Patienten.

Die Behandlung führt nicht zu weiteren Komplikationen und erfolgt mit Hilfe von Medikamenten. Dabei können die Beschwerden relativ gut eingeschränkt werden. Es ist allerdings möglich, dass sich durch die Hyperammonämie schon irreversible Schäden gebildet haben.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Neugeborene und Kleinkinder, die eine Verweigerung der Nahrungsaufnahme zeigen, sollten schnellstmöglich einem Arzt vorgestellt werden. Kommt es zu einer Ablehnung der Versorgung durch die Muttermilch oder einer ersatzweisen Säuglingsnahrung, besteht Anlass zur Besorgnis. Bei Gewichtsverlust, einer Blässe der Haut oder einer mangelnden Speichelproduktion wird ein Arzt benötigt. Im weiteren Verlauf droht ohne eine medizinische Versorgung eine Unterversorgung des Organismus und damit das frühzeitige Ableben des Neugeborenen. Zeigt das Kind Verhaltensauffälligkeiten, ist es lethargisch oder sind die Bewegungen der Gliedmaßen unkoordiniert, muss ein Arzt aufgesucht werden.

Bei Schwankungen der Stimmung, starker Müdigkeit und einem sehr intensiven Schlafbedarf, sollte eine Kontrolluntersuchung erfolgen. Wird eine erhöhte Anspannung der Muskeln festgestellt, muss diese medizinisch abgeklärt werden. Können die Muskeln auch im Liegen oder im leicht schlafenden Zustand nicht gelockert werden, sollte ein Arztbesuch erfolgen. Bei einem komatösen Zustand des Kindes ist ein Rettungsdienst zu rufen, da es sich um einen Notfall handelt. Fällt das Kind durch Störungen der Feinmotorik oder Koordinationsprobleme auf, ist ein Arzt aufzusuchen. Bei Unterbrechungen des Bewusstseins oder einer Apathie muss unverzüglich ein Arzt konsultiert werden. Kinder, die bereits sprechen können, müssen einem Arzt vorgestellt werden, sobald ihre Aussprache Aussetzern unterliegt oder sich die Sprachgebung zurück entwickelt.

Behandlung & Therapie

Im Falle einer akuten Hyperammonämie müssen dringend Sofortmaßnahmen durchgeführt werden. Dazu ist es notwendig, umgehend für zwei Tage die Proteinzufuhr zu stoppen. Des Weiteren gehören dazu die Durchführung einer Zuckerinfusion, die Gabe von Insulin und die Zuführung von Arginin sowie Carnitin.

Verschiedene Medikamente wie Phenylacetat, Phenylbutyrat oder Benzoat werden zur Entgiftung des Blutes eingesetzt. Durch Diuretika wird die Harnausscheidung erhöht. In manchen Fällen muss auch eine Dialyse durchgeführt werden. Auch Lactulose, ein Disaccharid wird gegeben.

Mithilfe von Darmbakterien wird dieses Kohlenhydrat in Laktat und Aceton zersetzt. Das entstehende saurere Darmmilieu sorgt für die Bindung von Ammoniak zu Ammoniumsalzen. Zur langfristigen Behandlung der Hyperammonämie bei Enzymdefekten muss dauerhaft eine eiweißarme Diät eingehalten werden.

Zusätzlich ist die Gabe von Argininhydrochlorid, Citrullin oder Lysin notwendig. Wenn die Hyperammonämie die Folge einer Lebererkrankung ist, muss diese selbstverständlich behandelt werden.


Aussicht & Prognose

Die Heilungsaussicht der Hyperammonämie ist gebunden an die Inanspruchnahme einer Behandlung sowie die vorliegende Grunderkrankung. Mit einer medikamentösen Therapie findet eine Entgiftung des Blutes statt. Dies lindert die Beschwerden und verbessert den gesundheitlichen Zustand des Patienten. Wird die Behandlung verweigert, ist die Prognose ungünstig. Es kann in schweren Fällen zu dauerhaften Beeinträchtigungen der Hirntätigkeit kommen. Darüber hinaus droht dem Betroffenen ein frühzeitiges Ableben.

Mit einer Behandlung verbessert sich die Prognose, eine Heilbarkeit ist meist nicht gegeben. Die eingeleitete medizinische Versorgung ist abhängig von der vorliegenden Ursache der Beschwerden. Bei einer genetisch bedingten Grunderkrankung kann eine Linderung der Symptome erreicht werden. In einer Langzeittherapie wird der Harnstoffzyklus überwacht und reguliert. Dies führt zu einer Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustandes und zu einer Abnahme der vorhandenen Beschwerden. Da der Gendefekt aus rechtlichen Gründen nicht veränderbar ist, tritt jedoch keine dauerhafte Heilung ein. Sobald die Behandlung unterbrochen oder auf eigenen Wunsch beendet wird, kehren die Störungen des Harnstoffzyklus wieder zurück.

Bei einem akuten Zustand findet eine intensivmedizinische Versorgung des Patienten statt. Diese verbessert die gesundheitliche Lage des Patienten, reicht jedoch für eine Heilung nicht aus. Bei einer vorliegenden Organschädigung muss der Organismus ebenfalls langfristig medikamentös unterstützt werden, damit eine ausreichende Reinigung des Blutes stattfindet.

Vorbeugung

Schwere Krisen können bei einer angeborenen Hyperammonämie durch eine lebenslange Diät mit eiweißarmer Nahrung vermieden werden. Es gibt jedoch keine Empfehlung zur Verhinderung der Krankheit bei einer Störung des Harnstoffzyklus, weil diese genetisch bedingt ist.

Bei familiärem Auftreten wird eine humangenetische Beratung angeboten. Nichtgenetischen Ursachen einer Hyperammonämie kann jedoch durch eine gesunde Lebensweise und Verzicht auf Alkohol vorgebeugt werden.

Nachsorge

In der Regel stehen dem Betroffenen bei der Hyperammonämie keine oder nur sehr wenige Maßnahmen und Möglichkeiten einer Nachsorge zur Verfügung. Dabei ist der Betroffene in erster Linie auf eine frühzeitige Diagnose mit einer anschließenden Behandlung angewiesen, damit es zu keinen weiteren Komplikationen oder Beschwerden kommt. Eine frühzeitige Erkennung mit einer anschließenden Behandlung wirkt sich dabei immer sehr positiv auf den Verlauf der Krankheit aus.

Eventuell ist durch die Hyperammonämie eine verringerte Lebenserwartung möglich, falls die Krankheit erst spät erkannt oder nicht behandelt wird. Die Betroffenen sind bei einer Hyperammonämie auf die Einnahme von Medikamenten angewiesen. Dabei ist auf eine regelmäßige und vor allem auf eine richtige Einnahme zu achten, damit die Beschwerden richtig behandelt werden können. Bei Unklarheiten oder Fragen sollte dabei immer zuerst ein Arzt kontaktiert werden.

Auch regelmäßige Untersuchungen des Körpers sind bei dieser Krankheit sehr wichtig, um Schäden an den inneren Organen zu verhindern oder früh zu erkennen. Dabei kann sich auch eine gesunde Lebensweise mit einer gesunden Ernährung positiv auf den Verlauf der Krankheit auswirken. In vielen Fällen sind die Betroffenen durch die Krankheit auf die Pflege und die Hilfe von Angehörigen und der Familie angewiesen.

Das können Sie selbst tun

Liegt eine akute Hyperammonämie vor, muss umgehend die Proteinzufuhr gestoppt werden. Abhängig von der medizinischen Behandlung, sollte anschließend die Diät umgestellt werden, um eine erneute Reaktion zu vermeiden. Der Arzt wird dem Patienten eine eiweißarme Ernährung empfehlen, die nach der Diagnose für mindestens zwei bis drei Monate beibehalten werden sollte.

Parallel dazu ist eine Therapie mittels verschiedener Entgiftungsmedikamente angezeigt. Diese kann von dem Erkrankten durch eine regelmäßige Flüssigkeitszufuhr unterstützt werden. Zudem sollte vorübergehend auf sportliche Betätigung verzichtet werden. Wichtig sind Schonung und Bettruhe, insbesondere in den ersten ein bis zwei Wochen nach der Diagnose.

Tritt die Hyperammonämie infolge einer Lebererkrankung auf, muss auf Genussmittel verzichtet werden. Daneben muss die Grunderkrankung behandelt werden. Meist wird das Grundleiden medikamentös behandelt, in manchen Fällen ist jedoch eine operative Behandlung vonnöten. Nach einem Eingriff an der Leber ist der Körper stark geschwächt. Der Patient muss einige Tage im Krankenhaus verbringen und sollte sich anschließend Zuhause auskurieren. Durch regelmäßige Besuche in der Arztpraxis kann eine engmaschige Überwachung und eine gezielte Behandlung von akuten Beschwerden sichergestellt werden.


Quellen

  • Arasteh, K., et. al.: Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013

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