Neurulation
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 15. April 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Die Neurulation ist im Rahmen der Embryonalentwicklung die Bildung des Neuralrohrs aus ektodermalen Zellen. Aus dem Neuralrohr entwickeln sich später die einzelnen Strukturen des zentralen Nervensystems. Bei den Neurulationsstörungen ist die Bildung des Neuralrohrs fehlerhaft, was verschiedene Fehlbildungen des Nervensystems zur Folge haben kann.
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Was ist die Neurulation?
Der menschliche Embryo differenziert sich zu Beginn der Embryonalentwicklung in unterschiedliche Zellschichten. Diese Zellschichten heißen Keimblätter und entstehen während der Gastrulation. Menschen sind triploblastisch und haben damit drei Keimblätter: das innenliegende Entoderm, das mittige Mesoderm und das äußere Ektoderm. Die Keimblätter sind zur Entwicklung bestimmter Gewebe programmiert.
Die Entwicklung des zentralen Nervensystems beginnt bei Wirbeltieren mit der Bildung des sogenannten Neuralrohrs. Dabei handelt es sich um eine embryonale Gewebestruktur, die sich ab dem 19. Tag der Embryonalentwicklung aus der Annäherung und Fusion der Neuralfalten bildet. Dieser Prozess wird als Neurulation bezeichnet und entspricht der Abfaltung des neuronalen Ektoderms aus der Primärstruktur des außenliegenden Ektoderms. Die Neurulation findet unter dem Einfluss von Signalstoffen statt. Diese Botenstoffe stammen aus Zellen des axialen Mesoderms.
Funktion & Aufgabe
Während der Folgephase formen die Neuralwülste Neuralfalten. Diese Falten treffen sich im weiten Verlauf mittig und schließen durch ihre Fusion die Neuralrinne. So wird aus der ehemaligen Neuralrinne das Neuralrohr. Die Neuralfaltenfusion findet anhand von (N-)Cadherin-Molekülen der Zellmembranen statt.
In der nächsten Phase der Neurulation setzt sich das Neuroektoderm vom äußeren Keimblatt ab. Das restliche Ektoderm wächst darüber zum Oberflächenektoderm zusammen und wandert ins Embryoinnere. Die Zellen des ehemaligen Neuralplattenrandes bilden auf beiden Seiten des Neuralrohrs sogenannte Neuralleisten.
Das Neuralrohr ist der Ursprung des zentralen Nervensystems. Es faltet sich um den 25. Entwicklungstag herum ab. Die vordere Öffnung der Struktur schließt sich vor der Schließung der hinteren Öffnung und ermöglicht im vorderen Abschnitt des Neuralrohrs die Entwicklung des Gehirns. Die weiter hinten gelegenen Abschnitte bilden das Rückenmark aus.
Die Neurulation wird durch Botenstoffe induziert, die dem Notochord entstammen. Proteinfaktoren wie Noggin und Follistatin hemmen eine Fortentwicklung zum Oberflächenepithel und lassen auf Entwicklungsgene für das Nervengewebe zugreifen. Zusammen mit Wachstumsfaktoren sind sie an der regionalen Differenzierung der Strukturen beteiligt. In der mittleren Neuralplatte sind die Zellen des Ektoderms mit Selektivität am Notochord verankert. Sie befinden sich zuerst in medialer Linie, gehen später in zwei dorsolaterale Formationen über und bilden so die Angelpunkte für den Forgebungsprozess. Über genau abgestimmte Umlagerungen von Cytoskelettteilen lassen sich so Zellformänderungen erreichen. In Koordination mit den Wachstumsprozessen des Zellverbunds wird so die Aufwölbung oder Einziehung bestimmter Strukturen erzielt. Die fixen Angelpunkte ermöglichen in Form eines Widerlagers ein so koordiniertes Wachstum und damit eine genaue Formgebung des Neuralrohrs.
Während der sekundären Neurulation formen sich im Zellstrang flüssigkeitsgefüllte Hohlräume, die sich zu einem röhrenförmigen Gebilde vereinigen. Das Gebilde wird an das Lumen der Struktur angeschlossen und durch das Neuroepithel ausgefüllt. So wird dem Neuralrohr im zweiten Embryonalmonat ein Kaudalabschnitt angeschlossen, der aus mesodermalen Zellen besteht und sich zum Schwanzabschnitt des Rückenmarks entwickelt. Diese sekundäre Neurulation wird beim Menschen zwar eingeleitet, setzt sich jedoch nicht zur Ausbildung einer angedeuteten Schwanzstruktur fort.
Krankheiten & Beschwerden
Die Craniorachischisis totalis ist die wohl ausgeprägteste Form der Neurulationsstörung und setzt das Gehirn und Rückenmark offen Amnionflüssigkeit aus. Statt neuronalem Gewebe liegen Bindegewebsformationen vor. Die Anenzephalie ist eine etwas leichtere Fehlbildung. Bei dieser Störung fehlt zwar die Schädelkalotte, jedoch sind der Hirnstamm und das Kleinhirn meist vorhanden. Kinder dieser leichteren Form überleben dennoch nur selten die ersten Monate.
Auch Mittelliniendefekte sind Neurulationsstörungen und werden mit Gehirnfehlbildungen oder sekundären Hirnschäden assoziiert. Ein Beispiel für Erkrankungen dieser Art ist das Meckel-Gruber-Syndrom. Im Bereich des Rückenmarks zeigen sich Neurulationsstörungen mit am häufigsten. Die Spina bifida occulta ist das beste Beispiel für eine solche, oft symptomlos verlaufende, Manifestation. Auch die Spina bifida cystica betrifft die Wirbelsäule und geht mit Lähmungen und Sensibilitätsstörungen einher. Eine offene Form wird in diesem Zusammenhang von einer überhäuteten Form unterschieden. Weitere Fehlbildungen auf Basis von Neurulationsstörungen sind Syringomyelien und Diplomyelien.
Quellen
- Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
- Hacke, W.: Neurologie. Springer, Heidelberg 2010
- Masuhr K., Masuhr, F., Neumann, M.: Duale Reihe Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013