Marine-Lenhart-Syndrom
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 8. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Beim Marine-Lenhart-Syndrom handelt es sich um eine relativ seltene Erkrankung. Morbus Basedow oder eine andere Autoimmunthyreopathie, die mit einer Schilddrüsenüberfunktion einhergeht, treten hier zusammen mit warmen Schilddrüsenknoten auf. Eine Differentialdiagnose ist schwierig, die Symptome des Syndroms entsprechen größtenteils denen von Morbus Basedow und einer Schilddrüsenüberfunktion.
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Was ist das Marine-Lenhart-Syndrom?
Das Marine-Lenhart Syndrom ist eine Variante des Morbus Basedow, bei der koexistente autonome Schilddrüsenknoten vorhanden sind. Es wird auch häufig als Morbus Basedow mit koexistentem multinodularem Kropf oder knotiger Morbus Basedow bezeichnet, da es von vielen als Unterart von Morbus Basedow betrachtet wird.
Das Syndrom tritt selten auf, mit einer berichteten Prävalenz, die sich zwischen 1-4,1 Prozent bei Patienten mit Morbus Basedow befindet. Die Autoimmunerkrankung mit stimulierendem Autoantikörper tritt am TSH-Rezeptor in einer koexistierenden nodulären Drüse auf. Das Syndrom wurde erstmals im Jahre 1911 von den amerikanischen Chirurgen David Marine und Carl H. Lenhart beschrieben. Bei Studien des Kropfes stießen sie auf acht Fälle, in denen ein Kropf mit Knoten in der Schilddrüse einherging.
Ursachen
Das Zusammenspiel mehrerer Faktoren führt schließlich dazu, dass die Selbsttoleranz der Schilddrüse gegenüber Antigenen zusammenbricht. Dies hat eine Autoimmunkrankheit zur Folge. Die gebildeten Autoantikörper binden sich an den TSH-Rezeptor. Durch ihre intrinsische Aktivität stimulieren sie die Follikelepithelzellen der Schilddrüse.
Das führt zu einer gesteigerten Jodaufnahme, einer vermehrten Produktion und Ausschüttung der Schilddrüsenhormone und letztlich zu einer Hyperthyreose. Beim Morbus Basedow werden also die TSH-Rezeptoren geschädigt und zerstört, wodurch SD-Hormone unkontrolliert ausgebildet werden. Das Marine-Lenhart-Syndrom ergibt sich aus der Verbindung der Basedow’schen Krankheit mit einer fokalen Autonomie. Dabei handelt es sich um abgegrenzte Knoten, die SD-Hormone unkontrolliert und selbstständig produzieren.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Zu den möglichen Symptomen zählen alle Beschwerden, die auch bei einer Hyperthyreose auftreten können. Diese reichen vom typischen Kropf bis zu Schlaflosigkeit, Müdigkeit, Gereiztheit und Zittern. Auch Bluthochdruck, Herzflimmern oder eine ungewollte Gewichtsabnahme können die Folgen sein.
Begleitend kommt es durch die Mobilisierung der Glykogen- und Fettreserven zu einer Glukosetoleranz, eventuell sogar zu einer Hyperglykämie. Weiterhin macht sich das Syndrom auch durch die Symptome des Morbus Basedow bemerkbar. Diese umfassen unter anderem hervortretende Augäpfel, Myxödeme, Muskelschwäche, Osteoporose und Zyklusstörungen, die zu einer vorübergehenden Unfruchtbarkeit führen können.
Auch Wärmeintoleranz, Schweißausbrüche und eine gesteigerte Stuhlfrequenz können zu den Anzeichen gehören. Wenn die Knoten auf die Luftröhre drücken, hat dies Schluckbeschwerden und ein Enge-Gefühl im Hals zur Folge.
Diagnose & Krankheitsverlauf
Bei der Feststellung der Erkrankung ergeben sich differentialdiagnostische Herausforderungen. Während der primären Hyperthyreose erscheinen die Knoten zunächst als szintigraphisch kalt. Nach der Therapie stellen sie sich jedoch als normal speichernde oder warme Areale heraus. Zur Diagnose dient zunächst eine Blutentnahme. Hierbei wird nach den Antikörpern TPO und TG gesucht.
Dabei handelt es sich um spezifische Antikörper, die zur Feststellung von Morbus Basedow und Erkrankungen der Schilddrüse herangezogen werden. Bei einer Ultraschalluntersuchung wird anschließend sowohl nach Knoten als auch nach einer Schilddrüsenentzündung gesucht. Merkmale, die auf eine Entzündung der Schilddrüse hindeuten, sind eine diffus vergrößerte Drüse, ein echoarmes Drüsengewebe sowie eine deutlich erhöhte Durchblutung, die im Englischen als „Thyroid Inferno“ bezeichnet wird.
Auch wenn die Auffälligkeiten bei der Ultraschalluntersuchung in der Regel nicht von den Symptomen der Hashimoto-Thyreoiditis zu unterscheiden sind, machen das klinische Bild und die Blutproben eine Diagnose einfach. Eine SD-Szintigraphie verschafft zusätzlich Klarheit.
Komplikationen
Nicht selten kommt es zu einem Gewichtsverlust und zu einer Muskelschwäche. Der Alltag des Patienten wird durch das Marine-Lenhart-Syndrom stark eingeschränkt und es kommt zu Schweißausbrüchen oder zu Schluckbeschwerden. Weiterhin können die Schluckbeschwerden zu einer eingeschränkten Einnahme von Flüssigkeiten und Nahrung führen, sodass es zu einer Dehydrierung oder zu verschiedenen Mangelerscheinungen kommt.
In den meisten Fällen ist kein operativer Eingriff beim Marine-Lenhart-Syndrom notwendig und die Behandlung kann mit Hilfe von Medikamenten und radioaktiven Präparaten durchgeführt werden. Dabei kommt es nicht zu weiteren Komplikationen oder Beschwerden und auch die Lebenserwartung des Patienten wird bei einer frühzeitigen Behandlung nicht verringert. Allerdings sind die Betroffenen in der Regel ihr gesamtes Leben lang auf Hormone angewiesen.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Schlafstörungen, Müdigkeit oder Mattigkeit sind Anzeichen einer vorliegenden gesundheitlichen Beeinträchtigung. Hält der Zustand an oder nimmt er an Intensität zu, wird ein Arzt benötigt. Bei einer inneren Unruhe, einer Gereiztheit oder einem Zittern besteht Anlass zur Besorgnis. Ein Arzt wird benötigt, damit eine Linderung der Beschwerden durch eine medizinische Versorgung des Betroffenen eingeleitet werden kann. Störungen des Herzrhythmus, Bluthochdruck, eine innere Hitze oder Unterbrechungen des Herzschlages sind von einem Arzt schnellstmöglich untersuchen und abklären zu lassen. Kommt es zu einer plötzlichen und ungewollten Abnahme des Körpergewichts, ist dies ein Anzeichen einer vorliegenden Unregelmäßigkeit.
Beschwerden des Schluckaktes, eine Verweigerung der Lebensmittelzufuhr sowie optische Veränderungen im Gesicht sind einem Arzt vorzustellen. Bei Schweißausbrüchen oder bei einer Abnahme der gewohnten körperlichen Leistungsfähigkeit ist ein Arztbesuch anzuraten. Können die alltäglichen Verpflichtungen nicht mehr wahrgenommen werden, zeigt sich eine Abnahme an der Teilhabe gesellschaftlicher Aktivitäten oder treten andere Verhaltensauffälligkeiten auf, benötigt der Betroffene Hilfe und Unterstützung.
Atembeschwerden oder ein Gefühl der Enge im Hals sind von einem Arzt begutachten zu lassen. Eine Schwäche der Muskeln sowie bei geschlechtsreifen Frauen eine Unregelmäßigkeit des Monatszyklus, sind weitere Anzeichen einer gesundheitlichen Störung. Es besteht Handlungsbedarf, damit eine Diagnosestellung ermöglicht wird.
Behandlung & Therapie
Eine erste Therapie besteht in der Regel aus der Einnahme von Thyreostatika. Diese Behandlung sollte jedoch nur zeitlich begrenzt durchgeführt werden, bis die Eutheryose, also die Normalfunktion der Schilddrüse, erreicht ist. SD-hormonhemmende Medikamente verhelfen hier etwa der Hälfte der Erkrankten zur Heilung. Sobald der Schilddrüsenhormonspiegel unter Kontrolle ist, kommen weitere Therapieoptionen in Betracht.
Wenn die Bösartigkeit des Befunds ausgeschlossen werden konnte, kann eine Radiojodtherapie angewendet werden. Bei diesem nuklearmedizinischen Verfahren kommt das radioaktive Jod-Isotop zum Einsatz. Überwiegend ein Beta-Strahler hat es eine Halbwertszeit von acht Tagen. Im menschlichen Körper ist es ausschließlich in Zellen der Schilddrüse zu finden.
Die Beta-Strahlen schädigen die DNA in der Umgebung der Schilddrüsenzellen, wodurch die betroffenen Zellen eliminiert werden. Da die vom Marine-Lenhart-Syndrom betroffenen Patienten oft eine Resistenz gegen Radiojod entwickelt haben, ist eine höhere Dosierung erforderlich. Dadurch konnten in der Vergangenheit viele Betroffene erfolgreich behandelt werden.
Früher galt eine Operation als einzig wirksame Therapie. Auch heute noch kann bei mehreren Knoten deren operative Entfernung zum Erfolg führen. Eine Entfernung der gesamten Schilddrüse ist ebenfalls denkbar. In diesem Fall müssen die Patienten jedoch für den Rest ihres Lebens Hormone einnehmen.
Aussicht & Prognose
Das Marine-Lenhart-Syndrom hat eine ungünstige Prognose. Die Erkrankung ist auf einen genetischen Defekt zurückzuführen, der bislang nicht geheilt werden kann. Eine Veränderung der menschlichen Genetik ist aus rechtlichen Gründen nicht gestattet. Ärzte und Mediziner richten ihre Aufmerksamkeit in einer Behandlung auf die Nutzung von symptomatischen Ansätzen.
Die individuell auftretenden Beschwerden werden durch unterschiedliche Therapien bestmöglich behandelt. Hormonelle Präparate führen dazu, dass ungefähr die Hälfte der Patienten weitestgehend beschwerdefrei werden. Bei einem Absetzen der Arznei ist jedoch mit einer Rückkehr der Beschwerden zu rechnen. Daher muss eine lebenslange medikamentöse Behandlung stattfinden, um die Lebensqualität des Betroffenen zu stabilisieren.
Bei einem ungünstigen Krankheitsverlauf kommt es zu Folgestörungen. Das Herz-Kreislaufsystem wird enormen Belastungen ausgesetzt. Bei einigen Patienten wird daher das vorzeitige Ableben aufgrund eines Herzversagens dokumentiert. Darüber hinaus kann es zu einer bösartigen Krankheitsentwicklungen kommen. Auch hier droht dem Betroffenen eine Verminderung der durchschnittlichen Lebenszeit.
Als hilfreich und unterstützend ist neben der Gabe von Hormonen eine stabile Psyche von besonderer Bedeutung. Da der Betroffene sich einer Langzeittherapie unterziehen muss, sind Maßnahmen für die Selbsthilfe sowie das Vermeiden von Schadstoffen wichtig. Bei einer gesunden und stabilen mentalen Verfassung können häufig Verbesserungen der gesamten Situation beobachtet werden.
Vorbeugung
Da das Marine-Lenhart-Syndrom im Zusammenhang mit Morbus Basedow steht, gelten für beide Erkrankungen die gleichen Risikofaktoren. So sollte psychosozialer Stress möglichst vermieden werden. Entspannungsübungen können helfen, stressige Situationen zu entschärfen. Auch Rauchen kann die Entwicklung der Erkrankung begünstigen. Zudem sollten Viruserkrankungen sorgfältig behandelt und auskuriert werden.
Nachsorge
Das Marie-Lenhart-Syndrom kann eine lebenslange Nachsorge zur Folge haben. Dies ist unabhängig von der jeweiligen Behandlungsmethode. Außerdem muss verhindert werden, dass es zu Augenbeschwerden aufgrund einer endokrinen Orbitopathie kommt, was bei etwa 50 Prozent aller Patienten möglich ist. Darüber hinaus erfordert die Nachbehandlung viel Aufwand und Geduld. So sind die Therapiestrategien mittel- bis langfristig angelegt.
Im Falle einer konservativ-medikamentösen Therapie erhält der Patient ein bis zwei Jahre lang Thyreostatika. Je nach Ausgangslage beträgt das Risiko eines Rezidivs 30 bis 90 Prozent. Die Nachuntersuchungen müssen alle vier bis acht Wochen stattfinden. Als sicherste und schnellste Behandlungsmethoden von Morbus Basedow gelten die Radiojodtherapie sowie ein operativer Eingriff.
Im Anschluss an diese Verfahren ist es jedoch erforderlich, für den Rest des Lebens Schilddrüsenhormone einzunehmen. Nur auf diese Weise lässt sich die dadurch entstehende Unterfunktion der Schilddrüse, also ein Mangel an Schilddrüsenhormonen, ausgleichen. Sind anfangs regelmäßige Kontrolluntersuchungen notwendig, beschränken sich diese im weiteren Verlauf auf ein bis zwei Untersuchungen im Jahr.
Direkt nach einem chirurgischen Eingriff an der Schilddrüse erhält der Patient Schilddrüsenhormone in einer Standardmenge. Wie viele Hormone der Patient letztlich benötigt, wird in der Zeit nach der Operation ermittelt und individuell entsprechend angepasst. Die Zielwerte fallen unterschiedlich aus und werden vom Hausarzt oder einem Endokrinologen bestimmt.
Das können Sie selbst tun
Das Marine-Lenhart-Syndrom wird in erster Linie medikamentös behandelt. Patienten können die Thyreostatika-Therapie unterstützen, indem sie sich schonen und bei ungewöhnlichen Symptomen den Arzt informieren. Generell empfiehlt es sich, ein Beschwerdetagebuch anzulegen, indem etwaige Beschwerden der Erkrankung sowie Nebenwirkungen der eingesetzten Medikamente notiert werden. Dies erleichtert es dem Arzt, die Medikation optimal auf die individuelle Verfassung des Patienten einzustellen. Eine Radiojodtherapie kann von den Betroffenen ebenfalls durch eine gute Zusammenarbeit mit dem zuständigen Arzt unterstützt werden.
Sollten diese Maßnahmen keine Wirkung zeigen, muss eine Operation durchgeführt werden. Nach einem Eingriff muss die Diät umgestellt werden, um einen raschen Heilungsverlauf zu gewährleisten. Betroffene sollten außerdem auf Genussmittel wie Alkohol und Koffein verzichten und gegebenenfalls das Rauchen einstellen.
Begleitend dazu müssen die einzelnen Symptome behandelt werden. Gegen Schweißausbrüche hilft oftmals schon ein Spaziergang an der frischen Luft. Gereiztheit und Zittern kann mittels gezielter Entspannungsmaßnahmen entgegengewirkt werden. Stress und körperliche Anstrengung gilt es nach Möglichkeit zu vermeiden, bis die Symptome des Marine-Lenhart-Syndroms abgeklungen sind. Sollten Herz-Kreislauf-Beschwerden oder Zyklusstörungen hinzukommen, müssen unter Umständen weitere Ärzte hinzugezogen werden.
Quellen
- Braun, J., Dormann, A .J.: Klinikleitfaden Innere Medizin. Urban & Fischer, München 2013
- Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
- Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013