Kampomele Dysplasie
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 24. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Die kampomele Dysplasie ist ein mutationsbedingtes Fehlbildungssyndrom. Skelettale Dysplasien, Minderwuchs und Atemwegshypoplasien prägen das Bild. Rund zehn Prozent der Patienten überleben die ersten Lebenswochen und erhalten symptomatisch oeprative Behandlung zur Korrektur ihrer Fehlbildungen.
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Was ist eine kampomele Dysplasie?
Fehlbildungssyndrome sind angeborene Kombinationen aus Fehlbildungen unterschiedlicher Gewebe und Organe. Oft beinhalten Fehlbildungssyndrome symptomatische Skelettdysplasien. Das gilt zum Beispiel für das kampomele Syndrom, das auch als kampomele Dysplasie bekannt ist. Bei Skelettdysplasien handelt es sich um angeborene Knochen- oder Knorpelgewebsdefekte, die vom Mediziner als Osteochondrodysplasien bezeichnet werden.
Das kampomele Syndrom zeichnet sich leitsymptomatisch durch eine Verbiegung von Ober- und Unterschenkelknochen aus. Diese Kampomelie ist oft mit Kleinwuchs vergesellschaftet und verläuft in vielen Fällen tödlich. Unterschiedliche Formen des Syndroms werden mittlerweile unterschieden:
- Campomelic dysplasia
- Campomelic dysplasia with autosomal sex reversal
- eine Acampomelic campomelic dysplasia
- Campomelic dysplasia (long-limb form)
- short-limb form
Die Short-limb form kann außerdem mit Kleeblattschädel einhergehen. Die letzte Form der Erscheinung ist die mildeste Form und wird als „Skeletal Dysplasia related to campomelic dysplasia" bezeichnet. Die Erstbeschreibung erfolgte im 20. Jahrhundert durch John Caffey. 1971 prägten der deutsche Kinderarzt Spranger und der Pariser Kinderarzt Maroteaux den Begriff der kampomelen Dysplasie.
Ursachen
Das SOX9-Gen kodiert für einen proteinergen Transkriptionsfaktor, dessen Expression bei der Embryogenese für die Geschlechtsmerkmale und die Skelettentwicklung entscheidend ist. Zahlreiche Mutationen wurden unter der Beteiligung des SOX9-Gens dokumentiert und hatten unter anderem Rasterverschiebungen und Translokationen zur Folge.
Aufgrund der vielgestaltigen Mutationen besteht eine variable Expressivität für das klinische Bild der Erkrankung. Vermutlich sind Chromosomenaberrationen in der Kontrollregionen des Gens oder eine verbliebene Restaktivität des SOX9-Proteins für die milderen Formen der Erkrankung verantwortlich. Die mitunter mildesten Formen der Krankheit entstehen bei Translokationen und Inversionen.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Das Leitsymptom für Patienten mit kampomeler Dysplasie liegt in einer Verbiegung von Ober- und Unterschenkelknochen. Neben dieser Verbiegung leiden die Patienten des Syndroms meist an klinischen Kriterien wie fazialer Dysmorphie im Sinne einer flachen Nasenwurzel, einer Mikrognathie, Gaumenspalte oder Dolichozephalie.
Darüber hinaus liegt in den meisten Fällen Kleinwuchs vor. Außerdem können Anomalien wie der Klumpfuß oder die Hüftluxation eintreten. Ein zusätzliches Begleitsymptom kann Polyhydramnion sein. Durch die Beteiligung des mutierten Proteins an der Geschlechtsmerkmalsausprägung können an Patienten des Syndroms außerdem Genitalfehlbildungen auftreten.
Diese Fehlbildungen entsprechen häufig einer Hypospadie, können sich aber auch in intersexuellen Genitalen oder in kompletter Geschlechtsumkehr manifestieren. Viele Betroffenen weisen darüber hinaus nur elf Rippenpaare auf. In schweren Fällen des Syndroms sind die Kinder nicht lebensfähig und werden dementsprechend bereits tot geboren oder sterben unmittelbar nach der Geburt. Leichtere Fälle überleben und leiden bald an chronisch Symptomen des Atemtrakts.
Diagnose & Krankheitsverlauf
Zur Diagnostik der kampomelen Dysplasie wird zunächst ein Röntgenbild angefertigt, das charakteristische Anzeichen zeigt. Neben einer Verbiegung inklusive Winkelung der Diaphysenmitte im Oberschenkelknochen liegt oft eine Hypoplasie der seitlichen Wirbelkörperfortsätze oder Schulterblätter vor.
Eine Halswirbelsäulenkyphose ist ebenso häufig zu sehen wie eine fehlende Schambeinverknöcherung, ein birnenförmiger Os ilium oder eine Anomalie des Hüftgelenks. Auch Hypoplasien des Respirationstrakts können für das Syndrom sprechen, so beispielsweise eine Lungenhypoplasie. Mittels Feinultraschall ist mittlerweile eine vorgeburtliche Verdachtsdiagnose möglich.
Über eine genetische Diagnostik in Form einer Amniozentese oder einer Chorionzottenbiopsie kann diese gesichert werden kann. Betroffene Kinder besitzen eine eher ungünstige Prognose. Die meisten Patienten sterben kurz nach der Geburt aufgrund einer Ateminsuffizienz. Bis zu zehn Prozent überleben.
Komplikationen
Die Patienten selbst leiden dabei an einer Gaumenspalte und an einem Klumpfuß. Ebenso treten auch weitere Fehlbildungen und Missbildungen am gesamten Körper auf, die den Alltag und die Ästhetik des Betroffenen deutlich negativ beeinflussen. Sollte das Kind die Geburt überleben, kann es auch auch danach zu Atembeschwerden und weiterhin auch zu einer Ateminsuffizienz kommen. Dabei kann es ebenso zum Tode des Betroffenen kommen.
Da eine Diagnose noch vor der Geburt möglich ist, kann die Schwangerschaft auf Wunsch der Eltern auch vorzeitig beendet werden. Auch in diesem Fall ist oft eine psychologische Behandlung notwendig. Die Behandlung des Patienten findet mit Hilfe operativer Eingriffe und durch Therapien statt. Ob es zu einer verringerten Lebenserwartung kommt, kann nicht allgemein vorausgesagt werden.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Wenn das Kind an Fehlbildungen wie Gaumenspalte, flacher Nasenwurzel oder fazialer Dysmorphie leidet, muss ein Arzt aufgesucht werden. Eltern von betroffenen Kindern sollten umgehend den Kinderarzt informieren, damit rasch eine Diagnose gestellt werden kann. Sollte es sich tatsächlich um eine kampomele Dysplasie handeln, muss umgehend eine Behandlung eingeleitet werden. Der zuständige Arzt wird zunächst weitere Ärzte hinzuziehen, beispielsweise einen Augenarzt oder einen Logopäden, und gemeinsam mit diesen und den Eltern eine individuelle Therapie ausarbeiten.
Die körperliche Behandlung wird in der Regel von einer therapeutischen Beratung für Eltern und Kind begleitet. Daneben empfiehlt sich eine Einzeltherapie für das Kind. Vor allem in der Pubertät kann die Erkrankung seelische Beschwerden hervorrufen und die Betroffenen zum sozialen Rückzug bewegen. Eltern, die entsprechende Anzeichen bemerken, sollten mit dem Kind über eine psychologische Beratung sprechen. Daneben muss auch die medikamentöse Behandlung fortgesetzt werden. Die Eltern sollten den Arzt regelmäßig über etwaige Nebenwirkungen und Wechselwirkungen informieren.
Behandlung & Therapie
Eine ursächliche Therapie steht für Patienten mit kampomeler Dysplasie bislang nicht zur Verfügung. Gentherapeutische Ansätze könnten in Zukunft eventuell neue Behandlungswege eröffnen. Allerdings befindet sich Gentherapie bisher nicht in der klinischen Phase. Das Fehlbildungssyndrom wird bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt daher rein symptomatisch und supportiv behandelt.
Die symptomatische Behandlung konzentriert sich vor allem darauf, das Überleben der Kinder so lange wie möglich zu sichern. Als supportive Maßnahme werden den Eltern der Betroffenen oft Psychotherapeuten zur Seite gestellt, um ihnen bei der Verarbeitung der Situation zu helfen. Die invasive Korrektur von Hypoplasien des Respirationstrakts und anderen atmungsbeeinträchtigenden Fehlbildungen wie den Rippenanomalien ist einer der wichtigsten Schritte bei der nachgeburtlichen Behandlung von überlebenden Patienten.
Fehlbildungen wie die Hüftluxation können in einer Umstellungsoperation behoben werden, falls es der Allgemeinzustand der Patienten zulässt. Allesentscheidend ist die Beobachtung der Betroffenen. Etwaige Komplikationen wie Kyphoskoliose oder Atemwegsinfektionen werden auf diese Weise so schnell wie möglich erkannt und können eventuell rechtzeitig medikamentös oder invasiv behoben werden. Darüber hinaus ist eine Beobachtung wegen drohendem Hörverlust erforderlich. Eventuelle Lernschwierigkeiten oder kognitive Defizite werden mittels Frühförderung verbessert.
Aussicht & Prognose
Neben der symptomatischen Behandlung des erkrankten Kindes können die pflegenden Eltern auch selbst die Behandlung unterstützen. Oberstes Gebot hierbei ist es den Kindern viel Geborgenheit und Liebe zu vermitteln, was für die Kinder im Angesicht ihrer Beschwerden und Schmerzen eine wichtige Stütze darstellt.
Je nach Ausprägung der Erkrankung, der individuellen Symptome und den Vorgaben der behandelnden Ärzte kann auch mit physhio- und ergotherapeutischen Übungen für zu Hause gearbeitet werden. Unabhängig hiervon ist es ratsam orthopädische Hilfsmittel einzusetzen und das Kind nach Operationen besonders liebevoll zu umsorgen und jeglichen Stress zu vermeiden. Absolut unverzichtbar sind regelmäßige Kontrolluntersuchungen in der zuständigen Fachklinik und die Kontaktaufnahme zu den Ärzten bei Eintritt einer Verschlechterung oder bislang unbemerkten Symptomen.
Um dem Kind eine ausreichende Stütze sein zu können, müssen aber auch die Eltern auf sich achten und sich im Zweifel Hilfe bei der Bewältigung des erlittenen Traumas holen. Hilfreich ist neben einer professionellen Psychotherapie auch der Besuch von Selbsthilfegruppen, um sich mit anderen Eltern auszutauschen und unter Umständen Tipps und Tricks für mehr Lebensqualität übermittelt zu bekommen. Die Pflegekasse ermöglicht zudem für bis zu sechs Wochen im Jahr eine Verhinderungspflege, während derer die Angehörigen etwas Kraft tanken oder auch Zeit mit möglichen Geschwisterkindern finden können.
Vorbeugung
Der kampomelen Dysplasie lässt sich bislang lediglich im Rahmen von Feinultraschall vorbeugen. Da es sich meist um eine Neumutation handelt, können die ursächlichen Mutationen mittels genetischer Beratung in der Phase der Familienplanung nicht ausgeschlossen werden. Falls aufgrund des Feinultraschalls und einer anschließend molekulargenetischen Abklärung eine Diagnose auf das Syndrom gestellt wird, können sich Eltern gegen das Kind entscheiden.
Nachsorge
Die Maßnahme einer Nachsorge sind bei dieser Krankheit in vielen Fällen sehr stark eingeschränkt oder stehen dem Betroffenen dabei gar nicht zur Verfügung. In erster Linie muss dabei schon relativ früh ein Arzt kontaktiert werden, damit es nicht zu einer weiteren Verschlechterung der Beschwerden oder zu anderen Komplikationen kommt. In vielen Fällen versterben die betroffenen Kinder schon in den ersten Lebenswochen.
Die betroffenen Eltern und ihre Angehörigen sind daher in der Regel auf eine intensive psychologische Betreuung angewiesen. Dabei wirken sich auch liebevolle und einfühlsame Gespräche mit der eigenen Familie sehr positiv auf den weiteren Verlauf aus und können auch Depressionen oder andere psychische Verstimmungen verhindern. Bei einem erneuten Kinderwunsch kann auch eine genetische Untersuchung und Beratung sehr hilfreich sein, damit die Krankheit nicht erneut bei den Kindern auftreten kann.
Aufgrund der vielen Fehlbildungen bei den Kindern sind diese auf rebmäßige Kontrollen und Untersuchungen durch verschiedene Ärzte angewiesen. Ebenso ist dabei eine umfassende Förderung im Leben der Kinder notwendig, damit sich diese gut entwickeln können. In der Regel verringert die Krankheit stark die Lebenserwartung der Betroffenen Kinder, wobei eine allgemeine Voraussage über diese nicht gemacht werden kann.
Das können Sie selbst tun
Die symptomatische Behandlung einer kampomelen Dysplasie kann von den Eltern eines erkrankten Kindes durch eine Reihe von Maßnahmen unterstützt werden. Wichtig ist es in erster Linie, dem Kind Geborgenheit zu vermitteln. Da die Erkrankung oft mit starken Schmerzen und anderen Beschwerden einhergeht, benötigt das Kind den Halt durch die Angehörigen umso mehr.
Ob die Behandlung der individuellen Symptome unterstützt werden kann, hängt von der Art der Beschwerden und den Vorgaben des Arztes ab. Bei Fehlbildungen können orthopädische Hilfsmittel eingesetzt werden. Nach einer Operation muss sichergestellt werden, dass sich das Kind schont und keinem unnötigen Stress ausgesetzt ist. Begleitend dazu sind regelmäßige Kontrolluntersuchungen in der Fachklinik erforderlich.
Als unterstützende Maßnahme bietet sich den Eltern eines betroffenen Kindes eine Psychotherapie an. Im Gespräch mit einem Therapeuten lernen die Angehörigen, wie sie die traumatische Situation verarbeiten können und haben meist auch die Möglichkeit, über eine Selbsthilfegruppe mit anderen Betroffenen in Kontakt zu treten. Des Weiteren empfiehlt sich oft auch eine medikamentöse Behandlung, sei es durch medizinische Präparate oder durch natürliche Beruhigungsmittel wie Baldrian.
Quellen
- Breusch, S., Clarius, M., Mau, H., Sabo, D. (Hrsg.): Klinikleitfaden Orthopädie, Unfallchirurgie. Urban & Fischer, München 2013
- Murken, J., Grimm, T., Holinski-Feder, E., Zerres, K. (Hrsg.): Taschenlehrbuch Humangenetik. Thieme, Stuttgart 2011
- Witkowski R., Prokop O., Ullrich E.: Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen. Springer, Berlin 2003