Neugierde

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 16. April 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Neugierde ist durch ein Verlangen nach Neuem gekennzeichnet und gilt als eine Grundeigenschaft der menschlichen Art. Motivation und Antrieb hängen stark von der Neugierde ab, da der Mensch bei der Befriedigung seiner Neugier vom körpereigenen Belohnungssystem Rückmeldung erfährt. Bei Demenzerkrankungen etwa kann reduzierte Neugierde mit symptomatischem Motivationsverlust eintreten.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Neugierde?

Neugierde ist durch ein Verlangen nach Neuem gekennzeichnet und gilt als eine Grundeigenschaft der menschlichen Art.

Neugierde ist ein reizartiges Verlangen, Neues zu entdecken. Oft wird Neugier insbesondere mit dem Erkenntnisverlangen nach bisher Verborgenem gleichgesetzt. Der griechische Philosoph Platon beschrieb Neugierde als Anfang von allem. Menschen wie Galilei beurteilten die Eigenschaft als stärksten Motor der Problemlösung und Einstein führte sein Entdeckungstalent auf die Neugierde zurück.

Für die Fortentwicklung der menschlichen Art hat die Neugierde eine der entscheidendsten Rollen gespielt. Neugierde macht dementsprechend eine Grundeigenschaft des Menschen aus und wird für eines der charakterprägendsten Merkmale menschlicher Persönlichkeit gehalten.

Die Neurologie weiß seit langem, dass für Charakterzüge vor allem der Frontallappen des Gehirns eine Rolle spielt. Als Charaktereigenschaft müsste so auch die Neugierde im Stirnhirn zu finden sein. Nach neueren Studien gehen Wissenschaftler jedoch nicht mehr davon aus, dass Neugierde einen festen Platz im Gehirn hat. Stattdessen beruft sich die medizinisch-neurologische Definition der Neugierde mittlerweile auf ein ganzes Netzwerk, wie es das menschliche Gehirn an sich ausmacht.

Funktion & Aufgabe

Wie die Universität Bonn herausgefunden hat, besitzen neugierige Menschen ein besser vernetztes Gehirn. Einzelne Verbindungsstrecken im Gehirn der Studienteilnehmer korrelierten maßgeblich mit dem von ihnen angegebenen Maß ihrer Neugier und ihres Neugier-Verhaltens.

Besonders entscheidend schlug sich Neugier in der Studie auf die Verbindung zwischen Hippocampus und Striatum nieder. Das Striatum beherbergt das körpereigene Belohnungssystem und entspricht damit dem Gehirnanteil, der den Menschen zu Handlungen anspornt, Motivationen bereitstellt und Handlungsinteresse weckt. Der Hippocampus beherbergt dagegen vorwiegend Gedächtnisleistungen und schüttet außerdem Botenstoffe aus, die auf das Belohnungssystem wirken. Je stärker die Verbindung zwischen Striatum und Hippocampus, desto eher verlangen Menschen danach, Neues auszuprobieren.

Vermutlich ist die Grundverbindung zwischen den beiden Arealen angeboren, reift aber erst in den ersten Lebensmonaten oder Lebensjahren voll heran. In diesem Zusammenhang sind wahrscheinlich vor allem Impulse entscheidend, die das Kleinkind von seiner Umwelt erhält. Derartige Impulse wecken die Aufmerksamkeit und könnten dafür verantwortlich sein, dass sich die Verbindung zwischen Striatum und Hippocampus weitreichend festigt. Damit ließe sich das unterschiedliche Maß der Neugierde erklären, wie Menschen es grundsätzlich besitzen.

Neugierde wirkt sich in vielerlei Hinsicht positiv auf den Menschen aus. Je neugieriger der Mensch, desto offener ist er für Neues. Er lernt leichter, ist oft glücklicher und tut sich im Problemlösen leicht.

Da bei der Befriedigung von Neugierde Botenstoffe wie Dopamin über das Belohnungssystem des Striatum ein starkes Glücksgefühl hervorrufen, gilt Neugierde als einer der wichtigsten Antriebe und Motivationen. Neugier macht, laut University of California, auf gewisse Weise sogar high. Damit kann ein Mensch, dessen Neugierde einmal befriedigt wurde, nach dem Gefühl befriedigter Neugierde sogar etwas süchtig werden. Die Befriedigung von Neugierde macht somit letztlich immer neugieriger.


Krankheiten & Beschwerden

Menschen mit pathologisch reduzierter Neugierde leiden vor allem an Antriebslosigkeit. Sie verspüren weniger Motivation, Handlungen auszuführen oder ihr Leben zu leben. Unterschiedliche Erkrankungen können die Neugierde minimieren. Körperliche Ursachen liegen zum Beispiel bei Demenzerkrankungen vor. Sobald sich im Rahmen einer Demenz die Verbindungen zwischen Striatum und Hippocampus abbauen, geht die Neugierde des Patienten rapide zurück und Motivationsverlust tritt ein.

Schädigungen dieses Gehirnnetzwerks können sich auch im Rahmen von anderen Krankheiten einstellen. In diesem Zusammenhang sind Schlaganfälle genauso zu nennen wie Hirnblutungen durch Traumata, bakterielle Entzündungen, Tumore, autoimmunologische Entzündungen, angeborene Gehirnfehlbildungen oder zerebrale Hypoxien.

Neben diesen Ursachen kann reduzierte Neugierde mit symptomatischem Motivationsverlust im Rahmen von Depressionen, von Schizophrenie-Erkrankungen oder bei Stupor eintreten. Der Stupor ist vermutlich das radikalste Beispiel: es handelt sich um einen Zustand der Starre, den die Patienten bei vollem Bewusstsein erleben. Oft schließt sich das Phänomen an schwerwiegende Depression oder Schizophrenie an.

Da einige Medikamente sowie Drogen auf das Belohnungssystem im Striatum wirken, kann auch im Rahmen von Medikamenteneinnahme oder Suchterkrankungen die Neugierde und Motivation eines Menschen zurückgehen. Auch Hormone haben einen Einfluss auf unterschiedliche Prozesse innerhalb des Gehirns. Hormonelle Störungen durch Erkrankungen der Schilddrüse oder anderer Drüsenorgane können sich damit ebenfalls auf die Neugierde eines Menschen auswirken.

Pathologische Veränderungen der Neugierde und Motivation müssen immer von physiologisch geringer Neugierde unterschieden werden. Wie oben angemerkt, formt sich die Neugierde vermutlich durch Impulse während der frühen Kindheit aus. Damit unterscheidet sich das Maß von Mensch zu Mensch ohne pathologischen Wert in Abhängigkeit von den durchlebten Aufmerksamkeitsimpulsen.

Wer in der frühen Kindheit Deprivation im Sinne sozialer Verarmung ausgesetzt ist, erlebt dagegen eine pathologische Reduzierung der Neugierde. In Situationen der Deprivation erhalten Heranwachsende nicht ausreichend Zuwendung und damit auch nicht genügend Impulse, die eine physiologische Gehirnentwicklung zulassen würden.

Quellen

  • Arolt, V., Reimer, C., Dilling, H.: Basiswissen Psychiatrie und Psychotherapie. Springer, Heidelberg 2007
  • Emminger, H., Kia, T. (Hrsg.): Exaplan – Das Kompendium der klinischen Medizin. Urban & Fischer, München 2010
  • Kochen, M.M.: Duale Reihe. Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Thieme, Stuttgart 2012

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