Mandibulo-faziale Dysostose-Mikrozephalie
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 26. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Beim mandibulo-fazialen Dysostose-Mikrozephalie-Syndrom handelt es sich um eine besonders selten vorkommende Krankheit. Das Syndrom ist bei zahlreichen Medizinern auch mit Abkürzung MFDM bekannt. Grundsätzlich stellt das mandibulo-faziale Dysostose-Mikrozephalie-Syndrom eine genetisch bedingte Erkrankung dar, die bei den erkrankten Patienten schon von Geburt an besteht.
Was ist das mandibulo-faziale Dysostose-Mikrozephalie-Syndrom?
Das mandibulo-faziale Dysostose-Mikrozephalie-Syndrom erhielt seinen Namen in Anlehnung an die Autorin, die die Krankheit im Jahr 2000 zum ersten Mal wissenschaftlich beschrieb. Dabei handelt es sich um eine Medizinerin aus Brasilien sowie ihre Kollegen. Unter englischsprachigen Ärzten wird die Krankheit in der Regel als mandibulofacial dysostosis vom Typ Guion-Almeide bezeichnet.
Das mandibulo-faziale Dysostose-Mikrozephalie-Syndrom ist in erster Linie durch einen charakteristischen Kleinwuchs der betroffenen Patienten sowie eine Verringerung der Intelligenz gekennzeichnet. Darüber hinaus zeigen sich bei den erkrankten Personen eine sogenannte mandibulo-faziale Dysostose sowie eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte.
Außerdem leiden die Betroffenen an einer Mikrozephalie. Grundsätzlich handelt es sich bei dem mandibulo-fazialen Dysostose-Mikrozephalie-Syndrom um eine Erbkrankheit, die sich schon bei der Geburt manifestiert. Die Häufigkeit der Krankheit liegt aktuellen Schätzungen zufolge bei weniger als 1:1.000.000.
Ursachen
Der konkrete Auslöser des mandibulo-fazialen Dysostose-Mikrozephalie-Syndroms findet sich in einer bestimmten Art der Genmutation. Diese Mutation befindet sich auf dem sogenannten EFTUD2-Gen, wobei auch der exakte Genlocus der genetischen Mutation identifiziert ist.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Die am mandibulo-fazialen Dysostose-Mikrozephalie-Syndrom erkrankten Patienten weisen ein typisches Krankheitsbild mit verschiedenen Symptomen und Anzeichen auf. Besonders charakteristisch für die Erkrankung ist die sogenannte mandibulo-faziale Dysostose in Verbindung mit einer Mikrozephalie, wovon sich der Name der Krankheit ableitet. Zusätzlich ist ein Minderwuchs der betroffenen Patienten in der Regel kennzeichnend für die Erkrankung.
Darüber hinaus ist die intellektuelle Entwicklung der betroffenen Kinder gestört und beeinträchtigt. Im überwiegenden Teil der Fälle leiden die Patienten an einer erheblichen Verringerung der Intelligenz, sodass die Personen als geistig behindert gelten. Im Zusammenhang damit entwickelt sich zum Beispiel das Sprachvermögen der am mandibulo-fazialen Dysostose-Mikrozephalie-Syndrom erkrankten Menschen deutlich verlangsamt.
Die vom mandibulo-fazialen Dysostose-Mikrozephalie-Syndrom betroffenen Kinder beginnen in den meisten Fällen erst vergleichsweise spät mit dem Sprechen. Die typischen Beschwerden und Krankheitsanzeichen des mandibulo-fazialen Dysostose-Mikrozephalie-Syndroms zeigen sich schon innerhalb der ersten Lebensjahre vergleichsweise deutlich. Im Rahmen der mandibulo-fazialen Dysostose liegt eine Hypoplasie des oberen Kieferabschnitts bei den betroffenen Patienten vor.
Die Wurzel der Nase ist ungewöhnlich breit, außerdem weisen die Personen im Bereich des Gesichts oftmals mehr oder weniger auffällige Asymmetrien auf. Außerdem verfügen die Personen in der Regel über eine markante Glabella. An den Ohrmuscheln zeigen sich in zahlreichen Fällen Anomalien und Missbildungen.
Typisch für das mandibulo-faziale Dysostose-Mikrozephalie-Syndrom sind auch eine tracheo-ösophageale Fistel sowie eine sogenannte Ösophagusatresie. Im Rahmen der tracheo-ösophagealen Fistel leiden die Patienten an einer fistelartigen Verbindung zwischen dem Ösophagus und der Trachea.
Das Phänomen besteht entweder von Geburt an oder wird im Laufe des Lebens erworben. Bei der Ösophagusatresie ist die Speiseröhre unterbrochen und endet in der Luftröhre oder ist enorm verengt, sodass kein Speisebrei in den Magen gelangt. Die Ösophagusatresie ist in der Regel angeboren.
Diagnose & Krankheitsverlauf
Bei der Diagnose des mandibulo-fazialen Dysostose-Mikrozephalie-Syndroms wird der Patient mit Hilfe verschiedener Verfahren eingehend untersucht, um die Krankheit sicher zu diagnostizieren. Ein Teil der typischen Symptome des mandibulo-fazialen Dysostose-Mikrozephalie-Syndroms zeigt sich bereits bei neugeborenen Säuglingen unmittelbar nach der Geburt.
Dazu gehören zum Beispiel die Anomalien im Bereich des Gesichts. Allerdings ist es von der individuellen Ausprägung der Fehlbildungen abhängig, wie deutlich diese Beschwerden sind. Auch die Ösophagusatresie macht sich in der Regel bald nach der Geburt bemerkbar. Die Eltern des erkrankten Kindes tragen wesentliche Informationen zur Anamnese des Patienten bei.
Dabei versucht der Arzt in erster Linie, Hinweise auf eine Erbkrankheit zu sammeln. Zu diesem Zweck führt der behandelnde Facharzt üblicherweise eine Familienanamnese durch. Schließlich werden unterschiedliche klinische Untersuchungsmethoden eingesetzt, um das mandibulo-faziale Dysostose-Mikrozephalie-Syndrom sicher zu diagnostizieren.
Neben Sichtuntersuchungen werden beispielsweise auch Röntgenbilder des Skeletts des betroffenen Kindes angefertigt. Dabei finden sich in der Regel Hinweise auf einen Kleinwuchs. Weitere bildgebende Verfahren weisen zum Beispiel die Ösophagusatresie nach.
Um die Diagnose des mandibulo-fazialen Dysostose-Mikrozephalie-Syndroms abzuschließen, führt der Arzt eine Differenzialdiagnose durch. Denn einige Symptome des mandibulo-fazialen Dysostose-Mikrozephalie-Syndroms ähneln denen anderer Erkrankungen. Der Arzt klärt ab, ob das Nager-Syndrom, das Treacher-Collins-Syndrom oder das Diamond-Blackfan-Syndrom vorliegen. Zudem grenzt der Arzt die Symptomatik vom CHARGE-Syndrom sowie der Akrofazialen Dysostose AFD Typ Genee-Wiedemann und der sogenannten Kraniofazialen Mikrosomie ab.
Komplikationen
Ebenso kommt es zu Störungen beim Sprechen der Patienten, wodurch die Lebensqualität nochmals verringert wird. In den meisten Fällen treten die Beschwerden dabei schon in einem sehr jungen Alter oder direkt nach der Geburt auf. Auch die Ohren sind von der Krankheit betroffen, sodass es zu Beeinträchtigungen beim Hören kommen kann. Weiterhin tritt eine starke Verengung der Speiseröhre auf, die das Einnehmen von Nahrung deutlich erschwert.
Eine Behandlung dieser Krankheit ist nicht möglich. Die Beschwerden können dabei nur mit Hilfe von Therapien und Behandlung eingeschränkt werden, es kommt allerdings nicht zu einer vollständigen Heilung. Ob es dabei zu einer Verringerung der Lebenserwartung kommt, kann nicht universell vorausgesagt werden.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Zeigen heranwachsende Kinder eine verminderte Intelligenz im Vergleich zu gleichaltrigen Kindern, sind die Beobachtungen mit einem Arzt zu besprechen. Treten Lernprobleme auf oder sind Störungen der Gedächtnistätigkeit erkennbar, wird ein Arzt benötigt. Bei einer Auffälligkeit des körperlichen Wachstums ist ebenfalls ein Arztbesuch vonnöten. Ein Minderwuchs oder eine Fehlbildung des Skelettsystems sind schnellstmöglich einem Arzt vorzustellen. Eine Störung des Sprachvermögens, Beeinträchtigungen der Lautbildung sowie die Unfähigkeit, angemessen auf Aufforderungen der Umwelt zu reagieren, sind Anzeichen einer Erkrankung.
Ein Arztbesuch ist notwendig, damit ein Diagnosestellung erfolgen kann und ein angemessener Behandlungs- sowie Therapieplan erarbeitet wird. Anomalien oder Missbildungen im Gesicht können auf die Mandibulo-faziale Dysostose-Mikrozephalie hindeuten. In den meisten Fällen werden sie von den medizinisch geschulten Geburtshelfern, Krankenschwestern oder Ärzten unmittelbar nach der Niederkunft bei den Erstuntersuchungen des Kindes wahrgenommen.
Eine umfangreiche medizinische Versorgung des Säuglings wird automatisch eingeleitet, so dass für die Eltern in diesen Situationen kein Handlungsbedarf besteht. Funktionsstörungen, eine verminderte Sehkraft oder ein abgeschwächtes Hörvermögen sind einem Arzt vorzustellen. Da die meisten Erkrankten die Beeinträchtigungen nicht selbst artikulieren können, besteht eine besondere Sorgfaltspflicht der Mitmenschen. Die Unregelmäßigkeiten werden häufig von den Eltern oder Erziehungsberechtigten wahrgenommen und müssen mit einem Kinderarzt besprochen werden.
Behandlung & Therapie
Das mandibulo-faziale Dysostose-Mikrozephalie-Syndrom ist angeboren, sodass eine ursächliche Behandlung nicht praktikabel ist. Die Patienten erhalten stattdessen eine symptomatische Therapie zur Reduzierung der Beschwerden und der Steigerung ihrer Lebensqualität.
Aussicht & Prognose
Die Mandibulo-faziale Dysostose-Mikrozephalie hat eine ungünstige Prognose. Bislang gilt die genetische Störung als nicht heilbar. Eine ursächliche Therapie ist nicht möglich, da ein Eingriff und eine Veränderung der menschlichen Genetik nicht erlaubt sind. Die angeborene Störung wird symptomatisch behandelt. Ziel ist dabei eine Verbesserung der vorhandenen Lebensqualität.
Dennoch kommt es zu zahlreichen verschiedenen gesundheitlichen Einschränkungen, die trotz aller Bemühungen zu keiner Beschwerdefreiheit führen werden. Je früher ein Therapiebeginn stattfindet, desto besser gestalten sich im Normalfall die weiteren Entwicklungen. Obgleich die Ursache der Störung bei den Patienten auf einen bestimmten Gendefekt zurückzuführen ist, zeigen sich dennoch unterschiedliche Ausprägungen der Erkrankung. Diese sind wesentlich für die weiteren Aussichten verantwortlich.
Es kommt zu optischen Auffälligkeiten, aber auch zu einer verminderten Intelligenz. Bei der Nutzung von Frühförderungen können Verbesserungen erreicht werden. Dennoch bleibt es insbesondere im kognitiven Bereich bei deutlichen Einschränkungen. Die körperlichen Unregelmäßigkeiten werden zumeist durch chirurgische Eingriffe korrigiert. Ziel ist dabei das körperliche Wachstum und die Bewegungsmöglichkeiten möglichst optimal zu unterstützen. Einschränkungen des Seh,- Hör- und Sprachvermögens können nicht immer vollständig behoben werden. Dennoch sind dank des medizinischen Fortschritts bereits deutliche Linderungen der Beschwerden zu dokumentieren. Der Skelett- und Muskelapparat wird durch physiotherapeutische Übungen ebenfalls bestmöglich gefördert.
Vorbeugung
Hinsichtlich der Vererbung des mandibulo-fazialen Dysostose-Mikrozephalie-Syndroms bestehen noch keine Möglichkeiten zu einer pränatalen Prävention.
Nachsorge
Da Kleinwüchsigkeit in der Regel nicht behebbar ist, konzentriert sich die Nachsorge in diesem Fall lediglich darauf, das Heranwachsen unter Umständen positiv zu beeinflussen. So verspricht etwa eine Hormontherapie Erfolg. Kleinwüchsigkeit hat zudem auch keine zwingende Auswirkung auf die Lebenserwartung. Vielfach gibt es keinen Grund für medizinische Maßnahmen.
Auch eine Intelligenzminderung erweist sich in den meisten Fällen als relativ schwierig zu behandeln, da diese nicht immer vollständig geheilt werden kann. In einigen Fällen kann diese Minderung dabei auch gelindert werden, wobei der weitere Verlauf auch sehr stark von der zugrundeliegenden Erkrankung und auch vom Zeitpunkt der Diagnose abhängig ist.
Aufgrund der Vielschichtigkeit des Krankheitsbildes des mandibulo-fazialen Dysostose-Mikrozephalie-Syndroms und seiner unterschiedlichen Ausgeprägtheit, die Betroffene dauerhaft nervlich stark strapaziert, empfiehlt sich eine langfristige therapeutische Unterstützung durch einen Psychologen. Das Erleben von Ausgrenzung sowie berufliche und private Nachteile führen mitunter ein seelisches Ungleichgewicht herbei, das professionell betreut werden sollte.
Im Rahmen einer Therapie werden Betroffene angeleitet, neues Selbstbewusstsein zu erlernen und andere Lebensperspektiven zu erfahren. Ein weiters Ziel der Nachsorge, nämlich Alltagsunterstützung durch Hilfsmittel bereitzustellen, ist meist auch nicht notwendig. Wohnungsausstattungen und Arbeitsplätze lassen sich an das Körpermaß der Kleinwüchsigen anpassen. Arbeitgeber erhalten bei der Integration finanzielle Unterstützung durch den Staat.
Das können Sie selbst tun
Die Patienten mit Mandibulo-fazialer Dysostose-Mikrozephalie leiden von Geburt an unter den typischen Beschwerden und erhalten im Alltag vor allem von ihren Eltern Unterstützung. Die Sorgeberechtigten begleiten ihre erkrankten Kinder zu sämtlichen Terminen bei Ärzten und sonstigen Therapeuten. Außerdem kontrollieren die Eltern die korrekte Dosierung und Einnahme der verordneten medizinischen Wirkstoffe, da den minderjährigen Patienten selbst die notwendige Eigenverantwortung fehlt.
Bedingt durch ihren Minderwuchs ergeben sich meist Beschwerden an Muskeln oder Skelett, sodass eine Physiotherapie einen erheblichen Nutzen stiftet. Der Therapeut schult den Betroffenen in der Ausübung adäquater Übungen, die in kleinen Einheiten auch zu Hause durchführbar sind. Anhand der Durchführung der Trainingseinheiten in der Freizeit erhöht sich der positive Effekt auf Muskeln und Kondition.
Um die eingeschränkte Sprachfähigkeit der Patienten zu schulen, besuchen die Betroffenen eine logopädische Therapie. Zudem ist oftmals ein Sonderschulbesuch sinnvoll, damit die Patienten eine ihrer kognitiven Lernfähigkeit angepasste Förderung erhalten. Die Erkrankung ist für die Eltern des Betroffenen mit einer großen psychischen Belastung verbunden, weshalb sich unter Umständen seelische Erkrankungen wie etwa Depressionen entwickeln. Im eigenen Interesse begeben sich die Eltern in die Betreuung eines Psychologen, auch um das erkrankte Kind weiterhin unterstützen zu können.
Quellen
- Murken, J., Grimm, T., Holinski-Feder, E., Zerres, K. (Hrsg.): Taschenlehrbuch Humangenetik. Thieme, Stuttgart 2011
- Niethardt, F.U.: Kinderorthopädie. Thieme, Stuttgart 2009
- Witkowski R., Prokop O., Ullrich E.: Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen. Springer, Berlin 2003