Nervus lingualis
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
Sie sind hier: Startseite Anatomie Nervus lingualis
Der Nervus lingualis oder Zungennerv innerviert die vorderen zwei Drittel der Zunge und umfasst sowohl sensorische als auch sensible Fasern. Er gehört zum Nervus mandibularis, der dem Nervus trigeminus untergeordnet ist. Läsionen können zu Geschmacksstörungen, Beschwerden beim Schlucken sowie physiologischen Sprechstörungen führen.
Inhaltsverzeichnis |
Was ist der Nervus lingualis?
Durch den Bereich des Unterkiefers zieht sich der Nervus lingualis. Er stellt eine Abzweigung aus dem Unterkiefernerv (Nervus mandibularis) dar, der seinerseits ein Ast des Nervus trigeminus ist. Beim Nervus trigeminus handelt es sich um den fünften Hirnnerv; in ihm laufen neuronale Informationen aus dem gesamten Gesichtsbereich zusammen.
Neben dem Nervus mandibularis besitzt der Nervus trigeminus zwei weitere Hauptäste: den Nervus ophthalmicus oder Augenast sowie den Nervus maxillaris oder Oberkieferast. Der Nervus lingualis innerviert die vorderen zwei Drittel der Zunge und nimmt sowohl sinnesspezifische (sensorische) Informationen von den Geschmacksknospen auf als auch unspezifische (sensible) Signale hinsichtlich Druck, Temperatur, Berührungen und Schmerzempfindungen.
Letztere sind mehr als nur starke Berührungsreize; der menschliche Körper besitzt eigene Schmerzrezeptoren (Nozirezeptoren), bei denen es sich oft um freie Nervenenden handelt. Da der Nervus lingualis vor allem die Zunge an das Nervensystem anschließt, ist er auch als Zungennerv bekannt.
Anatomie & Aufbau
Im weiteren Verlauf kreuzt er erst einen der äußeren Zungenmuskeln (Musculus styloglossus) und dann den oberen Schlundschnürer (Musculus constrictor pharyngis superior), der zu den Muskeln des Rachens zählt. Anschließend führt der Nervus lingualis mit dem hinteren Teil des Unterkiefers (Ramus mandibulae) auf der einen Seite und dem Musculus pterygoideus medialis auf der anderen Seite im Gesicht aufwärts, wobei er auch den inneren und äußeren Flügelmuskel (Musculus pterygoideus medialis und Musculus pterygoideus lateralis) passiert, die beide zu den Kaumuskeln gehören. Als Nervus mandibularis verläuft er weiter zum Schädel. Bereits in der Schädelhöhle teilt sich der Nervus trigeminus in diesen und zwei weitere Äste.
Funktion & Aufgaben
Die Aufgabe des Nervus lingualis besteht darin, Nervensignale weiterzuleiten. Verschiedene Fasern innerhalb der Bahn lassen sich dabei sich in Gruppen zusammenfassen. Die sensorischen Fasern transportieren elektrische Impulse, welche Nervenzellen als Reaktion auf eine Sinnesreizung produzieren. In diesem Fall handelt es sich um gustatorische bzw. geschmackliche Reize auf der Zunge.
Davon sind die sensiblen Fasern des Nervus lingualis zu unterscheiden. Sie befördern Informationen, die Berührungen, Schmerz und Temperatur betreffen. Die sensiblen Fasern bilden innerhalb des Nervs die Mehrheit. Ein Mensch besitzt rund 100.000 chemische Rezeptoren auf der Zunge und im Rachen, die für die Geschmackswahrnehmung verantwortlich sind. In einer Geschmacksknospe sind jeweils mehrere von ihnen zusammengefasst. Der Speichel hilft dabei, wasserlösliche Moleküle aus der Nahrung zu lösen, sodass die Geschmacksrezeptoren auf die einzelnen Substanzen reagieren können.
Die Moleküle wirken entweder direkt auf die Ionenkanäle oder binden sich an die Rezeptoren, die daraufhin Ionenkanäle in der Zellmembran öffnen. In beiden Fällen ist eine Depolarisation der Sinneszelle die Folge: Ein elektrisches Signal entsteht. Die einzelnen Nervenfasern, aus denen sich der Nervus lingualis zusammensetzt, sind zu Bündeln zusammengefasst. Eine Schicht aus Bindegewebe grenzt die 1–3 Bündel innerhalb des Nervs gegeneinander ab. Diese Hüllschicht, die reich an Kollagen ist, stellt das Perineurium dar.
Die Physiologie bezeichnet das Innere eines Faszikels als Endoneurium – in ihm befinden sich die eigentlichen Nervenfasern, über die Informationen in Form von elektrischen Impulsen von der Zunge ins Gehirn gelangen.
Krankheiten
Ein typisches Beispiel ist die Mandelentfernung. Nadeleinstiche, wie sie für lokale Betäubungen notwendig sind, können ebenfalls versehentlich den Nervus lingualis treffen: Zwar folgen Muskeln, Nerven und andere Strukturen im menschlichen Körper grundsätzlich dem gleichen Verlauf und Aufbau – doch im Einzelfall sind geringfügige Abweichungen möglich. Die genaue Lage des Nervus lingualis ist deshalb nicht in jedem Fall mit absoluter Sicherheit einzuschätzen.
Die Medizin bezeichnet solche Schäden im Rahmen von Behandlungen und Untersuchungen auch als iatrogen. Darüber hinaus bergen Verletzungen im Gesichtsbereich das Risiko einer Läsion am Nervus lingualis. Unabhängig von der genauen Ursache kann die Signalübertragung im Nerv vollständig ausfallen oder nur teilweise beeinträchtigt sein.
Störungen der gustatorischen Wahrnehmung fasst die Medizin als Dysgeusien zusammen. Zerstörte Nervenfasern, die keine Reize mehr transportieren, haben eventuell einen vollständigen Verlust des Geschmacksinns im betroffenen Zungenbereich (Ageusie) zur Folge. Bei der Hypogeusie ist die Sensibilität für gustatorische Reize hingegen nur verringert. Auch Taubheitsgefühle und Wahrnehmungsstörungen in Bezug auf Temperatur, Druck, Schmerz und Berührungen sind möglich.
Da der Nervus lingualis nicht die gesamte Fläche der Zunge innerviert, sondern lediglich die beiden vorderen Drittel, führt eine Läsion an diesem Nerv für gewöhnlich nicht zum absoluten Verlust des Schmeckens. Die meisten chemischen Rezeptoren, mit denen eine Person die geschmacklichen Reize wahrnimmt, liegen im hinteren Drittel der Zunge.
Neben Geschmacksstörungen können sich verschiedene weitere Beschwerden infolge einer Läsion am Nervus lingualis manifestieren: Schluckstörungen und motorische Schwierigkeiten beim Sprechen sind ebenfalls möglich.
Quellen
- Baenkler, H.-W., et al.: Kurzlehrbuch Innere Medizin. Thieme Verlag, Stuttgart 2010
- Frotscher, M., et al.: Taschenatlas Anatomie, Band 3: Nervensystem und Sinnesorgane. Thieme, Stuttgart 2018
- Mumenthaler, M., Mattle, H.: Neurologie. Thieme, Stuttgart 2012