Metencephalon

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 23. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Das Metencephalon oder Hinterhirn gehört zum Rhombencephalon und setzt sich aus Kleinhirn (Cerebellum) und Brücke (Pons) zusammen. Zahlreiche Zentren und Kerne tragen zu Motorik, Koordination und Lernprozessen bei. Pathologische Relevanz für das Metencephalon besitzen vor allem Fehlbildungen und Läsionen, die zu Ausfällen in den Funktionsbereichen führen können.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Metencephalon?

Beim Metencephalon handelt es sich um einen Teil des Gehirns, der dem Rautenhirn (Rhombencephalon) angehört. Da das Metencephalon im hinteren Bereich des Kopfes liegt, ist es auch als Hinterhirn bekannt.

Beim Embryo stellt das Neuralrohr den Vorläufer des gesamten Nervensystems des Menschen dar. Daraus entwickeln sich die sogenannten Hirnbläschen innerhalb der ersten 25 Tage.

Das Metencephalon bildet in der embryonalen Entwicklung als 4. Hirnbläschen eine zusammenhängende Struktur, die sich erst später in Kleinhirn und Pons teilt und anschließend die feinere Strukturen ausbildet.

Anatomie & Aufbau

Das Metencephalon besteht aus zwei Untereinheiten: Kleinhirn (Cerebellum) und Brücke (Pons). Das Kleinhirn besitzt zwei Hemisphären. Im Querschnitt lassen sich drei Schichten der Kleinhirnrinde unterscheiden, die sich nicht nur histologisch voneinander abweichen, sondern auch jeweils spezifische Nerventypen beinhalten.

Unter der Rinde befindet sich im Mark die weiße Substanz des Cerebellums, die sich durch zahlreiche Nervenfasern auszeichnet. Hier befinden sich verschiedene Kerne (Nuclei), die Knotenpunkte in der Informationsverarbeitung darstellen. Zu ihnen gehören neben dem Nucleus emboliformis (auch als Nucleus interpositus anterior bekannt) und dem Nucleus globosus (bzw. Nucleus interpositus posterior), die dicht beieinander liegen, der Nucleus dentatus sowie der Nucleus fastigii.

Den anderen Teil des Metencephalons bildet der Pons bzw. die Brücke. Diese Struktur beinhaltet zahlreiche Nervenbahnen und bildet das wichtigste Verbindungsglied zwischen verlängertem Rückenmark, Rückenmark und peripherem Nervensystem einerseits und dem Rest des Gehirns andererseits. Auch im Pons liegen verschiedene Kerne: die Nuclei motorii, die Brückenkerne (Nuclei pontis), die Gleichgewichtskerne (Nuclei vestibulares) sowie der Nucleus sensibilis pontinus. Auch ein Teil des vierten Ventrikels zählt zum Metencephalon; dabei handelt es sich um einen mit Flüssigkeit gefüllten Hohlraum im Gehirn.

Funktion & Aufgaben

Die Aufgaben des Metencephalons unterscheiden sich je nach Region; insgesamt stehen motorische Funktionen und Koordinationsprozesse im Vordergrund.
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Die Aufgaben des Metencephalons unterscheiden sich je nach Region; insgesamt stehen motorische Funktionen und Koordinationsprozesse im Vordergrund. Der Pons ist hauptsächlich für die Weiterleitung von Nervensignalen zuständig und stellt in seiner Funktion als Brücke einen Engpass des zentralen Nervensystems dar. Verschiedene Hirnnerven haben im Pons ihren Ursprung. Die Physiologie fasst die motorischen Kerne als Nuclei motorii zusammen. Sie spielen eine entscheidende Rolle für die Koordination der Stützmuskulatur und sind beispielsweise beim Gehen aktiv.

In den Brückenkernen (Nuclei pontis) laufen Nervenfasern zusammen, die am Lernen von neuen Bewegungsabläufen sowie an der Korrektur von Bewegungen beteiligt sind. Ebenfalls im Pons liegen die Gleichgewichtskerne (Nuclei vestibulares); sie verschalten die Informationen aus dem Gleichgewichtsorgan im Innenohr mit anderen Signalen und tragen zu Prozessen bei, die Koordination erfordern. Neben der Stützmotorik sind auch Blickbewegungen auf die Gleichgewichtskerne angewiesen. Sensorische Fasern des Nervus trigeminus laufen im Nucleus sensibilis pontinus zusammen. Die Verarbeitung dieser Reize dient Schutz- und Abwehrmechanismen, beispielsweise wenn Zwiebeldünste die Augen reizen.

Das Kleinhirn zeichnet sich durch eine hohe Aufgabenvielfalt aus, die bislang nicht vollständig erforscht ist. Die vier Kerne, zahlreiche Synapsen und die hohe Nervendichte insgesamt – im Cerebellum liegen die Hälfte aller Neurone des Gehirns – tragen zum Lernen bei und arbeiten mit höheren kognitiven Arealen zusammen. Außerdem steuert das Kleinhirn zahlreiche motorische Prozesse. Dabei kontrolliert es auch sehr feine Muskeln, die der Mensch zum Sprechen benötigt. Koordination, Stützmotorik, Haltemotorik und Bewegungsplanung sind weitere Aufgaben des Cerebellums.

Zu den spezifischen Aufgaben der Kerne im Kleinhirn gehört die Steuerung der Zielmotorik im Nucleus dentatus, dem größten der Kerne im Kleinhirn. Auch Nucleus emboliformis und Nucleus globosus leisten einen Beitrag zur Zielmotorik; darüber hinaus stimmen sie die Stützmotorik ab. Die Nuclei fastigii wirken an der Haltemotorik mit – sowohl im Fall von statischen Haltungen als auch bei dynamischen Anpassung von Bewegungsabläufen. Spezielle Fasern tragen zu entsprechenden Anpassungen für die Augenbewegungen bei.


Krankheiten

Krankheiten des Metencephalons manifestieren sich in Abhängigkeit vom betroffenen Areal. Permanente Einschränkungen resultieren in der Regel aus angeborenen Fehlbildungen oder erworbenen Läsionen aufgrund von Durchblutungsstörungen, Schädel-Hirn-Trauma, Schlaganfall, erhöhtem Hirndruck, Tumoren und anderen Grunderkrankungen.

Neurodegenerative Krankheiten wie Multiple Sklerose können ebenfalls das Metencephalon betreffen. Bei dieser Entmarkungskrankheit verlieren die Nervenfasern durch Entzündungserscheinungen ihre isolierende Schicht; infolgedessen ist die Informationsverarbeitung gestört. Das Kleinhirn, das zum Metencephalon gehört, kann davon ebenfalls betroffen sein. Läsionen durch Multiple Sklerose führen typischerweise zu Ataxie: Betroffene sind nicht mehr in der Lage, Bewegungen zu koordinieren oder korrekt auszuführen, obwohl die Muskeln vollkommen intakt sind. Gangstörungen sind eine besonders häufige Form der Ataxie.

Das Millard-Gubler-Syndrom stellt ein Beispiel für Beschwerden infolge einer Pons-Läsion dar, wobei die Schädigung auf eine Durchblutungsstörung zurückgeht. Charakteristische Anzeichen dieses Krankheitsbilds sind die Gesichtslähmung (Fazialisparese) und die Lähmung des Augenmuskels, der für auswärtsdrehende Bewegungen verantwortlich ist (Abduzensparese); beide Symptome manifestieren sich auf der Körperseite, die von der Läsion geschädigt ist. Die andere Körperseite ist beim Millard-Gubler-Syndrom unvollständig gelähmt (Hemiparese) und zeigt spastische Symptome.

Auch das Foville-Syndrom geht auf eine Schädigung des Pons zurück, oft aufgrund eines Tumors oder einer Durchblutungsstörung. Die Symptomatik ähnelt den Beschwerden, die beim Millard-Gubler-Syndrom auftreten, doch die Hemiparese geht nicht mit Spastik einher, sondern mit dem Verlust der Empfindungsfähigkeit (Hemianästhesie).

Quellen

  • Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013
  • Tortora, G.J., Derrickson, B.H.: Anatomie und Physiologie. Wiley-Blackwell, Oxford 2006
  • Weniger, W.: Gehirn und Nervensystem. Facultas, Wien 2019

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