Harnstoffzyklus

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 25. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Im Harnstoffzyklus werden stickstoffhaltige Stoffwechselendprodukte zu Harnstoff umgewandelt. Dieser biochemische Prozess findet in der Leber statt. Über die Nieren wird der Harnstoff dann ausgeschieden.

Inhaltsverzeichnis

Was ist der Harnstoffzyklus?

Im Harnstoffzyklus werden stickstoffhaltige Stoffwechselendprodukte zu Harnstoff umgewandelt.

Proteine, also Eiweiße, sind aus vielen Aminosäuren aufgebaut. Diese wiederum enthalten mindestens ein Stickstoffmolekül in Form einer Aminogruppe (-NH2). Werden die Aminosäuren mit ihren Stickstoffmolekülen abgebaut, entsteht giftiges Ammoniak (NH3). Im Blut liegt das Ammoniak gelöst in Form von sogenannten Ammoniumionen (NH4+) vor. Auch in dieser gelösten Form kann der Stoff toxisch wirken. In der Leber wird Harnstoff unter Bindung der Ammoniumionen gebildet. Dadurch werden die Ionen unschädlich gemacht. Der entstandene Harnstoff wird über die Niere ausgeschieden.

Der Mensch ist auf den Harnstoffzyklus angewiesen. Die meisten Wassertiere können das anfallende Ammoniak sofort über ihre Körperflüssigkeiten per Osmose an das Wasser abgeben. Bei Vögeln und Echsen wird statt des Harnstoffes die unschädlichere Harnsäure produziert. Diese wird zwar auch über den Urin ausgeschieden, kann aber im Gegensatz zum Harnstoff länger im Körper verbleiben, ohne Schäden anzurichten.

Funktion & Aufgabe

Der Harnstoffzyklus, auch Ornithinzyklus genannt, beginnt in den Mitochondrien. Mitochondrien werden auch als die Kraftwerke der Zelle bezeichnet, da hier das sehr energiereiche Molekül ATP produziert wird. Innerhalb der Matrix der Mitochondrien wird aus freiem Ammoniak und Kohlendioxid durch das Enzym Carbamoylphosphat-Synthetase 1 Carbamoylphosphat gebildet.

Bei dieser Reaktion verbleibt ein Phosphatrest. Dieser wird im nächsten Schritt benötigt. Hier reagiert Ornithin, eine Aminosäure, die in der Mitochondrienmatrix vorliegt, mit dem im ersten Schritt gebildeten Carbamoylphosphat. Dabei überträgt das Carbamoylphosphat seine Carbamoyl-Gruppe auf das Ornithin. Es entstehen Citrullin und Phosphat. Katalysator dieser chemischen Reaktion ist das Enzym Ornithin-Transcarbamylase.

Für den weiteren Ablauf muss das entstandene Citrullin aus den Mitochondrien in die Zellflüssigkeit der Leberzellen (Hepatozyten) transportiert werden. Dies geschieht mithilfe des Ornithin-Citrullin-Transporters. In dem Zytoplasma der Hepatozyten wird auch die Aminogruppe Aspartat Teil des Harnstoffzyklus. Die Carbonylgruppe des Citrullins reagiert mit Aspartat. Dabei entsteht durch das katalysierende Enzym Argininsuccinat-Synthetase Arginino-Succinat. Dieses wird durch ein weiteres katalysierendes Enzym, die Argininosuccinase, in freies Furamat und freies Arginin gespalten.

Das freie Furamat wird zu Aspartat regeneriert. Das Arginin wird wiederum durch das Enzym Arginase gespalten. Dabei entstehen Harnstoff und Ornithin. Das Ornithin wird wieder in das Mitochondrium zurücktransportiert und dient dort als Trägermolekül bei der Bildung von Citrullin. Der Harnstoff wird als wasserlösliches Molekül über die Niere ausgeschieden.

Ohne den Harnstoffzyklus kann das Stoffwechselgift Ammoniak also nicht entsorgt werden. Der Harnstoff dient somit der Entgiftung des Körpers. Ist er gestört, kann es zu schweren neurologischen Symptomen kommen.

Für einen funktionierenden Harnstoffzyklus ist insbesondere eine gesunde Leber wichtig, da hier der Großteil der Harnstoffbildung stattfindet. Lediglich ein kleiner und zu vernachlässigender Teil der Harnstoffbildung wird in der Niere durchgeführt. Da die Niere den Harnstoff aber ausscheidet, dient der Harnstoffgehalt im Blut der Erfassung und Verlaufskontrolle einer Niereninsuffizienz. Auch bei der Dialyseüberwachung oder bei der Bestimmung einer Komaursache spielt der Harnstoffgehalt im Blut eine Rolle.


Krankheiten & Beschwerden

Insgesamt sind sechs Störungen des Harnstoffwechsels bekannt. Diese sind immer die Folge einer Störung eines beteiligten Enzyms. Es liegt bei Störungen des Harnstoffwechsels also in der Regel ein Mangel an Carbamoylphosphat-Synthetase, Ornithin-Transcarbamylase, Argininosuccinat-Synthetase , Argininosuccinat-Lyase, Arginase oder N-Acetyl-Glutamat-Synthetase vor. Ein Mangel an einem dieser Enzyme führt immer zu einer pathologisch hohen Ansammlung von Ammoniak in Gewebe und Blut.

Bei einem erhöhten Ammoniakspiegel im Blut spricht man auch von einer Hyperammonämie. Eine Hyperammonämie kann auch durch Funktionsstörungen in der Leber verursacht werden. Insbesondere fortgeschrittene Lebererkrankungen wie chronische Hepatitiden oder eine Leberzirrhose beeinträchtigen durch den Untergang von Leberzellen den Harnstoffzyklus.

Folge einer schweren Störung im Harnstoffzyklus sind vor allem Schädigungen des Zentralnervensystems. Man spricht bei diesem Beschwerdebild auch von einer hepatischen Enzephalopathie. Ist der Harnstoffzyklus gestört, verbleibt zu viel toxisches Ammoniak im Blut. Das Zellgift greift vor allem die Zellen des Nervensystems an. Diese schwellen durch die Vergiftung an. Dadurch erhöht sich der Hirndruck und schlussendlich kommt es zum Hirnödem.

Die Symptome lassen sich in vier Stufen unterteilen. Im ersten Stadium liegen nur leichtgradige Veränderungen wie Konzentrationsstörungen oder Stimmungsschwankungen vor. Teilweise haben die Betroffenen aber auch in diesem Stadium schon Probleme leichte Rechenaufgaben zu lösen. Im zweiten Stadium kommt es zu vermehrter Schläfrigkeit. Die zeitliche Orientierung ist eingeschränkt. Darauf folgen Sprach- und Bewusstseinsstörungen. Die Patienten leiden unter abnormer Schläfrigkeit, sind aber noch ansprechbar und erweckbar. Die schwerste Form der hepatischen Enzephalopathie ist das Leberkoma, auch Coma hepaticum genannt. Dieses Stadium ist durch komplette Bewusstlosigkeit und das vollständige Fehlen von Reflexen gekennzeichnet. Das Leberkoma endet häufig tödlich.

Die Manifestation von Symptomen bei Störungen des Harnstoffzyklus wird durch einige Faktoren begünstigt. So können Infektionen zu einem vermehrten Zellverfall und damit zu einem vermehrten Anfall von Aminosäuren führen. Auch eine erhöhte Aufnahme von Proteinen mit der Nahrung kann den schon gestörten Harnstoffzyklus überfordern.

Die Therapie von Störungen im Harnstoffzyklus erfolgt medikamentös mit Phenylacetat und Benzoat. Beide reagieren zusammen mit Glutamin und Glycin zu Phenacetylglutamin und Hippursäure. Diese können ebenso wie Harnstoff Stickstoff entfernen und werden ebenfalls über den Urin ausgeschieden.

Quellen

  • Arasteh, K., et. al.: Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016

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