Hypoparathyreoidismus (Nebenschilddrüsenunterfunktion)
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 8. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Der medizinische Begriff Hypoparathyreoidismus bezeichnet eine durch Unterfunktion der Nebenschilddrüsen hervorgerufene Krankheit, die aufgrund einer zu geringen Ausschüttung des sogenannten Parathormons zu Kalziummangel führt. Die in den meisten Fällen durch einen chirurgischen Eingriff an der Schilddrüse verursachte Nebenschilddrüsenunterfunktion äußert sich unter anderem durch Symptome wie: Haarausfall, spröde Haut, Muskelkrämpfe, Demenz oder die Bildung von grauem Star.
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Was ist Hypoparathyreoidismus?
Der Hypoparathyreoidismus definiert sich durch einen Parathormonmangel. Die Nebenschilddrüsen, die meist aus vier kleinen Körpern bestehen, befinden sich direkt an der Schilddrüse unter dem Kehlkopf und produzieren das Parathormon.
Dieser, im Falle eines Hypoparathyreoidismus nur in geringen Mengen oder gar nicht vorhandene Botenstoff, sorgt einerseits für die Erhöhung der Kalziummenge im Blut und senkt andererseits dessen Phosphatkonzentration.
Der durch die Nebenschilddrüsenunterfunktion bedingte Parathormonmangel führt verschiedene negative Auswirkungen mit sich, womit der Hypoparathyreoidismus sowohl den physischen als auch den psychischen Zustand der Betroffenen verschlechtern und gefährden kann.
Ursachen
Da die Nebenschilddrüsen unmittelbar neben der Schilddrüse liegen, kommt die unbeabsichtigte Entfernung der intakten Nebenschilddrüsen (oder Teilen davon) relativ häufig vor. Auch die Durchblutung der Nebenschilddrüsen kann im Zuge des operativen Eingriffs gestört werden, womit die Blutversorgung beeinträchtigt wird und diese im schlimmsten Fall absterben, was Hypoparathyreoidismus zur Folge hat.
Doch auch eine über einen längeren Zeitraum erfolgende, übermäßige Aufnahme von Vitamin D hemmt die Produktion des Parathormons in den Nebenschilddrüsen und führt somit langfristig zum Hypoparathyreoidismus.
Des Weiteren zählen im Halsbereich vorgenommene Bestrahlungen (etwa bei einem bösartigen Tumor) oder ein langanhaltender Mangel an Magnesium sowie das sogenannte DiGeorge-Syndrom (bedingt durch fehlerhafte Nebenschilddrüsen) zu den Auslösern von Hypoparathyreoidismus.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Die Symptome des Hypoparathyreoidismus sind leicht zu erkennen. Aufgrund des vorliegenden Calciummangels ist die Reizleitung zwischen Nerven und Muskeln behindert, so dass es zu schmerzhaften Muskelkrämpfen (Spasmen) kommt. Diese werden als tetanische Anfälle bezeichnet. Zuerst treten dabei Missempfindungen wie Kribbeln, Prickeln, schmerzhaftes Brennen, Taubheit oder Pelzigkeit an den Unterarmen, den Händen oder der Mundregion auf.
Im weiteren Verlauf kommt es zu Muskelkrämpfen mit einer für den Hypoparathyreoidismus typischen Pfötchenstellung der Hände und seltener zu einer Spitzfußstellung. Durch das Verkrampfen der Gesichtsmuskulatur entsteht eine charakteristischen Fischmaulstellung. Sind andere Muskeln von den tetanischen Anfällen betroffen, können weitere Symptome auftreten.
So kann es zu Atemnot kommen, wenn die Atemmuskulatur betroffen ist. Krampft die Muskulatur der inneren Organe wie etwa der Harnblase oder des Darms, kann dies Bauchschmerzen, Durchfall und vermehrten Harndrang auslösen. Es kann zudem zu Angstzuständen, Reizbarkeit, Unruhe oder depressiven Verstimmungen kommen. In seltenen Fällen erleiden die Betroffenen auch epileptische Anfälle.
Wird eine Nebenschilddrüsenunterfunktion in der Kindheit nicht adäquat behandelt, können Spätfolgen wie Veränderungen der Haare, Haut und Fingernägel, grauer Star, Haarausfall, Zahnanomalien, motorische Störungen, Verkalkung des Gehirns, des Innenohrs, der Nieren oder des Herzmuskels sowie Wachstums- und Entwicklungsstörungen bis hin zur leichten geistigen Behinderung auftreten.
Diagnose & Verlauf
Die Diagnose von Hypoparathyreoidismus erfolgt anhand vorliegender Beschwerden und der Feststellung des Kalziumspiegels sowie durch Untersuchungen der Muskeln und Nerven.
Der durch den Hypoparathyreoidismus hervorgerufene Kalziummangel bewirkt diverse körperliche Symptome. So treten Muskelkrämpfe und Gefühlsstörungen (tetanisches Syndrom) auf, die zu einem sogenannten tetanischen Anfall führen können. Typische Anzeichen für solche lebensgefährlichen, durch Hypoparathyreoidismus bedingten Anfälle sind Kribbelgefühle an Händen und Mund sowie Harndrang, Bauchschmerzen und Durchfall, gefolgt von schweren Krämpfen der Muskulatur, die sich durch einen unwillkürlich zusammengezogenen Mund (Fischmund), verkrampfte Hände und Füße (Pfötchenstellung und Spitzfuß) äußern, wobei die Betroffenen in der Regel bei vollem Bewusstsein sind.
Das mitunter ebenfalls eintretende Verkrampfen des Kehlkopfes kann besonders bei an Hypoparathyreoidismus leidenden Kindern zu lebensbedrohlicher Atemnot führen.
Der Phosphatüberschuss äußert sich ebenfalls durch leichte Erregbarkeit der Muskeln und Nerven sowie durch Juckreiz und gerötete Augen. Zudem führen Kalziummangel und Phosphatüberschuss bei einer unbehandelten Nebenschilddrüsenunterfunktion zu verschiedensten Symptomen wie Haarausfall, spröder Haut, Verkalkungen der Augenlinsen (grauer Star) und des Gehirns (Demenz), wobei der bei Hypoparathyreoidismus ebenfalls vorhandene Wasserüberschuss das Sehvermögen plötzlich verschlechtern kann.
Komplikationen
Der Alltag des Betroffenen wird durch den Hypoparathyreoidismus eingeschränkt. Weiterhin kann es auch zu Gefühlsstörungen in verschiedenen Regionen des Körpers kommen. Im schlimmsten Fall treten dabei sogar Lähmungen und Bewegungseinschränkungen auf. Die Augen sind oft gerötet und jucken und der Patient leidet an einer Atemnot. Durch die Atemnot kann es im weiteren Verlauf zum Bewusstseinsverlust oder zu einer Schädigung der Organe kommen.
Die Behandlung des Hypoparathyreoidismus verläuft in der Regel ohne Komplikationen. Sie führt schnell zu einem positiven Krankheitsverlauf und die Beschwerden verschwinden wieder. Komplikationen treten in der Regel nur dann auf, wenn die Behandlung zu spät einsetzt und schon Schäden an Organen entstanden sind. In den meisten Fällen wird die Lebenserwartung durch diese Krankheit nicht beeinflusst.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Wenn Muskelkrämpfe, Gefühlsstörungen und andere typische Symptome bemerkt werden, sollte in den nächsten Tagen ein Arzt aufgesucht werden. Weitere Warnzeichen, die rasch abgeklärt werden müssen, sind Bauchschmerzen, Durchfall und Kribbelgefühle an Händen und Mund, oft begleitet von schweren Krämpfen, die sich durch verkrampfte Hände, Füße und Mund äußern. Die Betroffenen verspüren in der Regel starke Schmerzen und Atemnot – Symptome, die umgehend abgeklärt werden müssen.
Der Hypoparathyreoidismus stellt eine lebensbedrohlich Erkrankung dar, die im weiteren Verlauf zu Demenz und diversen anderen Komplikationen führen kann. Betroffene sollten mit genannten Anzeichen zum Hausarzt gehen und gegebenenfalls eine Fachklinik aufsuchen. Wird die Erkrankung frühzeitig behandelt, verläuft sie meist positiv und die Symptome klingen rasch ab. Personen, die an einer Erkrankung der Nebenschilddrüsen leiden oder über einen längeren Zeitraum zu viel Vitamin D aufgenommen haben, sind besonders anfällig für die Entstehung eines Hypoparathyreoidismus. Wer sich zu diesen Risikogruppen zählt, muss in jedem Fall ärztlichen Rat einholen.
Behandlung & Therapie
Wurden die Nebenschilddrüsen versehentlich entfernt und so der Hypoparathyreoidismus ausgelöst, können sie durch Verpflanzung in das Muskelgewebe des Patienten (meistens in den Hals oder Arm) erneut zum Wachsen gebracht und somit wieder “einsatzbereit“ gemacht werden.
Dieses, auch als Autotransplantation bezeichnete, Vorgehen wird auch vorbeugend im Falle einer Bestrahlung des Halsbereichs angewandt, insofern mit dadurch entstehenden Schäden (Hypoparathyreoidismus) zu rechnen ist. Bei Gelingen dieser Methode gilt der Patient, auch wenn es sich in manchen Fällen nur um eine vorübergehende Lösung handelt, vorerst als geheilt.
Ist diese Form der Behandlung von Hypoparathyreoidismus nicht möglich oder schlägt sie nicht an, wird auf den Einsatz von Medikamenten zurückgegriffen. Um die durch Parathormonmangel erzeugte Unterversorgung an Kalzium auszugleichen, bekommt der an Hypoparathyreoidismus Leidende spezielle Kalziumtabletten mit einem geringen Vitamin-D-Anteil verabreicht, womit die Kalziummenge im Blut normalisiert wird und die durch Hypoparathyreoidismus bedingten Beschwerden im Normalfall verschwinden.
Vorbeugung
Da der Hypoparathyreoidismus in den meisten Fällen nicht durch eine falsche Ernährung oder Lebensweise hervorgerufen wird, ist eine Vorbeugung nur schwer möglich. Jedenfalls sollte, auch wenn es keine Anzeichen für Hypoparathyreoidismus gibt, ein möglicher Magnesiummangel sowie ein Überschuss an Vitamin D ausgeschlossen und ärztlich untersucht werden.
Nachsorge
Die Nachsorge bei Hypoparathyreoidismus soll vor allem dabei helfen, einen Ausgleich des Kalziummangels sicherzustellen. Daher bekommen die Patienten, die unter einer Nebenschilddrüsenunterfunktion leiden, entsprechende Kalziumtabletten mit Vitamin D verschrieben. Diese Mittel sind in der Nachsorgephase konsequent einzunehmen, damit sich das Kalziumlevel im Blut normalisiert und die vorigen Beschwerden zurückgehen.
Um die gesunde Entwicklung nach der eigentlichen Therapie zu fördern, sollten die Betroffenen ihre Ernährung umstellen. Kalziumreiche Nahrungsmittel helfen dabei, der Krankheit vorzubeugen. Mit Milchprodukten, grünem Gemüse und vielen Nussarten fühlen sich die Patienten bald wohler.
Zu viel Fette und Phosphate sind hingegen tabu, da sie den Organismus unnötig stark belasten. Auch auf Alkohol sollten die Betroffenen verzichten. Leichte Aktivitäten an der frischen Luft gehören zu einem gesunden Leben ebenfalls dazu. Dadurch steigert sich das Wohlbefinden. Achtsamkeit und ein gutes Gesundheitsbewusstsein sorgen dafür, dass sich die Betroffenen auch psychisch besser fühlen.
Das gilt auch für den Fall einer leichten Nebenschilddrüsenunterfunktion, die schnell zu belastenden Symptomen führen kann. Eine genaue Beobachtung der körperlichen Warnsignale hilft dabei, eine akute Verschlechterung des Zustands frühzeitig zu erkennen und effektiv zu vermeiden. Darum sollten sich Patienten für eine erfolgreiche Nachsorge gründlich mit den typischen Anzeichen der Erkrankung beschäftigen.
Das können Sie selbst tun
Die Nebenschilddrüseninsuffizienz verkompliziert den Alltag hauptsächlich durch auf Hypokalzämie rückführbare Symptomatiken. Bestmögliche Prophylaxemöglichkeit bietet eine bewusste, kalziumreiche Diät. Kalziumliefernde Nahrungsmittel wie Milcherzeugnisse, grünes Gemüse (Korb- und Kreuzblütler), sowie bestimmte Nussarten sollten Hauptbestandteil der Mahlzeiten sein. Zu vermeiden ist eine fett- und phosphathaltige Kost, sowie Alkoholgenuss. Die Bioverfügbarkeit von Kalzium ist nur in Gegenwart von ausreichend Vitamin D gegeben, weshalb tägliche, moderate Bewegung im Freien anzuraten ist.
Die allgemeine Lebensqualität der Patienten verbessert sich durch achtsame Ernährung mehrfach. Leichte Hypokalzämie führt zu moderaten, aber psychisch belastenden Symptomen. Über die richtige Ernährung in Kombination mit einer medikamentösen Therapie können diese Symptome deutlich reduziert werden. Die schwere Hypokalzämie ist meist nur stationär behandelbar. Beschäftigen sich die Betroffenen aufmerksam mit ihren körperlichen Warnzeichen, können akute Zustände wirksam vermieden werden.
Anstrengende, schweißtreibende Tätigkeiten entziehen dem Körper wichtige Mineralien. Bei erhöhter sportlicher Betätigung, langen Ausflügen oder Arbeitstagen kann auf den Verzehr von kalziumhaltigen Mineralwasser oder auf Kalziumpräparate zurückgegriffen werden. Das Mitführen und Verzehren vermindert nicht nur das Risiko eines akuten Mangels, sondern reduziert auch mögliche Ängste. Wie bei jeder chronischen Krankheit hilft es, Kontakt zu anderen Betroffenen zu suchen oder auch therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Quellen
- Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
- I care Krankheitslehre. Thieme, Stuttgart 2015
- Lehnert, H., Werdan, K.: Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2006