Myelogenese

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Mit der Myelogenese bezeichnet die Medizin zum einen die embryonale Rückenmarksbildung und zum anderen die Bildung des Marks aller markhaltigen Nerven, die von den Oligodendroglia und den Schwann'schen Zellen vorgenommen wird. Beide Bedeutungen des Begriffs befassen sich mit Entwicklungsprozessen des Nervensystems. Störungen dieser Entwicklungsprozesse haben funktionelle Beeinträchtigungen des zentralen und peripheren Nervensystems zur Folge.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Myelogenese?

Mit der Myelogenese bezeichnet die Medizin zum einen die embryonale Rückenmarksbildung und zum anderen die Bildung des Marks aller markhaltigen Nerven.

Der Ausdruck der Myelogenese ist medizinisch mit zwei unterschiedlichen Bedeutungen assoziiert. So bezieht sich der Begriff einerseits auf die embryonale Entwicklung des Rückenmarks und andererseits auf die Myelinisation (des Myelins) zur Bildung der Markscheiden von markhaltigen Nervenfasern.

Das Rückenmark entsteht bei der Embryonalentwicklung aus dem kaudalen Anteil des Neuralrohrs. In diesem Zusammenhang ist die Myelogenese ein Folgeschritt der Neurulation.

Im Zusammenhang mit der Myelinisation entspricht die Myelogenese der Umwicklung von markhaltigen Nerven. Diese Umwicklung übernehmen im zentralen Nervensystem die sogenannten Oligodendroglia-Zellen und im peripheren Nervensystem die Schwann-Zellen. Durch die Umwicklung entstehen Myelinscheide, die im zentralen und peripheren Nervensystem durch je eine einzelne Gliazelle geformt werden. Jede Schwann-Zelle legt sich spiralförmig um einen Nervenfaserabschnitt. Jede Oligodendroglia-Zelle bildet Ausläufer und diese Ausläufer umwickeln einzeln einen einzigen Abschnitt der Nervenfaser.

Funktion & Aufgabe

Bei der embryonalen Neurulation bildet sich das Neuralrohr des Embryos. Mit dieser Struktur manifestiert sich erstmals das zentrale Nervensystem. Das Rückenmark geht als Teil des zentralen Nervensystems aus dem Neuralohr hervor. Sein kraniales Ende geht in das sogenannte Rhombencephalon über, das auf jeder Seite an vier okzipitale Somiten grenzt.

Ab der sechsten Entwicklungswoche differenziert sich die Wand des Neuralrohrs in drei verschiedene Schichten aus. Neben einer Ventrikulärzone ist eine Intermediärzone und eine Marginalzone auszumachen. Seine endgültige Form erhält das Rückenmark etwa in der zehnten Woche der Entwicklung. Die Hirn- und Rückenmarks-Häute umgeben die Struktur, die selbst im Wirbelkanal liegt. Das Rückenmark und der Wirbelkanal sind bis zum vierten Monat entwickelt. Ihre Entwicklungsschritte finden parallel zueinander statt. Das Wachstum der Wirbelsäule schreitet ab dieser Zeit weiter und weiter fort.

Die Myelogenese bezieht sich in diesem Zusammenhang allerdings ausschließlich auf die Neurulation und die darauf aufbauende Markbildung. Im Sinne der Myelinisation und damit der Markbildung an markhaltigen Nervenfasern bezieht sich der Ausdruck der Myelogenese auf die Umwicklung der Nerven, die eine Isolierung der Strukturen gegen die Umgebung zur Folge hat.

Die Myelinisation isoliert die Axone der Nerven elektrisch und sorgt so dafür, dass Signale im Nervensystem in hoher Geschwindigkeit und annähernd verlustlos übertragen werden können. Die Umwicklung der Axone findet auf der Faser in regelmäßigen Abständen statt. Zwischen den einzelnen Scheiden aus Myelin liegen etwa gleichgroße Lücken. Diese Lücken entstehen aufgrund von taillenförmigen Einschnürungen und sind als Ranvier-Schnürringe benannt, die histologisch als winzige Knoten zu erkennen sind. Aufgrund ihres Aussehens werden sie auch als Nodus bezeichnet.

Zwischen zwei Ranvier-Nodi liegt das sogenannte Internodium. Der Aufbau aus myelinisierten und unisolierten Stellen sorgt dafür, dass Nervenfasern für Signale von Außen empfänglich sind und Aktionspotentiale so zwischen den einzelnen Axonen kommuniziert werden können.

Myelinisation findet bereits während der Embryonalentwicklung statt. Der Prozess beginnt etwa im dritten Embryonalmonat und nimmt im vierten Lebensjahr mit der vollen Myelinisation der Pyramidenbahnen sein Ende.


Krankheiten & Beschwerden

Störungen bei der Myelogenese können fatale Folgen für einen Organismus haben. Das gilt sowohl für Störungen während der Embryonalentwicklung des Rückenmarks, als auch für solche der Markbildung an markhaltigen Nervenfasern. Wenn Nervenfasern durch eine gestörte Myelinisation zum Beispiel zu wenig Mark erhalten, sind sind unzureichend gegen ihre Umgebung isoliert. Die Folge ist der Signalverlust bei der Übertragung von Aktionspotentialen. Solche Signalverluste verlangsamen die Übertragungsleitung oder verhindern die Übertragung im Extremfall vollständig.

An den Pyramidenbahnen kann unzureichende Myelogenese so zum Beispiel Lähmungserscheinungen hervorrufen. Ähnliche Folgen können Entwicklungsstörungen des Rückenmarks haben. Von einer Amyelie ist immer dann die Rede, wenn das gesamte Rückenmark fehlt. Ohne Rückenmark sind jedoch Menschen nicht überlebensfähig.

Bei einer Hypoplasie oder Dysplasie zeigt das Rückenmark Unterentwicklungen oder Fehlentwicklung. Beide Phänomene gehen auf äußere Ursachen zurück und sind nicht genetisch bedingt. Zu Dysplasien oder Hypoplasien des Rückenmarks kommt es so zum Beispiel nach mechanischen, infektiösen, nahrungsbedingten oder toxischen Schädigungen während der frühen Schwangerschaft.

Zu den denkbaren Fehlbildungen des Rückenmarks zählt zum Beispiel die Diastematomyelie. Dabei handelt es sich um eine angeborene Spaltbildung des Rückenmarks. Die Struktur teilt sich in ungleiche Anteile, die jeweilig mit eigenen Häuten ausgestattet sind. Die Aufteilung ist in den meisten Fällen im unteren Brustbereich lokalisiert oder beginnt an der oberen Lendenwirbelsäule.

Alle Fehlbildungen und Unterentwicklungen des Rückenmarks haben Funktionsstörungen des Nervensystems zur Folge. Der Ort der Fehlbildung entscheidet darüber, wie sich diese Funktionsstörungen genau manifestieren. Die einzelnen Rückenmarksabschnitte versorgen in ihrer Gesamtheit alle Körperbereiche mit Nervenfasern und sind damit für sämtliche Körperprozesse entscheidende Elemente. Damit kann eine Fehlentwicklung des Rückenmarks sowohl organische Störungen, als auch Störungen der Motorik oder der Wahrnehmung zur Folge haben.

Dieselben Folgen gelten im Großen und ganzen für eine gestörte Markscheidenbildung. Da das Rückenmark zum zentralen Nervensystem gehört, haben Entwicklungsstörungen des Rückenmarks allerdings meist schwerwiegendere Folgen als Markscheidbildungsstörungen. Letztere können sich unter Umständen auch ausschließlich auf das periphere Nervensystem beziehen.

Quellen

  • Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
  • Hacke, W.: Neurologie. Springer, Heidelberg 2010
  • Poeck, K., Hacke, W.: Neurologie. Springer, Heidelberg 2010

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